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Ministerien der Einzelstaaten, gilt aber für das
ganze Reich.
Bezüglich der Juristen, von denen übrigens
unten noch besonders gehandelt werden muß, lassen
sich in einzelnen Staaten (Osterreich, Italien,
Süddeutschland) Fachprüfung und Dienst-
prüfung unterscheiden. Erstere begleitet oder
beendet das Fachstudium, letztere setzt erfolgreiche
Ableistung des erforderlichen Vorbereitungs= und
Probedienstes voraus. Die Fachprüfungen stellen
die theoretische, die Dienstprüfungen die praktische
Berufsfähigkeit fest. Die gesetzlichen Organe sind
bei ersteren entweder die Lehrkörper der Fach-
bildungsanstalten oder eigne staatliche Prüfungs-
kommissionen, deren Mitglieder die Regierung
bald in höherem bald in geringerem Maß jenen
entnimmt. Für die Dienstprüfung bestehen die
Organe nur aus staatlichen Prüfungskommissionen.
In einigen Staaten, z. B. Preußen, ist bei der
Hauptprüfung der Nachweis zugleich der theo-
retischen wie der praktischen Befähigung zu er-
bringen, dann vereinigt sie das Charakteristische
der Fachprüfung und der Dienstprüfung. Für
einige Arten Staatsbeamter gibt es besondere Prü-
fungen, z. B. Diplomatenprüfungen, Konsulats-
prüfungen, ferner Prüfungen für die Polizeiver-
waltung, für das Patentamt. Prüfungen für die
Angestellten der Reichsbank, für Feldmesser, für
technische Amter bei den Bergbehörden, Forstwesen,
in das Bauwesen einschlagende Prüfungen usw.
Für Stellen im höheren Eisenbahndienst muß die
wissenschaftliche Vorbildung durch Ablegung von
Prüfungen erwiesen sein; teils sind dies dieselben
Prüfungen, welche für andere staatliche Verwal-
tungen oder allgemein für den Bereich der Staats-
verwaltung eingerichtet sind, teils wird eine be-
sondere Ausbildung für das Staatseisenbahnamt
und die Ablegung besonderer für dieses eingerich-
teter Prüfungen verlangt (Württemberg). Es
gibt Schifferprüfungen für große und kleine Fahrt,
Maschinistenprüfungen, Steuermannsprüfungen.
Auch das Militärbildungswesen hat seine Prü-
sungen, u. a. für die Intendantur, speziell die Ma-
rineintendantur. Bezüglich der Ausbildung der
Juristen einerseits für den Dienst der inneren
Verwaltung, anderseits für die Justiz ergeben sich
zwei Möglichkeiten, entweder für beide Zweige eine
gemeinsame oder eine getrennte Ausbildung. Mit
Recht hat man in Deutschland eine für beide Be-
rufe im großen und ganzen gemeinsame Ausbildung
(sog. Qualifikation zum Richteramt) vorgeschrieben,
indem man von der richtigen Erwägung ausging,
daß der Verwaltungsbeamte juristischer Bildung
und Schulung nicht entbehren kann, wie umgekehrt
für den Juristen im engeren Sinn theoretische und
praktische Kenntnisse im Verwaltungsdienst wie
auch Kenntnis der Volkswirtschaftslehre und der
Finanzwissenschaften unerläßlich sind.
Sehen wir von dem Fall der für die Erlangung
akademischer Würden vorgeschriebenen Prüfungen
ab, die durchweg vor den Fachlehrern abzulegen
Staatsprüfungen.
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sind, so herrscht über die Zusammensetzung der
Prüfungskommissionen insofern Verschie-
denheit, als bald Praktikern bald Fachlehrern
bald einer Mischung der Vorzug gegeben wird.
Je mehr es sich um die Univerfitätsstudien ab-
schließende Prüfungen handelt, um so mehr ruht
die Prüfung in den Händen der Theoretiker; je
mehr der Einrichtung der Staatsprüfung eine
Probezeit vorhergeht, um so mehr behaupten die
Praktiker das Feld. In Bezug auf die Eignung,
ein Gebiet zu beherrschen, ist der spstematisch ge-
schulte Theoretiker dem Praktiker überlegen, da die
unvermeidliche Einseitigkeit der Praxis die Fest-
haltung des systematischen Wissens nicht wenig
erschwert. Dem Fachlehrer ist das ganze Gebiet
hinreichend bekannt, um nötigenfalls auf andere
Materien als die zuerst begonnenen übergehen zu
können. Es ist begreiflich, daß es den Universi=
tätslehrern, die nur bei den sog. Praktika oder in
den doch nur einer beschränkten Zahl von Zu-
hörern zugänglichen Seminarübungen regelmäßig
Gelegenheit zu Prüfungen finden, sehr erwünscht
ist, sich gelegentlich zu orientieren, in welchem
Maße der Vortrag von den Hörern verstanden
wurde. Das Prüfungsrecht hebt die Bedeutung
der Professoren. Anderseits räumt es der Schule
eine bedeutende Herrschaft ein und wirkt einem
Zutrieb ähnlich; es erschwert, die Verdienste und
den wirklichen Beifall der verschiedenen Universi-
tätslehrer kennen zu lernen. Daß bei Staaten mit
einerseits Studien-, anderseits Dienstprüfungen
für letztere nur Praktiker in Betracht kommen,
liegt in der Natur der Sache.
In Deutschland ist sowohl für die Gerichts-
laufbahn als für die übrigen hohen Verwaltungs-
ämter eine Berufsbildung regelmäßig durch zwei
Prüfungen (eine Universitäts= und eine spätere
Prüfung) nochzuweisen. Die Gleichartigkeit der
Ausbildung geht in einzelnen Staaten oft so weit,
daß auch die zweite Prüfung für beide Gruppen
von Beamten (und die Rechtsanwälte)h dieselbe ist,
so in Bayern, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen
und den meisten Kleinstaaten. In den übrigen ist
die Berufsbildung für „Übernahme höherer Ver-
waltungsämter“ von der „Qualifikation für das
höhere Richteramt“ nur zum Teil abweichend.
Sie verlangen nämlich von den Verwaltungs-
beamten dieselbe erste juristische Prüfung und nach
Vollendung des Vorbereitungsdienstes das Be-
stehen einer besondern Verwaltungsprüfung; so
Preußen seit 1879, Sachsen-Coburg und Gotha
seit 1860. Auch im Königreich Sachsen bestehen
seit 1863 die erste juristische und zwei Verwal-
tungsprüfungen. Verschiedene Prüfungssysteme
für Richter (Anwälte) und Verwaltungsbeamte
existieren in Württemberg und Sachsen-Meiningen.
Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz § 2 haben
alle Richter (mit Ausschluß der Handelsrichter,
Schöffen und Geschworenen), alle Rechtsanwälte,
Staatsanwälte, Notare die Fähigkeit zum Richter-
amt nachzuweisen durch mindestens dreijähriges