Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Sozialstatistik (1908); v. Fircks, Bevölkerungs- 
lehre u. Bevölkerungspolitik (1898). — Art. „S.“ 
im Wörterbuch der Volkswirtschaft II (21907) 983, 
im Handwörterbuch der Staatswissenschaften 2 VI 
1006 sowie in Schönbergs Handbuch der polit. 
Okonomie. An statistischen Zeitschriften 
find zu nennen: Conrads Jahrbücher für National- 
ökonomie u. S., das Allgemeine Statistische Archiv, 
hrsg. von G. v. Mayr, das Deutsche Statistische 
Zentralblatt, hrsg. von Feig, Würburger u. Schä- 
fer, welches vierteljährlich zweimal erscheint, Ver- 
waltung u. S., hrsg. von Kuehnert u. Petersilie 
monatl. einmal), sowie die von der OÖsterreichischen 
statist. Zentralkommission hrsg. Statist. Monats- 
schrift. Außerordentlich zahlreich sind die Ver- 
öffentlichungen der staatlichen u. städtischen Stati- 
stischen Amter insbesondere in Deutschland in der 
Form von Quellenwerken, Jahrbüchern, Jahres= u. 
Verwaltungsberichten, Beiträgen u. Zeitschr. usw. 
(Ehrler.] 
Statistik, kirchliche s. Religionsstatistik. 
Steuerbewilligung und Steuerver- 
weigerung. Das formale Recht des Staats, 
Steuern zu erheben, ist nicht zu allen Zeiten das 
gleiche; es richtet sich nach den jeweiligen Ver- 
fassungszuständen. Im Mittelalter bildete sich in- 
olge der eigenartigen Verquickung von Staats- 
finanzen und Hofaufwand ein weitgehendes Steuer- 
bewilligungsrecht heraus. Die Grundlage der 
Staatseinkünfte bildeten die Domänen, wozu noch 
Regalien usw. hinzutraten. Die Steuern hatten 
noch keine besondere Bedeutung. Erst in den letzten 
Jahrhunderten des Mittelalters werden sie wich- 
tiger. Bezeichnend ist, daß die direkten Steuern 
damals den Namen Bede (gleicher Stamm mit 
„bikten") führten. Doch galt bald der Satz: Pe- 
titio domini pro mandato habetur. Soweit 
Steuern notwendig wurden, bestand ein ziemlich 
weitgehendes Bewilligungsrecht der Stände. Die 
Steuern erscheinen meist als freiwillige Leistungen, 
für deren Bewilligung durch die Stände der Lan- 
desherr seinen Dank ausspricht. Um die Zustim- 
mung zu den Steuern zu erlangen, sahen sich die 
Landesherren veranlaßt, den Ständen Zugeständ- 
nisse zu machen; wichtige Rechte, welche dieselben 
allmählich erlangten, hingen mit dem Steuer- 
bewilligungsrecht zusammen. Der Mißbrauch, der 
von den Ständen auf solche Weise mit dem Steuer- 
bewilligungsrecht getrieben wurde, war mit ein 
Hauptgrund für den Verfall dieses Rechts im 17. 
und 18. Jahrh. Das Streben der erstarkenden 
landesherrlichen Gewalt ging immer mehr dahin, 
sich Einnahmequellen zu verschaffen, die von der 
landständischen Bewilligung unabhängig waren. 
Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die 
Mitwirkung der Reichsgewalt, welche teils durch 
Gewährung von Privilegien (namentlich bezüglich 
der Aufschläge), teils durch allgemeine Reichs- 
abschiede eine Verpflichtung der Untertanen, für 
gewisse Zwecke zu steuern, aufstellte. So gab der 
Reichsabschied von Augsburg 1530 den Reichs- 
ständen das Recht, von ihren Untertanen Hilfe 
und Steuern zu begehren zum Zweck „der eilen- 
  
  
  
Statistik, kirchliche — Steuerbewilligung ufw. 
  
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den Hilfe gegen den Türken“, und im Nürnberger 
Abschied von 1543 wurde die Pflicht der Unter- 
tanen, zu dem genannten Zweck zu steuern, aus- 
drücklich ausgesprochen. Der jüngste Reichs- 
abschied von 1654 legte im Anschluß an die Exe- 
kutionsordnung von 1555 den Untertanen die 
Leistung der Kriegssteuern auf und gab den Reichs- 
ständen die Befugnis, zu den Kammerzielen und 
zu den Kosten der notwendigen Festungen, Plätze 
und Garnisonen von den Untertanen Steuern zu 
erheben, was das Kommissionsdekret von 1670 
auf die Legationskosten zu Reichsdeputations= und 
Kreiskonventen ausdehnte. Ein Versuch der Reichs. 
stände, das Steuerbewilligungsrecht der Landstände 
zu beseitigen, wurde durch kaiserliches Dekret vom 
12. Febr. 1671, welches es bei der seitherigen 
Übung beließ, vereitelt. 
Der Zusammenbruch der landständischen Ver- 
fassungen infolge der Staatenumwälzung, welche 
ausder französischen Revolution hervorging, führte, 
teilweise nach Uberwindung des absoluten Staats, 
zu den beiden Typen des konstitutionellen 
und des parlamentarischen Staats. In der 
absoluten Monarchie entscheidet naturgemäß einzig 
und allein der Wille des „alle Gewalt in sich ver- 
einigenden“ Landesherrn über die Frage, ob und 
welche Steuer und in welcher Höhe sie erhoben 
werden soll, wie ja auch dieser Wille von sich aus 
den ganzen Staatshaushaltsplan feststellt; für ein 
Recht der Untertanen, in irgend welcher Ver- 
tretung Steuern zu bewilligen oder zu verweigern, 
ist hier kein Raum. Der konstitutionelle Staat 
hingegen kennt eine Mitwirkung der Volksvertre- 
tung bei Feststellung des Staatsbudgets und der 
zur Deckung des Einnahmeausfalls erforderlichen 
Steuern. Die Prüfung des Staatshaushalts- 
plans gibt die Grundlage für die Steuerbewilli- 
gung. Kommt zwischen Regierung und Volks- 
vertretung eine Vereinbarung über das Budget zu- 
stande, und bleibt ein Staatsbedarf übrig, welcher 
durch die von einer Bewilligung des Landtags 
unabhängigen Staatseinnahmen nicht gedeckt ist, 
so müssen auch die Mittel durch die Volksvertre- 
tung bewilligt werden, welche zu seiner Deckung 
notwendig sind, wobei dieselbe aber freie Hand 
hat in der Auswahl der Steuer, durch welche die 
erforderlichen Mittel beschafft werden sollen. Der 
Bewilligung des Landtags bedürfen vor allem 
nicht die Einnahmen des Staats aus seinem Ver- 
mögen und aus seinen Erwerbsgeschäften, sodann 
aus den gesetzlich als ständig fixierten staatlichen 
Gesällen (Gebühren) und indirekten Steuern; hier 
kann nur eine Schätzung des mutmaßlichen Er- 
trags dieser Einnahmen Platz greisen. Dagegen 
ist regelmäßig vorbehalten das Bewilligungsrecht 
bezüglich der direkten Steuern (Grund= und Haus- 
steuer, Gewerbesteuer, Einkommensteuer usw.) so- 
wie bezüglich der neu einzuführenden oder zu er- 
höhenden indirekten Steuern. Einige Verfassungen 
(Württemberg) stellen für die direkten und in- 
direkten Steuern gleichmäßig den Grundsatz auf,
	        
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