1611
In Frankreich wurden die Ministerien teils
durch Dekrete des Präsidenten der Republik, teils
durch besondere Gesetze eingerichtet. Im ersten Fall
hat die Kammer natürlich die Möglichkeit durch
Verweigerung der Kredite hierfür auch diese Er-
richtung der Ministerien unmöglich zu machen.
Die Organisation der „Exekutivdepartements“,
d. h. der Ministerien der Nordamerikanischen
Union, wurdejeweilsdurch Gesetze geschaffen. Man
unterscheidet auch „Fachminister“ und „politische
Minister“. Letztere sind diejenigen Minister, von
deren politischer Anschauung, Fähigkeit und per-
sönlichem Einfluß auf die übrigen Minister und
die größeren Parteien der Volksvertretung die je-
weilige ganze politische Richtung des Staats-
ministeriums bestimmt wird, wogegen die Fach-
minister im wesentlichen nur für eine gedeihliche
Verwaltung ihres Ressorts zu sorgen haben, daher
in der Regel aus den Beamten dieses Ressorts
hervorgegangen sind. Die Minister ohne Porte-
feuille sind politische Minister; von den Fach-
ministern sind es meistens die Minister des Innern
und des Außern, unter gegebenen Verhältnissen
auch die der Finanzen und des Kultus. Wenn
sämtliche Minister mit Rücksicht darauf, daß dem
Monarchen z. B. im Fall des Thronwechsels eine
Anderung der bisherigen politischen Richtung frei-
steht, ihre Entlassung geben und zum Zweck der
einstweiligen Fortsetzung der Staatsgeschäfte Män-
ner ohne bestimmt ausgeprägte politische Stellung
zu Ministern ernannt werden, so nennt man ein
so gebildetes Staatsministerium reines Fach-oder
Geschäftsministerium.
II. Geschichtliche Entwicklung. Das Alter-
tum kannte keine Staatsministerien, wie wir sie
haben. Sie sind ein Erzeugnis unserer abend-
ländischen, germanisch-romanischen Kultur, eine
Schöpfung vor allem des monarchischen Einheits-
staats. Eine vergleichende historische Betrachtung
zeigt deutlich, daß die modernen Staatsmini-
sterien der verschiedenen Reiche trotz der starken
Abweichungen im einzelnen wie in der Gesamt-
verfassung, im Grund doch Bildungen von über-
einstimmender Art sind. Die monarchische Re-
gierungsgewalt hat sie geschaffen, die parlamen-
tarische Verantwortlichkeit hat sie ausgebildet und
umgeformt. Das Wort Minister bedeutet ur-
sprünglich Diener, Knecht, also einen Unfreien,
der eine bestimmte Obliegenheit zu versehen hatte.
In den germanischen Volksrechten werden die-
jenigen Unfreien und bisweilen auch Freien,
welche am Königs= oder Herzogshof ein Haus-
amt (ein ministerium) bekleiden, ministeriales.
genannt. Aus den altgermanischen und vor allem
den fränkischen Hausämtern haben sich die mittel-
alterlichen Hofämter entwickelt. Da nun wäh-
rend des ganzen Mittelalters und einen großen
Abschnitt der Neuzeit hindurch die patrimoniale
Auffassung der landesherrlichen Gewalt vor-
herrschte, so war auch Staats= und Hofdienst
nicht geschieden, wenn auch die Hofämter als Hof-
Staatsministerium.
1512
und Staatswürden betrachtet wurden und die
Träger derselben nicht mehr den alltäglichen Hof-
dienst versahen. In Bezug auf die sachlichen
Aufgaben vollzog sich die Trennung von Staats-
und Hofddienst allmählich, aber die innere Ver-
schiedenheit derselben wurde erst spät anerkannt.
Solche Hofämter, die sich allmählich zu Staats-
ämtern entwickelten, waren das Amt des Kanzlers
und das des Pfalzgrafen, des Vorsitzenden des
Hofgerichts (vgl. hierzu d. Art. Hof und Hof-
staat Bd II, Sp. 1253 ff). Der Kanzler hatte alle
aus der königlichen Kanzlei ausgehenden Urkunden
zu unterschreiben unter Beifügung des königlichen
Siegels. Durch das Siegel wurde der Urkunde
allgemein Glaubwürdigkeit verschafft. Diese Unter-
schrift oder Gegenzeichnung des Kanzlers galt als
notwendig zur Gültigkeit und Vollziehbarkeit der
Urkunden, womit ausgedrückt ist, daß die An-
ordnungen derselben auch den Gesetzen entsprechen;
und so verband man mit der Gegenzeichnung auch
den Verantwortlichkeitsgedanken.
Im späteren Mittelalter war die Kanzlei des
deutschen Reichs nicht nur dem Erzkanzler, sondern
auch durch diesen dem Kaiser und den Reichs-
ständen für die Wahrung der reichsverfassungs-
mäßigen Vorschriften verantwortlich. Während
das Amt des Erzkanzlers zur bloßen Würde ge-
worden war, stieg das Amt des Vizekanzlers zu
immer größerer Bedeutung, so daß er bis zur
Errichtung der österreichischen Hofkanzlei (1620)
als der kaiserliche Kabinettsminister anzusehen ist.
Seit 1620 war er auf die Reichssachen beschränkt
und verlor dadurch mehr und mehr an Einfluß.
Schon im Mittelalter erwies es sich für den
Monarchen in den Staaten Europas als rätlich,
sich für seine Regierungshandlungen mit einem
Kreis vertrauter Ratgeber zu umgeben. So be-
gegnen wir schon früh da und dort solchen con-
siliariiregis, aber erst seit dem 14. Jahrh.
kennt man in Deutschland, Frankreich und Eng-
land einen festorganisierten Hofrat, der zum
Teil unserem Staatsministerium zum Teil dem
Staatsrat entspricht (vgl. hierzu d. Art. Staats-
rat). Im alten deutschen Reich war dieser
Hofrat eine ständige Regierungsbehörde mit ver-
eidigten Mitgliedern, die den König bei seinen Ent-
schließungen zu beraten, viele Angelegenheiten auch
in seinem Auftrag zu erledigen hatten. Kaiser
Maximilian I. gestaltete den „Hofrat“ oder das
„Hofregiment“ um zur obersten Justiz= und Re-
gierungsbehörde für das Reich und die kaiserlichen
Erblande. Und Ferdinand, der für Kaiser Karl V.
die Geschäfte in den Erblanden und zum größten
Teil auch im Reich führte, hat durch die Hofrats-
ordnungen von 1527, 1541 und 1550 den Hof-
rat reorganisiert und ihn entsprechend dem franzö-
sischen conseil und dem englischen continual
council Eduards I. mehr und mehr zu einer
eigentlichen Reichsbehörde umgestaltet. Die
Reichshofratsordnung von 1654 setzte die Zahl
seiner Mitglieder auf 18 fest, die teils dem Adel,