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ausgeschlagen hatte, nahm er eine solche für Inns-
bruck an. Aber schon im Jahr 1851 erhielt er
einen Ruf an die Universität Wien, dem er mit
Freuden folgte. Von der Akademie der Wissen-
schaften wurde er bald zum ordentlichen Mitglied
ernannt. Im Jahr 1862 wurde ihm zur Voll-
endung seines „Kirchenrechts“ ein fünfjähriger
Urlaub vom Ministerium bewilligt, doch nahm er
schon 1865 infolge einer Interpellation in der
Kammer seine Vorlesungen wieder auf. In diesem
Jahr starb auch seine ihm treu ergebene Gattin,
die bereits 1848 zu erblinden angefangen und
nach einigen Jahren das Augenlicht vollständig
verloren hatte. 1868 verheiratete sich Phillips
zum zweitenmal, und zwar mit seiner früheren
Wirtschafterin, was ihm viel böses Gerede und
bittern Hohn einbrachte. Am 6. Sept. 1872 riß
ihn der Tod mitten aus seinen Arbeiten. Phillips
starb als gläubiger Christ und treuer Sohn seiner
Kirche. Nach seinem Tod stellten ihm Freund
und Feind das Zeugnis aus, daß einer der
edelsten Charaktere und hervorragendsten Gelehrten
seiner Zeit verschieden sei. Phillips war ein ganzer
Mann. Mit Entschiedenheit der Uberzeugung und
Unbeugsamkeit des Willens verband er ein über-
aus einnehmendes, liebenswürdiges, feines, vor-
nehmes und doch treuherziges Wesen; er war vom
Scheitel bis zur Sohle ein Gentleman im besten
Sinn des Worts. Als Katholik nahm er regen
Anteil an allen Außerungen des kirchlichen Lebens;
seine wahrhaft rührende Glaubensinnigkeit wurde
selbst von seinen Gegnern geachtet. Als Lehrer
glänzte er durch formvollendeten Vortrag, den ein
sonores Organ unterstützte; „Schule“ hat er indes
nicht gemacht. Phillips' Hauptlebensaufgabe und
Hauptverdienst liegt auf dem literarischen Gebiet,
und zwar auf dem des germanischen und besonders
des Kirchenrechts sowie der Geschichte beider.
Abgesehen von seiner oben schon genannten
Schrift „Versuch einer Darstellung des angelsäch-
sischen Rechts“ (1825) und der dieser bald fol-
genden „Englische Reichs= und Rechtsgeschichte"
(2 Bde, 1827 f), die die Zeit von Wilhelm
dem Eroberer bis auf Heinrich II. (1066 bis
1189) umfaßt, sind der englischen Geschichte
noch gewidmet: „Walter Map, ein Beitrag zur
Geschichte Heinrichs von England und des Le-
bens an seinem Hof“ (Wiener Sitzungsber.
Bd X) und „Samson von Tottington, Abt
von St Edmund“ (ebd. Bd XL VIII). Von
der auf sechs Bände berechneten „Deutschen Ge-
schichte mit besonderer Rücksicht auf Religion,
Recht und Verfassung“ erschienen nur zwei Bände,
in welchen die merowingische Zeit im ersten, die
karolingische im zweiten Band zur Darstellung
gelangt. Die herrschende Idee des ganzen Werks
sollte sein, den Einfluß des Christentums auf die
Gestaltung der Verfassung des deutschen Reichs
zu zeigen, wie das Ideal des Christentums seine
konkrete Verwirklichung auf dem weltlichen Ge-
biet im Kaiser, auf dem kirchlichen im Papst
Phillips.
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gefunden habe. Was hier nur in einem Bruch-
stück enthalten ist, bietet als Ganzes sein Lehr-
buch: „Deutsche Reichs= und Rechtsgeschichte"
(1845, " 1856). In seinem Werk „Grund-
sätze des gemeinen deutschen Privatrechts mit
Einschluß des Lehnsrechts“ (1838, 1846) führt
er das deutsche Recht auf das Grundprinzip
der Wehrhaftigkeit zurück, aus dem er dann die
„drei Prinzipien des deutschen Rechts: Freiheit,
Gewehre, Vormundschaft“, folgert. Wenn sich
nach dem heutigen Stand der deutschen Rechts-
geschichte auch manches wissenschaftlich Veraltete:
in diesen Werken findet, so enthalten dieselben doch
so viel Vortreffliches, daß sie von bleibendem
Wert sind. Zu den genannten Arbeiten auf dem
Gebiet des deutschen Rechts gehören außerdem
noch: „Die Lehre von der ehelichen Gütergemein-
schaft" (1830) und „Die deutsche Königswahl
bis zur Goldenen Bulle“ (Wiener Sitzungsber.
Bd XXIV).
Obgleich sich Phillips durch die genannten
Werke einen Ehrenplatz unter den deutschen Rechts-
gelehrten erworben, so liegt doch sein Hauptver-
dienst in der Bearbeitung des Kirchenrechts. Wenn
juristische Schärfe, historische Genauigkeit und
theologische Tiefe den Kanonisten kennzeichnen,
dann war Phillips einer der größten. Alle seine
Werke auf diesem Gebiet werden eine dauernde
Bedeutung behalten. Um zunächst seine kleineren
Abhandlungen zu vermerken, so sind diese: „Über
den Ursprung der Katzenmusiken, eine kanonistisch-
mythologische Abhandlung“ (1849); „Der Co-
dex Salisburgensis S. Petri IX, 32, ein Bei-
trag zur Geschichte der vorgratianischen Rechts-
quellen“ (Wiener Sitzungsber. Bd XIIV, 1864);
„Die große Synode von Tribur“ (ebd. Bd XLIX,
1865); „Die Diözesansynode“ (1849), deren Wert
speziell in der geschichtlichen Entwicklung dieseskirch-
lichen Instituts liegt. Im Anschluß hieran möge
gleich das „Lehrbuch des Kirchenrechts“ (1859 bis
1862, 2 Abt. 2 1871 in einem Band) genannt
werden, das sich besonders durch Klarheit, Übersicht-
lichkeit und knappe Darstellung auszeichnet und sich
deshalb zum Studium des Kirchenrechts besonders
eignet. Doch alle diese Arbeiten treten in den
Hintergrund gegenüber dem wahrhaft monumen-
talen Werk des großen „Kirchenrechts“,
dessen Bearbeitung die Haupttätigkeit der letzten
30 Jahre in Phillips' Leben bildete. Das-
selbe erschien in sieben Bänden (184 5/72), ist
aber leider unvollständig geblieben. Was indes
vorliegt, ist wie aus einem Guß und von
entscheidender historischer wie prinzipieller Be-
deutung. Dem ganzen System des großartigen
Werks liegt die Anschauung zugrunde: „Christus
ist das Haupt der Kirche. Seine Persönlichkeit
ist es daher, die, wie sie das Leben der Kirche
bildet, so auch in betreff des Kirchenrechts als
der Mittelpunkt angesehen werden muß um
welches sich alles einzelne schart.“ Hier kommt
aber Christus in Betracht als ein König, dessen