Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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über die Erstreckung der Besteuerung, über die 
Terminologie, die Grundsätze und Geschichte des 
Steuerwesens handelt der Art. Besteuerung (Bd 1). 
Im nachstehenden Artikel ist die Frage der Ein- 
teilung der Steuern zu behandeln und eine Über- 
sicht über die einzelnen Steuern zu geben. Da 
einzelne Steuern Gegenstand besonderer Artikel 
sind, so werden diese lediglich nach ihrer Zugehörig- 
keit zum systematischen Aufbau angeführt werden 
unter Verweis auf die entsprechenden Sonder- 
artikel. 
II. Was die Einteilung der Steuern an- 
langt, so kann diese unter verschiedenen Gesichts- 
punkten erfolgen. So kann man die Steuern 
einteilen in Natural= und Geldsteuern. Die 
ersteren spielten in der Vergangenheit eine große 
Rolle. Heute haben sie für die Kulturstaaten keine 
Bedeutung mehr, weshalb eine derartige Unter- 
scheidung ebenfalls hauptsächlich historische Be- 
deutung hat. Nur in unentwickelten Kolonial= 
gebieten kommen Naturalabgaben statt der Geld- 
zahlung auch heute noch vor. 
1. Anders verhält es sich dagegen mit der 
Einteilung in direkte und indirekte Steuern. 
Sie hat nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch 
eine herrschende Stellung erlangt, sondern sie 
kommt auch in der Gesetzgebung zur Geltung. 
Freilich gehen die wissenschaftlichen Meinungen 
über die Frage, welche Steuern direkte, welche in- 
direkte seien, noch in manchen Punkten auseinander. 
Und auch in der Gesetzgebung herrscht keine voll- 
kommene Ubereinstimmung der Auffassungen. Be- 
sonders hinsichtlich einzelner Stempelsteuern und 
Luxussteuern sowie der Mietsteuern und selbst der 
Erbschaftssteuer ist dies der Fall. Sie werden 
bald zu den direkten, bald zu den indirekten 
Steuern gezählt. 
In der Theorie selbst herrscht, wie eben gesagt, 
keine vollkommene Einigkeit, wenn auch die Unter- 
schiede zwischen den einzelnen Definitionen in der 
Praxis vielfach nicht besonders groß sind. Die 
gewöhnliche Unterscheidung knüpft im wesentlichen 
an die Wortbedeutung an. Die Ausdrücke „direkt“ 
und „indirekt" werden dabei im großen und ganzen 
gleichbedeutend mit „unmittelbar“ und „mittel- 
bar“ gebraucht. Die einen sagen: direkte Steuern 
sind solche, die unmittelbar von dem Steuer- 
subjekt erhoben werden; Steuer zahler und 
Steuerträger sind eine Person; als indirekte 
Steuern sind dagegen jene anzusehen, bei denen 
Steuerzahler und Steuerträger nicht ein und die- 
selbe, sondern verschiedene Personen sind. Das 
Charakteristische der indirekten Besteuerung liegt. 
nach dieser Meinung darin, daß die Steuern letzten, 
Endes von einem andern getragen werden, als von 
dem, bei welchem der Staat sie erhebt. 
Gegen diese Meinung wendet man mit Recht 
ein, daß die Uberwälzungsvorgänge äußerst kom- 
pliziert sind, was zur Folge hat, daß im einzelnen 
Fall die Beurteilung sehr schwer ist. Zudem 
könnten auch solche Steuern, die allgemein als 
  
Steuern. 
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direkte Steuern anerkannt sind, abgewälzt werden. 
Um diesem Einwand zu begegnen, haben andere 
Theoretiker noch das Moment der staatlichen Ab- 
sicht hinsichtlich der Uberwälzung hinzugefügt. 
Danach sind dann „direkte Steuern solche, wo“ 
nach der Voraussicht bzw. nach der Absicht des 
Gesetzgebers der Steuer zahler auch der Steuer- 
träger ist, wo also eine Uberwälzung auf andere 
nicht vorausgesetzt oder gar gewünscht, mitunter 
selbst gesetzlich verboten oder mit Strafen bedroht 
wird; indirekte sind umgekehrt solche, wo der 
Steuer zahler voraussetzungsweise nicht der 
Steuerträger ist, oder selbst absichtlich es nicht 
sein soll, sondern wo eine Uberwälzung auf andere 
vorausgesetzt und gewünscht, ja ebenfalls wohl 
selbst durch Gebot zu erreichen gesucht wird“ 
(Wagner im Handbuch von Schönberg). 
Eine derartige Begriffsbestimmung gibt den 
Unterschied zwar ziemlich genau wieder, schließt 
sich aber zu sehr an die staatliche Normierung an. 
Diese ist aber nicht überall die gleiche. 
Dem Wesen nach deckt sich mit der eben ge- 
nannten Unterscheidungsweise jene von Schäffle, 
der zwischen Trag= und Vorschußsteuern 
unterscheidet und dabei unter Tragsteuern solche 
versteht, welche die Durchschnittssteuerkraft be- 
lasten, während die Vorschußsteuern die jeweilige 
Leistungsfähigkeit individualisieren. — Andere 
Theoretiker gehen bei der Begriffsfestlegung von 
ganz andern Gesichtspunkten aus. So bezeichnen 
besonders französische Theoretiker die direkten 
Steuern als solche, welche nach einer Namenliste, 
nach dauernden Dingen und Zuständen erhoben 
werden (Katastersteuern), die indirekten als 
solche, welche an bestimmte Vorgänge und Dinge 
anknüpfen (Tarifsteuern). Hoffmann unter- 
scheidet Steuern auf Besitz (direkte) und auf Hand- 
lungen (indirekte Steuern). Ricca-Salerno und 
Willgren legen als Unterscheidungsmerkmal zu- 
grunde die unmittelbare oder mittelbare Außerung 
der Steuerfähigkeit. Danach sollen direkte 
Steuern jene sein, deren Objekte unmittelbar die 
Steuerquelle angeben, indirekte, die vom Steuer- 
pflichtigen aus seinen allgemeinen wirtschaftlichen 
Mitteln entrichtet werden und darum nur un- 
mittelbar mit der Steuerquelle zusammenhängen 
(ogl. Heckel, Finanzwissenschaft 1 141; dort eine 
gute, kurze Zusammenstellung). 
Wissenschaftlich wohl die beste Unterscheidung 
ist jene von Conrad. Er begründet seine Ein- 
teilung nach dem Grundprinzip der Leistungs- 
fähigkeit und bezeichnet als direkte Steuern 
diejenigen, bei denen man von den Einnahmen 
resp. dem Besitz unmittelbar auf die Lei- 
stungsfähigkeit schließt, als in direkte da- 
gegen jene, bei denen man von den Ausgaben 
auf die Einnahmen und damit indirekt 
auf die Leistungsfähigkeit einen Schluß zieht. 
Diese Unterscheidung dürfte sachlich wohl die beste 
sein. Sie ist mit den oben angeführten, welche 
an die Überwälzung anknüpfen, eng verwandt,
	        
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