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Veranlagung auch für eine größere Zeitstrecke, die
sich so weit ausdehnen kann, daß die veranlagten
Sätze noch bestehen zu einer Zeit, wo die Ertrags-
verhältnisse eine fundamentale Umgestaltung er-
fahren haben. So kommt es vor, daß die Grund-
steuer noch jahrzehntelang zu den alten Sätzen
erhoben wird, nachdem die alten Betriebssysteme
verlassen und ganz neue zur Durchführung gelangt
sind. Eine große Stetigkeit der Steuer-
füße gehört ebenfalls zu den Merkzeichen der
Ertragsbesteuerung.
Schließlich noch eine Eigentümlichkeit dieser
Steuergattung: sie gestattet eine Rücksichtnahme
auf die individuellen Verhältnisse des Steuer-
zahlers nur in sehr beschränktem Maß.
Die Vorteile und Nachteile der Ertragsbesteue-
rung lassen sich aus diesen Tatsachen ziemlich leicht
erkennen.
Vorteile. a) Die Anknüpfung an das Objekt
läßt eine von Sachverständigen nicht allzuschwer
auszuführende Schätzung des Ertrags zu. Man
ist dabei nicht abhängig von Steuererklärungen,
bei welchen nur zu leicht Hinterziehungen unter-
laufen. Wieviel ein Acker von bestimmter Größe,
Lage und Güte an Ertrag liefert, läßt sich ohne
allzu große Schwierigkeiten durch Schätzung an-
nähernd ermitteln. Eine Defraudation der Steuer
ist dann nicht möglich b) Die Erträge sind
gleichmäßig, keinen größeren Schwankungen
ausgesetzt, weil die Veranlagung für längere Zeit-
abschnitte geschieht. Der Staat kann mit großer
Sicherheit auf die Erträge rechnen. c) Einmal
veranlagt, verursacht die Verwaltung und Er-
hebung dieser Steuer keine großen Kosten. d) Die
Eintreibung dieser Steuer macht keine besondern
Schwierigkeiten, weil das Ertragsobjekt als Pfand
dienen kann. e) Ein lästiges Eindringen in die
privaten Verhältnisse ist meist nicht nötig. f) Durch
Verteilung der von einem Subjekt zu zahlenden
Steuern auf verschiedene Objekte (Grund und
Boden, Gewerbebetrieb, Kapitalrenten usw.) wird
die Steuer weniger schwer empfunden als eine
Einkommensteuer, besonders dann, wenn das fun-
dierte Einkommen entsprechend seiner Leistungs-
fähigkeit schärfer herangezogen wird wie das un-
sundierte.
Nachteile. a) Die individuelle Leistungsfähig-
keit wird nicht berücksichtigt. Es werden nicht die
wirklich erzielten Erträge, sondern Durchschnitts-
erträge zur Steuer herangezogen; wer den Durch-
schnitt nicht erreicht, wird zu schwer, wer ihn
überschreitet, zu leicht belastet. b) Schuldenzinsen
dürfen meist nicht abgezogen werden, was gegen
das Prinzip der Gerechtigkeit verstößt, c) Wenn
auch die Stabilität der Erträge vom Standpunkt
der sichern Budgetgestaltung einen Vorteil be-
deutet, so liegt umgekehrt in der schweren Be-
weglichkeit der Ertragssteuern ein großer Mangel;
die Erträge wachsen nicht entsprechend der zu-
nehmenden Steuerkraft. So bleiben die Steuersätze
bei der Grundsteuer oft jahrzehntelang dieselben,
Steuern.
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obwohl die wirtschaftlichen Erträge bedeutend ge-
wachsen sind. d) Es ist sehr schwer, das Ertrags-
steuersystem vollständ ig zu gestalten, das ganze
Einkommen durch die verschiedenen Steuern zu
treffen. Sollen die Ertragssteuern dem Prinzip
der Vollständigkeit gerecht werden, so ist not-
wendig, in das Ertragssteuersystem Steuerarten
einzugliedern, welche dem Ertragssteuerprinzip
eigentlich fremd sind, z. B. die spezielle Ein-
kommensteuer und (bis zu einem gewissen Sinn)
die Kapitalrentensteuern. Auch mit andern Ele-
menten, die speziell der Einkommensbesteuerung
eignen, wird das Ertragssteuersystem durchsetzt,
damit der Widerspruch mit den Grundsätzen der
modernen Besteuerung nicht zu schroff zutage tritt.
Als Ertragssteuern sind zu nennen: a) die
Grundsteuer, b) die Haus= oder Gebäudesteuer,
J) die Gewerbesteuer, d) die Kapitalrentensteuer,
e) die Arbeitsertragssteuer. Dazu treten dann noch
verschiedene Sondergewerbesteuern.
a) Die Grundsteuer (s. Bd II, Sp. 958 ff).
b) Die Haus- oder Gebäudesteuer (s. Bd II,
Sp. 963 Fö.
Jc) Die Gewerbesteuer (s. Bd II, Sp. 727 ffji.
d) Die Kapitalrentensteuer. Zweck: Besteue-
rung des Leihkapitals resp. der daraus fließen-
den Erträge (Zinsen, Renten); das in Boden,
äusern, Gewerbebetrieben festgelegte Kapital
unterliegt nicht der Kapitalrentensteuer. Darin
ist der Hauptunterschied zwischen Kapitalrenten-
und Vermögenssteuer zu sehen. Die Kapitalrenten-
steuer ist eine der jüngsten Ertragssteuern, da sie
erst Eingang finden kann, wenn die Kapitalleihe
einen großen Umfang angenommen hat, also bei
stark entwickelter Kreditwirtschaft. Die Erfassung
der steuerpflichtigen Kapitalien kann auf direktem
und indirektem Weg erfolgen. Im letzteren Fall
wäre die Steuer zu erheben beim Schuldner, der
dann ermächtigt würde, die ausgelegte Steuer-
summe von dem Zins zurückzuhalten. In allge-
mein umfassender Weise praktisch nicht möglich.
Dagegen ist die indirekte Kapitalrentensteuer in
beschränkter Weise möglich als Couponsteuer.
Do aber die Gefahr der Kapitalabwanderung und
Kreditverteuerung damit verbunden ist, so ist dieser
Steuermodus unratsam. Bei der direkten Form
der Kapitalrentensteuer wird das Leihkapital resp.
die daraus fließende Rente entweder durch Steuer-
kommissionen geschätzt oder es wird Dekla-
ration verlangt. Im letzteren Fall müssen auf
Hinterziehungen Strafen gesetzt werden. Die De-
klaration ist aber schon ein Fremdelement in der
Ertragsbesteuerung.
Gesetzgebung. Preußen hat nie eine Kapital-
rentensteuer gehabt. In Bayern bildete die Kapital-
rentensteuer bis zur Steuerreform von 1910 ein
wichtiges Glied im Ertragssteuersystem. Nach
Einführung der Einkommensteuer in Bayern kommt
der Kapitalrentensteuer mehr die Rolle einer Er-
gänzungssteuer zu. Steuersätze: die Steuer be-
trägt bei Renten von 70—100 M 1% , von