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Reich die Kirche ist; er ist der Lehrer, die Kirche
seine Lehranstalt; er ist der Hohepriester, die Kirche
sein Tempel. Während im ersten Teil, Buch 1,
die allgemeinen Grundsätze aufgestellt werden und
zur Darstellung kommen: Christus und sein Reich;
Petrus, Christi Stellvertreter; die Apostel; die
Sukzession; Eigenschaften und Kennzeichen des
Reichs Christi, Verfassung des Reichs Christi
auf Erden, endlich das Priestertum, d. i. die
Ordination und die Eigenschaften für Zulassung
zu dieser und die Wirkungen derselben, werden in
in Buch 2 die Quellen des Kirchenrechts abgehan-
delt. Der zweite Teil soll sodann Christi König-
tum, Lehramt, hohes Priestertum umfassen. Dieser
zweite Teil beginnt erst mit dem fünften Band;
der siebte schließt das Königtum noch nicht ab.
Dieser Teil über das Königtum umfaßt: 1. Ab-
schn. Die Herrscherordnung: Kap. 1. Der Papst
und sein Primat (lbersicht, einzelne Rechte, Be-
setzung des Apostolischen Stuhles, Gehilfen des
Papstes: Kurie, Metropoliten usw.); Kap. 2. Die
Episkopalgewalt (Seminarien, Visitation, Diö-
zesansynode, Benefizialwesen, Exemtionen usw.).
Trotz der Unvollständigkeit des Werks haben die
Anschauungen desselben einen unberechenbaren
Einfluß auf das kirchliche Leben, namentlich in
Deutschland, ausgeübt. Selbst den an sich trocken-
sten juristischen Materien weiß Phillips Leben
und Geist einzuhauchen. Aus jedem Sat spricht
der überzeugungstreue, theologisch geschulte Katho-
lik, der gründliche Jurist und der gewiegte Histo-
riker. Solang es eine kirchliche Rechtswissenschaft
gibt, wird Phillips „Kirchenrecht“ unter der
Literatur derselben einen hervorragenden Rang
einnehmen. Schließlich ist noch zu erwähnen,
daß Phillips auf Antrieb Josephs v. Görres
im Jahr 1848 infolge des Kölner Ereignisses,
der Wegführung des Erzbischofs Klemens August
v. Droste auf die Festung Minden, mit Guido
Görres die „Historisch-politischen Blätter“ grün-
dete, welche die bedeutendste und einflußreichste
politische Revue des katholischen Deutschlands
werden sollte. Die Artikel, die aus der Feder
Phillips rühren, sind meist historischer oder kano-
nistischer, weniger politischer Natur; dieselben
sind gesammelt in zwei Bänden als „Vermischte
Schriften“. Überhaupt war Phillips nicht so sehr
Politiker und hat als solcher weniger eine öffent-
liche Rolle gespielt, vielmehr fand er in der rein
wissenschaftlichen Tätigkeit seinen eigentlichsten
Lebensberuf. Davon zeugen die neun Abhand-
lungen, die er noch in seinem Alter in den Sitzungs-
berichten der Wiener Akademie (Bd LXIV bis
XXI) über die Iberer, ihre Einwanderung in
die Pyrenäische Halbinsel und ihre Sprache, über
baskische Sprache und die Wohnsitze der Kelten
veröffentlichte.
Fassen wir noch einmal das Urteil über Phillips
zusammen, so müssen Freund und Feind aner-
kennen: Phillips war ein gläubiger Katholik, ein
biederer Charakter, ein tiefer Gelehrter und ein
Physiokraten.
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fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gebiet des
deutschen und kirchlichen Rechts. Prof. v. Schulte
stellt ihm das Zeugnis aus: „Mag man die prin-
zipiellen Anschauungen von Phillips teilen oder
nicht, das muß ihm jeder lassen: es war seine
Überzeugung, welcher er folgte; er wollte der
Kirche dienen und hat der Kirche nach seiner An-
schauung große Dienste geltistet; die Wissenschaft
war nach der Kirche sein Liebstes, in ihren An-
nalen ist ihm ein Ehrenplatz gewidmet“ (Allgem.
deutsche Biographie XXVI 88).
Literatur. Rosenthal, Konvertitenbilder 12
478 ff; Siegel im Almanach der Kaiserl. Akademie
der Wissenschaften (Wien 1873) 192 ff; Hülskamp
im Lit. Handweiser (1872) 399f; v. Wurzbach, Lex.
XXII 211ff; v. Schulte, Geschichte der Quellen u.
Lit. des kanon. Rechts III 375 f; ders., Allgem.
deutsche Biographie XXVI 80 ff. [Heiner.)
Physiokraten. I. Begriff. Das in Frank-
reich entstandene physiokratische System stellt sich
als Reaktion gegen Polizeistaat und Merkantil-
politik dar. Der Staat hatte es als seine Aufgabe
betrachtet, das wirtschaftliche Leben nach allen
Richtungen zu beeinflussen und großzuziehen und
besonders die inländische Industrie durch Polizei-
vorschriften, Reglements und andere künstliche
Mittel zu heben. So notwendig und segensreich
anfänglich dieser Schutz sein mochte, mit der Zeit
mußte er, sobald nämlich der Zweck erreicht und
das Wirtschaftsleben erstarkt war, ins Gegenteil
sich verkehren und als beengende Bevormundung
und als Hemmnis der Entwicklung empfunden
werden. Anderseits folgte der einseitigen Be-
günstigung und der Überschätzung von Handel und
Industrie ein Niedergang und Notstand der miß-
achteten Landwirtschaft.
Die Wahrnehmung der schlimmen Lage, worin
sich der Bauernstand befand, veranlaßte Männer,
wie Boisguillebert gegen Ende des 17. Jahrh.)
und Vauban (Projet d’un dime royal, 1707),
die als Vorläufer des Physiokratismus gelten
können, ihre Stimme zugunsten des gedrückten
Bauern zu erheben. Ersterer weist darauf hin,
daß es gerade der produktivste Stand sei, der in
elenden Verhältnissen sich befinde. Und Marschall
Vauban machte, von denselben Erwägungen aus-
gehend, den Vorschlag, vor allem die Hauptursache
jener Notlage, die indirekten Steuern aus der
Welt zu schaffen und an ihrer Stelle eine einzige
Steuer, einen von den landwirtschaftlichen Pro-
dukten und von dem Ertrag des Handels und der
Industrie erhobenen Zehnten einzuführen.
Bahnbrechend unter den Physiokraten selbst
waren:
1. Frangois Quesnay (1694/1774), Leibarzt
Ludwigs XV. Seine berühmt gewordene Schrift
Tableau 6conomique (1758) bedeutet den Höhe-
punkt der physiokratischen Lehrentwicklung.
2. Turgot, Finanzminister Ludwigs XVI.
Seine Réflexions sur la formation et la distri-
bution des richesses erschienen im Jahr 1766.