Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Einsichtnahme in das, was von diesen geschieht, 
und zur Forderung der Vorlage aller Akten. Das 
Plazet läßt sich in dieser Weise nur dann be- 
gründen, wenn man einen beständigen Kriegs- 
zustand zwischen der Kirche und dem Staat vor- 
aussetzt. Da aber zu einem Kampf nur dann 
Berechtigung vorliegt, wenn wahre und wirkliche 
Rechte angegriffen werden, so setzt das so begrün- 
dete Plazetrecht einen Angriff der Kirche auf 
wahre und wirkliche Rechte des Staats voraus. 
Auch die von den katholischen Mächten in früheren 
Jahrhunderten angegebene Begründung mit einer 
althergebrachten Gewohnheit und einem 
aus ihr resultierenden Recht war und ist hinfällig. 
Hinreichender Beweis dessen ist die Tatsache, daß 
die Päpste, wenngleich sie zu manchen Beeintrach- 
tigungen ihres freien Verkehrs mit den Bischöfen 
schwiegen, da sie es für besser hielten, manches 
geschehen zu lassen, um sich in wichtigeren An- 
gelegenheiten nicht noch größere Schwierigkeiten 
zu bereiten, doch immer wieder gegen das könig- 
liche Plazet protestierten und es grundsätzlich ver- 
warfen. Aus den vielen päpstlichen Enunziationen 
konnten und mußten die Fürsten entnehmen, daß 
das Schweigen der Kirche in Einzelfällen nicht 
im mindesten die Bedeutung einer Zustimmung, 
sondern lediglich die einer vorübergehenden To- 
lerierung habe. Ja Innozenz X. erklärte in der 
Konstitution In eminenti vom 11. Nov. 1651, 
eine solche Begründung erfülle ihn mit Schaudern. 
Hoc quidem audiri sine animi horrore non 
potest. Etenim numquam plane cognitum 
est ab ullo, vel Summo pontifice vel concilio 
Privilegium tale apostolicae potestatis de- 
structivum prodiisse; neque aliquis hic au- 
deat principis temporalis privilegium alle- 
gare, duoniam id esset auctoritatem ligandi 
et solvendi animas a Christo Domino soli 
eius vicario et nemini praeterea concessam 
sibi temere arrogare. Darin liegt nicht un- 
deutlich ausgesprochen, daß die Erteilung des 
Plazetrechts an eine Regierung zu den unmöglichen 
Dingen gehört, weil sie die von Gott mitgeteilte 
Gewalt des Papstes über die Gläubigen vernichten 
würde. Darum kann denn auch keine noch so 
lange geübte Gewohnheit, das Plazet zu erteilen, 
irgend welches Recht zur Folge haben. 
Ferner ist die Begründung des Plazet, in- 
sofern es päpstlichen Erlassen gegenüber verlangt 
wird, mit dem vermeintlichen Charakter des Papstes 
als eines auswärtigen Souveräns unhaltbar. 
Diese Begründung beruht auf den merkwürdigen 
Anschauungen, als ob das kirchliche und das staat- 
liche Rechtsgebiet nicht voneinander grundver- 
schieden wären. Auswärtig ist doch nur eine Macht 
bezüglich einer andern derselben Ordnung; als 
auswärtig kann aber nicht jener gelten, der über 
die Unterkanen eines Territoriums irgend welche 
Macht besitzt, welche der landesherrlichen Terri- 
torialhoheit entzogen ist. Es hört doch auch die 
väterliche Gewalt über die Kinder dadurch nicht 
Placetum regium. 
  
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auf, daß der Vater zufällig oder dauernd im 
Ausland sich aufhält. Mit vollem Recht weist 
Klemens XI. diese Begründung des landesherr- 
lichen Plazet in der Konstitution Accepimus 
nuper vom 11. Jan. 1715 mit der Bemerkung 
zurück, daß das Jurisdiktionsgebiet oder das 
Territorium der päpstlichen Gewalt gerade so 
weit sich ausdehne, als der Erdkreis reicht. Auch 
kann man sich zugunsten des landesherrlichen 
Plazet in keiner Weise auf die den Bischöfen 
in gewissen Fällen zustehende Vollmacht, die 
päpstlichen Schreiben zu prüfen, und das Verbot 
der Veröffentlichung oder der Exekution solcher 
Schreiben, bevor sie dem Diözesanobern vorgelegt 
sind, berufen. Denn vor allem rührt diese Voll- 
macht der Bischöfe von den Päpsten selbst her; 
das landesherrliche Plazet aber läßt sich nicht als 
Zugeständnis irgend eines Papstes erweisen. 
Dann hat jene Begutachtung der Bischöfe nur 
den Zweck, die Echtheit der päpstlichen Schreiben 
zu konstatieren; steht diese Echtheit fest, dann hört 
alle weitere Vollmacht der Bischöfe auf; sie dürfen 
sich der Veröffentlichung und dem Gebrauch der 
päpstlichen Erlasse nicht widersetzen. Ihre Be- 
gutachtung trägt nur den Charakter einer Sicher- 
heitsmaßregel gegen die Einführung falscher oder 
gefälschter Aktenstücke des Heiligen Stuhles; sie 
beruht darum auch in keiner Weise auf irgend 
einer Vollmacht der Bischöfe über die Anord- 
nungen des Apostolischen Stuhles. Das landes- 
herrliche Plazet aber, wie immer es begründet 
werden mag, unterstellt die kirchlichen Erlasse der 
Vollmacht der weltlichen Gewalt. 
Endlich ist das Plazetrecht nicht in der 
Landeshoheit der Regierungen und Fürsten 
begründet. Die Kirche ist vielmehr nach gött- 
lichem Recht innerhalb ihres Kompetenzkreises 
vollkommen frei und unabhängig von jeder Staats- 
gewalt. Diese Unabhängigkeit ist nicht nur von 
der Kirche zu jeder Zeit verkündet, so daß dem 
Katholiken darüber gar kein Zweifel sein kann, 
sie ist auch in der Natur und dem Zweck der 
beiden Gewalten ganz augenscheinlich begründet. 
Aus dieser Unabhängigkeit geht dann auch hervor, 
daß das Plazet selbst in seiner mildesten Form 
der innern Berechtigung entbehrt. Als diese 
mildeste Form kann wohl die Vorschrift der ein- 
—sachen offiziellen Mitteilung, welche die kirchlichen 
Behörden an die Regierungen von der Verkün- 
digung ihrer Erlasse oder gleichzeitig mit derselben 
erstatten sollen, gelten. Eine Vorschrift kann 
lediglich der Vorgesetzte seinem Untergebenen er- 
teilen. Auch diese staatliche Forderung oder Vor- 
schrift geht also notwendig aus der Anschauung 
einer Suprematie des Staats über die Kirche 
hervor. Darum hat, wie der Syllabus (Nr 28 
und 41), so auch das Vatikanische Konzil die 
Verwerflichkeit des landesherrlichen Plazetrechts 
feierlich ausgesprochen, es stellt der Forderung des 
Staats, Einfluß zu nehmen auf den Verkehr des 
Papstes mit den Bischöfen und Gläubigen und
	        
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