Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Größe der Ladung. Eisenbahnfrachtbriefe unter- 
liegen einer Steuer von 20—50 Pf., wenn sie 
über ganze Wagenladungen lauten. 
Die Fahrkartensteuer, 1906 eingeführt, läßt 
alle Fahrkarten im Preis bis 60 Pf., ferner alle 
Arbeiter-, Militär= und Schülerfahrkarten, sowie 
sämtliche Karten der vierten Wagenklasse (und der 
Klasse 3b) frei. Dadurch sind die niedern Volks- 
schichten von der Steuer frei. Für die dritte Wagen- 
klasse beträgt die Steuer bei einem Fahrscheinpreis 
bis 2 M 5 Pf., bis 5 A 10 Pf., bis 10 M 
20 Pf., bis 20 M 40 Pf., bis 30 M 60 Pf., 
bis 40 M 90 Pf., bis 50 M 140 Pf., über 
50 M 200 Pf. Für die zweite Wagenklasse sind 
die Sätze doppelt so hoch, für die erste Wagenklasse 
betragen sie das Vierfache der erwähnten Sätze. 
Die Automobilsteuer (Stempel auf Er- 
laubniskarten für Kraftfahrzeuge) gehört inhalt- 
lich zu den Aufwandsteuern. Formell ist sie je- 
doch in das Stempelsteuergesetz eingegliedert. Die 
Steuer beträgt für Krafträder 10 M für Kraft- 
wagen 25 bis 150 M, wozu noch ein gestufter 
Zuschlag von 2—10 A pro Pferdekraft hinzu- 
tritt. Auch ausländische Fahrzeuge unterliegen 
einer Steuer je nach der Dauer ihres Aufenthalts 
im Inland. 
Der Tantiemestempel gehört dem Wesen 
der Steuer nach unter die Erwerbsbesteuerung, 
ist also sachlich eine direkte Steuer. Nur der 
Erhebungsform wegen wird er zu den Stempel- 
steuern gezählt. Es werden die Aufsichtsrats- 
gehälter, sofern dieselben 5000 M übersteigen, mit 
8 % zur Steuer herangezogen. 
Damit ist das Stempelsteuerwesen, wenigstens 
was Deutschland anlangt, in der Hauptsache er- 
schöpft. Diese Steuern gewinnen gerade in 
unserer Zeit wieder mehr an Beliebtheit und Ver- 
breitung. Bei der raschen Entfaltung des be- 
weglichen Besitzes, bei der Kompliziertheit der 
Wertbildung und bei der Schwierigkeit, besonders 
das bewegliche Vermögen in seinem ganzen Um- 
fang zu erfassen, ist diese Erscheinung erklärlich. 
Es ist aber nicht zu leugnen, daß infolge der Viel- 
heit dieser Steuern das Prinzip der Allgemeinheit 
und Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht ge- 
nügend wahrgenommen werden kann. Dazu 
kommt, daß bei den Vermögensverkehrssteuern 
immer eine große Schwierigkeit besteht, das rich- 
tige Ausmaß zu finden, damit die Steuern keine 
wirtschaftlich schädlichen Folgen auslösen. 
5. Die Aufwandsteuern sind Steuern, welche 
fen an die Verwendung des Einkommens, also 
bestimmt sind, den Verbrauch oder Gebrauch von 
Dingen der verschiedensten Art zu treffen. Diese 
Steuern sind fast ausschließlich zu den indirekten 
Steuern zu rechnen. Nur einige wenige Aufwand- 
steuern (z. B. Wohnungsaufwandsteuer) werden 
von einzelnen Theoretikern zu den direkten gezählt, 
obwohl es fraglich ist, ob diese Einreihung richtig 
ist. Doch kann dieser Streitpunkt hier nicht er- 
örtert werden. Wichtig ist die Frage nach der 
Steuern. 
  
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innern Berechtigung der Aufwandbesteuerung. 
Dieselbe ergibt sich aus folgender Betrachtung. Es 
ist nicht möglich, vermittels der direkten Besteue- 
rung eine vollkommen gerechte und gleichmäßige 
Durchschnittsbelastung nach der jeweiligen Steuer- 
kraft des einzelnen durchzuführen. Auch dann, 
wenn das Prinzip der Progression bzw. De- 
gression in verhältnismäßig weitgehendem Maß 
angewandt ist, läßt sich das Ziel nicht erreichen. 
Man muß bei der direkten Besteuerung immer 
mit der Tatsache der verschiedenen Tragfähigkeit 
der Einzeleinkommen und der einzelnen Ein- 
kommensarten rechnen, ohne derselben bei der prak- 
tischen Ausgestaltung des Steuerwesens jederzeit 
gerecht werden zu können. Ist schon dadurch eine 
ungleiche Erfassung der Einkommen gegeben, so 
wird dieselbe noch gesteigert durch die vielfach nicht 
feststellbaren Steuerhinterziehungen. 
Nun gibt es aber einen Gradmesser für die 
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; das ist der Auf- 
wand, den jemand für seine Lebenshaltung macht. 
Im großen Durchschnitt besteht nämlich ein ent- 
sprechendes Verhältnis zwischen wirtschaftlicher 
Leistungsfähigkeit und Aufwand für die Lebens- 
haltung. Der in die Erscheinung tretende Auf- 
wand gestattet normalerweise einen Rückschluß 
auf die Einkommensverhältnisse; je höher der Auf- 
wand, desto größer im allgemeinen das Ein- 
kommen. Darin liegt die grundsätzliche Recht- 
fertigung der Aufwandbesteuerung. Dabei muß 
aber stets Rücksicht genommen werden auf die ver- 
schiedene Geartung des Aufwands. Es ist zu 
unterscheiden, ob der Aufwand gemacht wird zur 
Befriedigung notwendiger Lebensbedürfnisse, ob 
er erfolgt für entbehrliche Genußgüter oder endlich 
ob er sich unter Berücksichtigung der jeweiligen 
Zeitverhältnisse und Anschauungen darstellt als 
Luxusaufwand. Infolge dieser verschiedenen 
Steuerbarkeit ergibt sich für die Steuerpolitik die 
Forderung, notwendige Lebensmittel gar nicht 
oder doch nur in geringem Maß zu besteuern. 
Als nur mäßig steuerbar sind anzusehen jene Ge- 
brauchsgegenstände, die durch die aufsteigende Kul- 
turentwicklung allgemein üblich geworden und den 
Rang von allgemein gebrauchten Lebensmitteln 
erlangt haben (z. B. Zucker). 
Ziemlich stark steuerbar sind dagegen Tabak 
und Alkohol. Denn hier hat es ein jeder in der 
Hand, durch Konsumenthalt oder Konsumbeschrän- 
kung sich von der Steuer zu befreien. Es liegen 
keine notwendigen, sondern entbehrliche, in vielen 
Fällen schädigende Genußmittel vor. Der Kon- 
sument hat praktisch die Möglichkeit der Selbst- 
besteuerung. Tatsächlich zeigt auch die Statistik, 
daß der Aufwand für solchen Genuß mit steigen- 
dem Einkommen emporgeht, nicht nur proportio- 
nal, sondern auch progressiv. Die Besteuerung 
dieser entbehrlichen Genußmittel ist deswegen in 
allen Kulturstaaten sehr beliebt und in andern 
Ländern meist bedeutend stärker ausgebildet als in 
Deutschland. Ist es noch möglich, eine nach Qua-
	        
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