157
Einsichtnahme in das, was von diesen geschieht,
und zur Forderung der Vorlage aller Akten. Das
Plazet läßt sich in dieser Weise nur dann be-
gründen, wenn man einen beständigen Kriegs-
zustand zwischen der Kirche und dem Staat vor-
aussetzt. Da aber zu einem Kampf nur dann
Berechtigung vorliegt, wenn wahre und wirkliche
Rechte angegriffen werden, so setzt das so begrün-
dete Plazetrecht einen Angriff der Kirche auf
wahre und wirkliche Rechte des Staats voraus.
Auch die von den katholischen Mächten in früheren
Jahrhunderten angegebene Begründung mit einer
althergebrachten Gewohnheit und einem
aus ihr resultierenden Recht war und ist hinfällig.
Hinreichender Beweis dessen ist die Tatsache, daß
die Päpste, wenngleich sie zu manchen Beeintrach-
tigungen ihres freien Verkehrs mit den Bischöfen
schwiegen, da sie es für besser hielten, manches
geschehen zu lassen, um sich in wichtigeren An-
gelegenheiten nicht noch größere Schwierigkeiten
zu bereiten, doch immer wieder gegen das könig-
liche Plazet protestierten und es grundsätzlich ver-
warfen. Aus den vielen päpstlichen Enunziationen
konnten und mußten die Fürsten entnehmen, daß
das Schweigen der Kirche in Einzelfällen nicht
im mindesten die Bedeutung einer Zustimmung,
sondern lediglich die einer vorübergehenden To-
lerierung habe. Ja Innozenz X. erklärte in der
Konstitution In eminenti vom 11. Nov. 1651,
eine solche Begründung erfülle ihn mit Schaudern.
Hoc quidem audiri sine animi horrore non
potest. Etenim numquam plane cognitum
est ab ullo, vel Summo pontifice vel concilio
Privilegium tale apostolicae potestatis de-
structivum prodiisse; neque aliquis hic au-
deat principis temporalis privilegium alle-
gare, duoniam id esset auctoritatem ligandi
et solvendi animas a Christo Domino soli
eius vicario et nemini praeterea concessam
sibi temere arrogare. Darin liegt nicht un-
deutlich ausgesprochen, daß die Erteilung des
Plazetrechts an eine Regierung zu den unmöglichen
Dingen gehört, weil sie die von Gott mitgeteilte
Gewalt des Papstes über die Gläubigen vernichten
würde. Darum kann denn auch keine noch so
lange geübte Gewohnheit, das Plazet zu erteilen,
irgend welches Recht zur Folge haben.
Ferner ist die Begründung des Plazet, in-
sofern es päpstlichen Erlassen gegenüber verlangt
wird, mit dem vermeintlichen Charakter des Papstes
als eines auswärtigen Souveräns unhaltbar.
Diese Begründung beruht auf den merkwürdigen
Anschauungen, als ob das kirchliche und das staat-
liche Rechtsgebiet nicht voneinander grundver-
schieden wären. Auswärtig ist doch nur eine Macht
bezüglich einer andern derselben Ordnung; als
auswärtig kann aber nicht jener gelten, der über
die Unterkanen eines Territoriums irgend welche
Macht besitzt, welche der landesherrlichen Terri-
torialhoheit entzogen ist. Es hört doch auch die
väterliche Gewalt über die Kinder dadurch nicht
Placetum regium.
158
auf, daß der Vater zufällig oder dauernd im
Ausland sich aufhält. Mit vollem Recht weist
Klemens XI. diese Begründung des landesherr-
lichen Plazet in der Konstitution Accepimus
nuper vom 11. Jan. 1715 mit der Bemerkung
zurück, daß das Jurisdiktionsgebiet oder das
Territorium der päpstlichen Gewalt gerade so
weit sich ausdehne, als der Erdkreis reicht. Auch
kann man sich zugunsten des landesherrlichen
Plazet in keiner Weise auf die den Bischöfen
in gewissen Fällen zustehende Vollmacht, die
päpstlichen Schreiben zu prüfen, und das Verbot
der Veröffentlichung oder der Exekution solcher
Schreiben, bevor sie dem Diözesanobern vorgelegt
sind, berufen. Denn vor allem rührt diese Voll-
macht der Bischöfe von den Päpsten selbst her;
das landesherrliche Plazet aber läßt sich nicht als
Zugeständnis irgend eines Papstes erweisen.
Dann hat jene Begutachtung der Bischöfe nur
den Zweck, die Echtheit der päpstlichen Schreiben
zu konstatieren; steht diese Echtheit fest, dann hört
alle weitere Vollmacht der Bischöfe auf; sie dürfen
sich der Veröffentlichung und dem Gebrauch der
päpstlichen Erlasse nicht widersetzen. Ihre Be-
gutachtung trägt nur den Charakter einer Sicher-
heitsmaßregel gegen die Einführung falscher oder
gefälschter Aktenstücke des Heiligen Stuhles; sie
beruht darum auch in keiner Weise auf irgend
einer Vollmacht der Bischöfe über die Anord-
nungen des Apostolischen Stuhles. Das landes-
herrliche Plazet aber, wie immer es begründet
werden mag, unterstellt die kirchlichen Erlasse der
Vollmacht der weltlichen Gewalt.
Endlich ist das Plazetrecht nicht in der
Landeshoheit der Regierungen und Fürsten
begründet. Die Kirche ist vielmehr nach gött-
lichem Recht innerhalb ihres Kompetenzkreises
vollkommen frei und unabhängig von jeder Staats-
gewalt. Diese Unabhängigkeit ist nicht nur von
der Kirche zu jeder Zeit verkündet, so daß dem
Katholiken darüber gar kein Zweifel sein kann,
sie ist auch in der Natur und dem Zweck der
beiden Gewalten ganz augenscheinlich begründet.
Aus dieser Unabhängigkeit geht dann auch hervor,
daß das Plazet selbst in seiner mildesten Form
der innern Berechtigung entbehrt. Als diese
mildeste Form kann wohl die Vorschrift der ein-
—sachen offiziellen Mitteilung, welche die kirchlichen
Behörden an die Regierungen von der Verkün-
digung ihrer Erlasse oder gleichzeitig mit derselben
erstatten sollen, gelten. Eine Vorschrift kann
lediglich der Vorgesetzte seinem Untergebenen er-
teilen. Auch diese staatliche Forderung oder Vor-
schrift geht also notwendig aus der Anschauung
einer Suprematie des Staats über die Kirche
hervor. Darum hat, wie der Syllabus (Nr 28
und 41), so auch das Vatikanische Konzil die
Verwerflichkeit des landesherrlichen Plazetrechts
feierlich ausgesprochen, es stellt der Forderung des
Staats, Einfluß zu nehmen auf den Verkehr des
Papstes mit den Bischöfen und Gläubigen und