Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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lichen Freiheitsgedankens sind dort eigentlich nur 
noch die Mönche, mit der gelegentlich scharf 
betonten Theorie, die frühere innere Freiheit in 
äußerer Verfolgung verdiene den Vorzug vor dem 
Reichtum in der jetzigen unfreien Kirche. Im 
Gegensatz hierzu treten im Westreich die Päpste 
immer wieder für Freiheit und Selbständigkeit 
der Kirche ein, ohne aber Trennung von Staat 
und Kirche zu verlangen oder das Interesse der 
Staatsgewalt an den kirchlichen Zuständen zu be- 
streiten. Gestützt und gestärkt wurden die Päpste 
in ihrer Opposition gegen das Staatskirchentum 
teils durch realpolitische Machtverhältnisse, die den 
Päpsten zugut kamen, teils durch den Kampf gegen 
die heterodoxe Religionspolitik der Kaiser. Im 
Herrschaftsgebiet arianischer Germanenfürsten er- 
freute sich die römisch-katholische Kirche teilweise 
der größten Freiheit, die ihr tatsächlich und prin- 
zipiell zugestanden wurde. So unter Theoderich 
d. Gr. (vgl. G. Pfeilschifter, Der Ostgotenkönig 
Theoderich d. Gr. und die katholische Kirche, 1896; 
ders., Theoderich d. Gr., 1910). 
Ein neues Staatskirchentum entstand durch die 
Verbindung des fränkischen Königtums mit der 
Kirche; es erreichte seinen Höhepunkt in der 
karolingischen Reichskirche. Die Könige 
übten eine viel weitere Macht in kirchlichen Dingen, 
als die Kaiser selbst in den letzten Zeiten des 
römischen Staatskirchentums. „Es begann eine 
völlige Vermengung weltlichen und geistlichen We- 
sens unter der formellen Vorherrschaft des ersteren 
(Reichstagsynode), aber weitgehendster sachlicher 
Berücksichtigung der letzteren“ (Stutz, Kirchen- 
recht, in Holtzendorff-Kohler, Enzyklopädie der 
Rechtswissenschaft II I/1904] 838; ebd. An- 
merkung 3 über den Unterschied des karolingischen 
vom byzantinischen Staatskirchentum; Kampers, 
Karl d. Gr. 11910] 93/107). Mit dem karo- 
lingischen Reich zerfiel auch die karolingische Reichs- 
kirche als solche; die kirchlichen Organe erlangten 
in manchen Punkten größere Selbständigkeit, aber 
der Hauptsache nach blieb man doch in der Praxis 
auf dem Boden der staatskirchlichen karolingischen 
Gesetzgebung, welche der Staatsgewalt weite Be- 
fugnisse einräumte. 
Von neuem wurde die staatskirchliche Organi- 
sation gefestigt durch Otto d. Gr. Das Wesen 
der „ottonischen Verfassungskirche“ 
charakterisiert sich nicht als Verhältnis der Staats- 
gewalt als solcher zur gesamten Kirche des Reichs, 
weshalb man in allerdings zu formalistischer Pres- 
sung schon bestreiten wollte, daß man dieses Ver- 
hältnis überhaupt als ein „staatskirchliches“ be- 
zeichnen dürfe (Werminghoff, Neuere Arbeiten 
über das Verhältnis von Staat und Kirche in 
Deutschland während des späteren Mittelalters, 
in Histor. Vierteljahrschrift XI ([1908) 153). 
Das Wesen der „ottonischen Verfassungskirche" 
liegt in der Verbindung des Königs mit den sog. 
„Reichskirchen“", die — den einflußreichsten und 
mächtigsten Teil der deutschen Kirche bildend — 
Staatskirchentum. 
  
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in die Organisation und Verfassung des Reichs 
verwoben waren und über die der König halb 
öffentlichrechtlich, halb privatrechtlich eine Herr- 
schaft in persönlicher (Stellenbesetzung) und in 
sachlicher Weise (Nutzbarmachung des Kirchenguts 
für die Zwecke des Reichs) ausübte (ogl. Werming- 
hoff a. a. O. 153; ders., Verfassungsgeschichte 
der deutschen Kirche im Mittelalter, in Meisters 
Grundriß der Geschichtswissenschaft II (19071 6, 
5* 23/24; desselben Mrfassers größeres Werk: 
Geschichte der Kirchenverfassung Deutschlands im 
Mittelalter 1 [1905|]; bis jetzt einziger Band). 
Dieses Verhältnis und die Art seiner Betäti- 
gung brachte die deutsche Kirche in immer größere 
Abhängigkeit von der Staatsgewalt. Es ist gewiß 
begreiflich, daß die Kirche den Kampfumihre 
Freiheit unternommen hat, um so mehr als 
überhaupt das Lehnswesen insbesondere unter 
dem Einfluß der germanisch-rechtlichen Auffassung 
vom „Eigenkirchentum“ den inneren Organismus 
der Kirche in seiner Selbständigkeit zu erdrücken 
und zu ersticken drohte. (Daß die germanischen 
Anschauungen vom „Eigenkirchentum“ die ganzen 
damaligen Rechtsverhältnisse der deutschen Kirche 
charakteristisch beeinflußten und durchdrangen, wird 
zurzeit mit U. Stutz, dem Begründer der Eigen- 
kirchentheorie, fast allgemein angenommen; einen 
kritischen Standpunkt gegenüber dem Maß dieses 
behaupteten Einflusses vertritt unter anderem E. 
Eichmann; vgl. „Köln. Volkszeitung“, Liter. Bei- 
lage 1908, Nr 16. — Gegen die Zurückführung 
des Eigenkirchentums auf germanisch-arianische 
Grundlagen durch H. v. Schubert wendet sich U. 
Stutz in der Kritischen Studie „Arianismus und 
Germanismus“, in Internationale Wochenschrift 
1909, Sp. 1561/82, 1615/22. 1633/48; 
hier auch zur ganzen Frage reichste Literatur= 
angaben.) Freilich die von Gregor VII. gegen 
das Staatskirchentum erhobenen Forderungen 
konnten bei dem großen Interesse des Königs an 
den Reichskirchen nicht durchdringen. Eine dok- 
trinär korrekte Scheidung von Geistlichen und 
Weltlichen sahen die späteren Abmachungen von 
Sutri (im Jahr 1111) vor; auf sie ließen sich 
aber ihrerseits die Bischöfe nicht ein, da sie auf 
ihr Reichsfürstentum nicht verzichten wollten. Der 
Ausgang des Kampfs brachte der Kirche doch 
eine größere und jedenfalls eine grundsätzliche 
Freiheit. Während der König die weltliche Herr- 
schaft über das Reichskirchengut und auch einen 
gewissen Einfluß auf die Besetzung der Bischofs- 
stühle behielt, erreichte die Kirche, daß die Be- 
etzung der Bischofsstühle als wesentlich inner- 
kirchliche Sache anerkannt und grundsätzlich wenig- 
stens innerkirchlichen Instanzen (kanonische 
Wahlh überlassen wurde. In dieser grundsätzlichen 
Anerkennung der kirchlichen Selbständigkeit liegt 
die prinzipielle Bedeutung des Wormser Konkor- 
dats (1122) gegenüber dem Staatskirchentum. 
(Über die beabsichtigte und tatsächliche Dauer der 
dem König pöäpstlicherseits zugestandenen Befug- 
 
	        
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