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daß sie nur auf Grund ständischer Bewilligung
im Finanzgesetz erhoben werden dürfen, auch wenn
hierüber bereits besondere Gesetze bestehen sollten.
Bedingungen an die Steuerbewilligung zu knüpfen,
ist zumeist untersagt (Bayern, so auch England).
Anders steht es mit Auflagen, unter welchen eine
Bewilligung nur erteilt wird: würden die bei-
gefügten Bedingungen als rechtlich nicht vorhan-
den zu betrachten sein, so würde die Nichterfüllung
der in der Auflage übernommenen Verpflichtung
die Bewilligung zwar nicht ungeschehen machen,
aber die parlamentarische Verantwortung der Re-
gierung nach sich ziehen. Da die Steuerbewilligung
zur Ausführung des vereinbarten Budgets ge-
schieht, ist dieses für die Staatsregierung bindend
in quanto et quali; sie hat den gesamten Staats-
haushaltsetat zu realisieren, d. h. die festgestellten
Staatsbedürfnisse durch die übereinstimmend ver-
anschlagten und bewilligten Einnahmen zu be-
friedigen. Naturgemäß kann die Wirkung der
Steuerbewilligung sich nicht auf den Einnahme-
etat erstrecken; entweder kommen gesetzlich fest-
stehende Einnahmequellen in Frage oder durch die
Bewilligung der Steuer neu geschaffene; immer
aber hängt der Ertrag, welchen sie liefern, nicht
von den Beschlüssen des Landtags ab, sondern
von wirtschaftlichen Faktoren. Auch die gesetzlich
ihrer Höhe nach feststehenden Ausgaben sind der
Wirkung der Steuerbewilligung entzogen. Es
gibt nun aber Ausgaben, welche gesetzlich über-
haupt nicht notwendig sind, oder bezüglich welcher
die Höhe gesetzlich nicht festgestellt ist; hier hat
einerseits der Landtag in der Steuerbewilligung
freie Hand, anderseits braucht die Staatsregierung
nicht alles auszugeben, was im Budget anerkannt
wurde, sie darf nur nicht mehr ausgeben, als ver-
einbart wurde. Dabei ist aber zu betonen, daß
die Steuern nicht Zuschüsse zu einzelnen Etats-
positionen bilden, sondern den Zuschuß zu dem
gesamten Staatsbedarf, so daß es keinen Unter-
schied macht, ob eine Ausgabeposition bis zu einem
bestimmten Betrag ihre Deckung aus Einnahmen
findet, welche als gesetzlich feststehend der Bewil-
ligung der Volksvertretung entzogen sind. Die
vorstehend geschilderten Grundsätze für die Steuer-
bewilligung bei vereinbartem Budget sind, was
ausdrücklich betont werden soll, nicht in allen kon-
stitutionellen Verfassungen geltendes Recht, sie
bilden lediglich den überwiegenden Typus des
konservativen Konstitutionalismus und erleiden in
den einzelnen hierher gehörigen Staaten eine Reihe
von Modifikationen, welche mit der Stellung der
Volksvertretung zum Budget überhaupt zusammen-
hängen und nur in den Einzelstaatsrechten be-
sprochen werden können.
Wenn die Vereinbarung über den Staats-
haushaltsplan zwischen Regierung und Volks-
vertretung gelingt, so ist im allgemeinen zwischen
dem konstitutionellen und dem parlamentarischen
Regime wenig Unterschied; anders, wenn die Ver-
einbarung mißlingt, sei es überhaupt nicht gelingt
Steuerbewilligung ufw.
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oder zu spät erst erfolgt. Hier wird die Frage zu
einer Machtfrage zwischen Regierung und Land-
tag; das parlamentarische System verlangt, daß
im Fall nicht zu beseitigender Uneinigkeit der
Monarch durch die Wahl von Ministern, welche
das Vertrauen der Volksvertretung genießen, die
Einigkeit wiederherstellen soll (französisch-belgisches
System); das andere System hält daran fest, daß
der Landtag auch hier verfassungsmäßig verpflichtet
sei, zur Deckung des von ihm anerkannten Staats-
bedarfs die notwendigen Steuern zu bewilligen
als Pauschsumme zur Bestreitung des Staats-
aufwands, mit andern Worten, daß es ein Recht
der Steuerverweigerung nicht gebe. Die
letztere Ansicht geht davon aus, daß die Meinungs-
verschiedenheit zwischen Volksvertretung und Re-
gierung bezüglich des Etats nicht die Aufhebung
des Staats nach sich ziehen könne, daß vielmehr in
diesem Fall die Regierung behufs gesetzmäßiger
Fortführung des Staatshaushalts berechtigt sein
müsse, einseitig das Budget festzustellen und die
Staatsbedürfnisse durch die von ständischer Be-
willigung unabhängigen Einnahmen und durch die
von den Kammern bewilligten Steuern zu befrie-
digen. Das parlamentarische System kennt weder
Einnahmen noch Ausgaben, zu deren Bewilligung
das Parlament gesetzlich verpflichtet wäre', und
spricht der Regierung das Recht ab, bei Nicht-
zustandekommen des Budgets Einnahmen zu reali-
sieren und Ausgaben zu machen; das Budget sei
ein Gesetz wie jedes andere Gesetz, und die Ein-
nahmen und Ausgaben seien lediglich für die
Budgetperiode bewilligt (lex annua). Es ist nicht
zu leugnen, daß das Prinzip des Parlamentaris-=
mus theoretisch zur Aufhebung und Suspension
von Gesetzen, zur Lahmlegung der Verwaltung
führen und wohlerworbene Rechte tief schädigen
kann; praktisch bedeutet es, daß die Regierungs-
gewalt eigentlich nicht beim Monarchen, sondern
bei dem Parlament ruht, daß also der Volksver-
tretung eine überwiegende Stellung im staatlichen
Organismus zukommt. Während das bayrische
Recht dem Landtag ein Recht der Steuerverweige-
rung nicht einräumt, ist die Frage im preußischen
Recht und im Staatsrecht des Deutschen Reichs
nicht unbestritten. Die Lösung der Frage hängt
ab von der rechtlichen Qualifikation des Budgets,
d. h. von der Stellungnahme zu der Vorfrage, ob
die Vereinbarung des periodischen Budgetgesetzes
die nach der Verfassung absolut erforderliche Er-
mächtigung der Staatsregierung durch die Volks-
vertretung sei zur Erhebung von Einnahmen und
zur Leistung von Ausgaben, mit andern Worten,
ob die Weiterführung der Staatsverwaltung bei
nicht vereinbartem Budget ungesetzlich, weil gegen
die Verfassung verstoßend sei. Das Nähere ist
daher in der Lehre vom Budget zu erörtern
(s. d. Art. Staatshaushalt), wobei auch die viel
verhandelte Unterscheidung zwischen Gesetz im
formellen und materiellen Sinn zu behandeln ist.
Klar ist, daß jedenfalls das Recht der Steuer-