9 Staatsrat.
gehören ihm an der „Prinz von Oranien“, d. h.
der Thronfolger, sobald er das 18. Lebensjahr
erreicht hat, und 12 vom Landesherrn ernannte
Mitglieder. Der König ist verfassungsgemäß ver-
pflichtet, das Gutachten des Staatsrats einzuholen
bei Gesetzesvorlagen und bei Verordnungen im
Bereich der Landes= und der Kolonialverwaltung,
wobei im Erlaß selbst jeweils zu erwähnen ist,
daß das Gutachten des Staatsrats eingeholt
wurde.
In Luxemburg hatd der Staatsrat, der 1856
nach französischem Muster organisiert wurde, einen
hervorragenden Anteil an der Staatsverwaltung.
Siehe hierüber den Artikel Luxemburg Bd III,
Sp. 924.
In Dänemark bildet die Gesamtheit der
Minister als beratendes Organ des Monarchen
den Staatsrat, wenn der König den Vorsitz führt,
wenn nicht, so heißt die Ministerberatung der
Ministerrat, der seine Beschlüsse mit Mehrheit
faßt. Im Staatsrat hat auch der volljährige
Thronfolger einen Sitz. Nach der Verfassung
müssen alle Gesetze und wichtigen Regierungsmaß-
regeln im Staatsrat verhandelt werden.
In Schweden und in Norwegen heißen
die jeweiligen Staatsministerien Staatsrat.
Auch in Italien besteht neben dem Mini-
sterium und unabhängig von diesem ein Staats-
rat, der in 4 Abteilungen zerfällt mit je einem
Präsidenten und je 8 Räten. Die jüngste dieser
Sektionen ist die sog. gerichtliche Sektion, ihre
Zuständigkeit betrifft z. B. Streitsachen zwischen
dem Staat und seinen Gläubigern, dann Sachen,
bei denen es sich um Kompetenzüberschreitung
handelt; endlich an dere Administrativsachen von
Wichtigkeit.
Auch das Königreich Griechenland hatte
zunächst einen Staatsrat als lediglich beratende
Körperschaft und als Verwaltungsgerichtshof; in-
des wurde der Staatsrat 1865 ganz aufgehoben.
Doch scheint man dessen Fehlen in der Staats-
organisation zu vermissen, denn der am Anfang
des Jahrs 1911 vorgelegte Gesetzentwurf zur
Revision der Verfassung empfiehlt die Wieder-
herstellung des Staatsrats.
Ebenso wurde durch das neue Regime in der
Türkei ein Staatsrat eingesetzt.
II. Berechtigung des Staatsrats in Kon-
ktitutionellen Staaten. Wir haben im Artikel
Staatsministerium ausgeführt, daß jede Regie-
rungstätigkeit des Staatshauptes in konstitutio-
nellen Staaten zur Gültigkeit der Mitwirkung
bzw. Gegenzeichnung eines Ministers bedarf. Die
Institution der Ministerien ist also in solchen
Staaten eine unbedingt notwendige. Nicht so der
Staatsrat. Da diesem meist nur der Charakter
eines beratenden Organs des Staatsoberhaupts
zukommt, so kann der Staatsrat in konstitutio-
nellen Staaten auch fehlen und dort das Staats-
ministerium das einzige beratende Organ des
Staatsoberhaupts bilden. Das ist nun auch tat-
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sächlich in vielen deutschen und außerdeutschen
Staaten heute der Fall, so in Baden, Hessen, den
übrigen kleinen Staaten, in Osterreich u. a.
Schon oft ist von Theoretikern und Parlamen-
tariern die Frage aufgeworfen worden, ob der
Staatsrat heute in einem konstitutionellen Staat
neben dem Staatsministerium verfassungsrecht-
lich noch zulässig sei. Die Zulässigkeit wurde
B. im Jahr 1855 in Preußen in der Kom-
mission zur Beratung des Staatshaushaltsetats
und in der Plenarsitzung der Zweiten Kammer
vom 14. Febr. 1855 von einigen Mitgliedern
verneint und der Staatsrat von ihnen als durch
die Verfassung beseitigt angesehen. Denn der
Staatsrat sei eine legislative, wenngleich bloß
beratende Körperschaft, für welche innerhalb des
gegenwärtigen Staatsorganismus kein Platz mehr
vorhanden sei. Besonders lasse sich das Bestehen
des Staatsrats nicht mit der verfassungsmäßigen
Ministerverantwortlichkeit in Einklang bringen;
auch würden die Minister in ihrer freien Ent-
schließung behindert sein. Demgegenüber betonte
der Ministerpräsident v. Manteuffel, daß die
Tätigkeit des Staatsrats nicht im Widerspruch
mit der Verfassung stehe, denn die Begutachtung
von Gesetzentwürfen durch den Staatsrat bilde
keinerlei Beschränkung des Mitwirkungsrechts der
Kammern bei der Gesetzgebung und beschränke die
verfassungsmäßige Stellung der Minister durch-
aus nicht, da ja die Minister an das Gutachten
des Staatsrats nicht gebunden seien.
Die zweite Frage, ob der Staatsrat in einem
konstitutionellen Staat nicht eine überflüssige Ein-
richtung sei, ist viel erörtert und sehr verschieden
beantwortet worden. Zuzugeben ist, daß das
Staatsoberhaupt in seinen Ministern seine be-
rufenen und verfassungsmäßigen Ratgeber zu sehen
hat; allein von einigen Publizisten wird doch
dagegen eingewendet, daß in vielen, wenn nicht
den allermeisten Staaten die Minister unter dem
Einfluß einer bestimmten politischen Richtung
stehen, die ihre ganze Anschauungsweise derart
beherrscht, daß sie gar manche im staatlichen Leben
hervortretenden neuen Erscheinungen, Verhältnisse
und Vorgänge, die mit ihrer politischen Richtung
nicht im Einklang stehen, eher als schädlich an-
sehen, als in ihnen die Notwendigkeit erblicken,
ihre eigne Stellungnahme danach einzurichten.
So ist denn auch in solchen Fällen ihr dem Mon-
archen erteilter Rat mehr oder minder einseitig,
nicht aber absolut objektiv. Ebenso kann bei Ge-
setzesvorlagen, welche die einzelnen Ressorts be-
treffen, und bei welchen der Rat des betreffenden
Ministers am schwersten ins Gewicht zu fallen
pflegt, dieser Rat nicht immer als ein ganz objek-
tiver angesehen werden. Die Anschauung des
Ministers wird vielfach von den Anschauungen
seiner Räte beeinflußt, und diese stehen, wie die
Erfahrung lehrt, häufig unter dem Einfluß her-
gebrachter Grundsätze, welche möglicherweise den
in dem Ressort hervortretenden neuen Anforde-
—S
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