Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

3 Patentrecht. . 4 
der Person des Erfinders ohne dessen Einwilligung, 
so wenig wie das Urheberrecht in der Person des 
Urhebers, Gegenstand der Zwangsvollstreckung 
sein kann. Zu einem solchen vollkommenen Ver- 
mögensrecht entfaltet sich das Erfinderrecht erst, 
wenn es zum Patentrecht wird. Das Erfinderrecht 
gewährt den Anspruch auf Erteilung des Patent- 
rechts nach Maßgabe der Patentgesetzgebung. Die 
Patentgesetzgebung ist der Inbegriff der Normen 
über die Voraussetzungen, unter denen, und das 
Verfahren, in welchem für eine Erfindung eine 
Patentberechtigung (Patentrecht im subjektiven 
Sinny) erteilt wird, bestehen kann und beendigt 
wird (formelles Patentrecht), sowie über den In- 
halt, Umfang und Schutz des Rechts (materielles 
Patentrecht). Der Anspruch auf Erteilung des 
Patentrechts ist öffentlich-rechtlicher Natur, der 
nicht im ordentlichen Rechtsweg durchgesetzt werden 
kann; das berechtigt aber nicht, dem erteilten 
Patentrecht die Eigenschaft eines privaten Rechts 
zu bestreiten. 
3. Den Rechtsordnungen des Altertums und 
des Mittelalters war ein besonderer Schutz des 
Erfinderrechts unbekannt. Im früheren Mittelalter 
mag das ausgebildete Zunftwesen mit seinen aus- 
schließlichen Gewerbeberechtigungen das Bedürfnis 
nach einem solchen nicht haben hervortreten lassen, 
auch ausreichende Deckung gegen etwaigen schädi- 
genden Mißbrauch einer Erfindung durch unbe- 
sugte Dritte geboten haben. In späterer Zeit jedoch, 
namentlich seit dem 15. und 16. Jahrh., wurden 
vielfach den Erfindern Privilegien erteilt, durch 
welche ihnen ein zeitlich begrenztes Recht auf aus- 
schließliche Verwertung ihrer Erfindung verliehen 
wurde. Diese Privilegien unterscheiden sich aber 
in nichts von andern Gewerbeprivilegien, den 
Zwangs= und Bannrechten, die für allgemeine 
Verdienste um eine Industrie, etwa durch deren 
Neueinführung u. dgl., gegeben wurden. Vor 
allem war ihre Erteilung ein Gnadenakt, auf 
den der Erfinder keinen Anspruch hatte, der wohl 
aus Billigkeitsrücksichten zugestanden wurde, mit 
dem aber auch wie mit den übrigen Privilegien 
und Monopolen zu finanziellen und andern Zwecken 
Mißbrauch getrieben werden konnte und auch ge- 
trieben wurde. Besonders galt in England von 
alters her die Gewährung von Monopolen nach 
gemeinem Recht als ein Recht der Krone. Die 
Gewährung geschah in der Form von „offenen“, 
mit dem großen Siegel versehenen Urkunden, 
literae „patentes“, woher der Name „Patent"“ 
stammt. Da sie an Gegenleistungen geknüpft 
werden konnte, so wurde sie zu einer reichlich 
fließenden, der Kontrolle des Parlaments sich ent- 
ziehenden Geldquelle, namentlich unter Elisabeth 
(1558/1603). Hier führte denn auch die Reaktion 
gegen einen solchen Mißbrauch zuerst zu einer 
Reglung durch allgemeine Rechtsnorm, indem eine 
Parlamentsakte von 1623 (unter Jakob I., 
1603/25) als Satz des gemeinen Rechts aus- 
sprach, daß die Erteilung von Monopolen zum 
  
Betrieb bekannter Gewerbe in Zukunft verboten 
sei. Nur für neue Erfindungen sollten Monopole 
an den ersten und wahren Erfinder verliehen 
werden können. Einen festen Anspruch auf Ver- 
leihung des Privilegs erhielt der Erfinder damit 
allerdings immer noch nicht; die Praxis indessen 
bildete immer mehr den Grundsatz aus, daß ein 
Erfindungsprivileg, Patent, nur aus gerechter 
Ursache versagt werden dürfe. Die Vereinigten 
Staaten von Amerika nahmen das englische Recht 
auf und sicherten verfassungsmäßig den Erfindern 
ein zeitlich begrenztes Recht auf ausschließliche Be- 
nutzung ihrer Erfindung zu; aber erst das franzö- 
sische Gesetz vom 7. Jan. 1791 mit Ausführungs- 
gesetz vom 25. Mai desselben Jahres bringt den 
Grundgedanken des modernen Erfinderrechts voll- 
ständig zur Geltung, indem jede Erfindung, deren 
ausschließliches Nutzungsrecht zu den allgemeinen 
Menschenrechten zählt, für das Eigentum des Er- 
finders erklärt und damit der willkürlichen Be- 
handlung entzogen wurde. Diesen Grundsatz 
bringen dann in der Folgezeit nahezu sämtliche 
kontinentale Staaten in Patentgesetzen zur Aus- 
führung, die allerdings im übrigen in wesentlichen 
Punkten voneinander abweichen. 
Die Zweckmäßigkeit und selbst die Berechtigung 
des Patentschutzes ist indessen nicht unangefochten 
geblieben. Im Gegenteil entwickelte sich eine sehr 
lebhafte Antipatentbewegung, die in den 60er 
Jahren des vorigen Jahrhunderts in England, 
Frankreich und Deutschland ihren Höhepunkt er- 
reichte. In dem letzteren Land sprach sich nament- 
lich der Kongreß deutscher Volkswirte wie auch 
der größere Teil der preußischen Handelskammern 
gegen den gesetzlichen Patentschutz als ein nicht zu 
rechtfertigendes und den gewerblichen Fortschritt 
hemmendes Monopol aus. Auch in den Verhand- 
lungen des deutschen Reichstags fehlte es noch im 
Anfang der 1870er Jahre nicht an gewichtigen 
Stimmen, die ein positives Patentgesetz energisch 
bekämpften. Namentlich herrschte auch in den 
oberen Regierungskreisen des größten deutschen 
Staates, Preußen, längere Zeit eine der Beibe- 
haltung des Patentschutzes feindliche Strömung. 
Ein Umschwung trat in den 1870er Jahren ein. 
In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde 
im Jahr 1870 der Patentschutz durch ein neues 
Gesetz geregelt und in weitestem Umfang aner- 
kannt. Und in Großbritannien hatte eine sehr 
umfassende Enquete über die einschlagenden Fragen 
ein dem Patentschutz günstiges Ergebnis, und die 
dortige Regierung legte zur Verbesserung des be- 
stehenden Rechts die Hand an. Die dem Patent- 
schutz günstige Meinung gewann endlich sehr an 
Bedeutung, als auf Veranlassung der Regierung 
Osterreichs bei Gelegenheit der Wiener Weltaus- 
stellung 1873 ein internationaler Kongreß zur 
Erörterung der Frage des Patentschutzes zusammen- 
trat, welcher über die Fortbildung des Patentrechts 
im Sinn einer Ausgleichung der nationalen Rechts- 
bestimmungen beriet und eine Resolution faßte.
	        
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