257 Strafanstalten
wendet werden. Eine andere Verwendung be-
darf besonderer obrigkeitlicher Genehmigung. Die
Zweckgrenze der öffentlich-rechtlichen Stiftung ist
daher auch eine Grenze für die Vertretungsmacht
der regelmäßigen Stiftungsorgane. Die ohne die
erforderliche Genehmigung vorgenommene Ver-
wendung von Stiftungserträgnissen ist als eine
„Verfügung durch einen Nichtberechtigten“ zu be-
urteilen. Über die Art der Verwendung beschließt
die Stiftungsverwaltung innerhalb der Zweck-
grenzen nach freiem Ermessen. Der Destinatär
kann nicht auf Zuwendung von Erträgnissen klagen,
sondern kann höchstens eine Feststellungsklage da-
hin erheben, daß er zu dem Kreis der Destinatäre
gehört. Die Auswahl des Empfängers ist dann
immer noch freie Sache der Stiftungsverwaltung.
Einen Anspruch auf unmittelbare Leistung kann
nur derjenige geltend machen, welcher auf Grund
objektiv feststehender Tatsachen (z. B. als Altester
gegenüber einer Familienstiftung zugunsten des
jeweils Altesten) seine Legitimation nachweist.
Die Ansprüche auf Verwaltung einer öffentlich-
rechtlichen Stiftung und die Vergebung der Stif-
tungsgenüsse gehören dem öffentlichen Recht an.
Für bestimmte einzelne Fragen sind auch die Ver-
waltungsgerichte für zuständig erklärt worden.
Streitigkeiten über Form und Inhalt des die
öffentlich-rechtliche Stiftung begründenden Privat-
rechtsakts sowie die aus ihrem Privatrechtsverkehr
mit Dritten herrührenden Streitigkeiten unter-
liegen der Zuständigkeit der bürgerlichen Gerichte.
Die öffentlichen Stiftungen genießen in der
Regel in Sachen der streitigen oder freiwilligen
Gerichtsbarkeit Gebührenfreiheit, vor dem Reichs-
gericht jedoch nur dann, wenn die Einnahmen der
Stiftung die etatsmäßigen jährlichen Ausgaben
nicht erreichen (Archiv für katholisches Kirchenrecht
LXXXVII 345/348). Nach § 12 des Reichs-
erbschaftssteuergesetzes vom 3. Juni 1906 find
ausschließlich kirchliche, mildtätige oder gemein-
nützige Stiftungen für Zuwendungen an sie bis
zu 5000 K einschließlich steuerfrei, bei größeren
Zuwendungen nur mit 5 vom 100 steuerpflichtig.
Wegen ihrer engen Verbindung mit Staat
oder Kirche können öffentlich-rechtliche Stiftungen
nur durch einen obrigkeitlichen Aufhebungsakt
untergehen, nicht aber von selbst, z. B. durch den
Verlust ihres Vermögens. Dieser kann den Auf-
hebungsakt veranlassen.
Literatur. Behrend, Die S. nach deutschem
bücher des bürgerlichen Rechts u. des Kirchenrechts.
L[Jos. Schmitt.)
Strafanstalten s. Gefängniswesen.
Strafe und Strafrechtstheorien.
— Strafe usw. 258
nach heutigem Sprachgebrauch noch zukommenden
Sinn der Zufügung eines Ubels, eines schmerz-
lich Empfundenen für eine solche vorausgegangene
Handlung. Die „Strafe“ ist dann dieses Übel,
dieses schmerzlich Empfundene.
Ein Recht, eine Befugnis, in diesem Sinn
einen Menschen zu strafen (jus puniendi, Straf-
recht im subjektiven Sinn), kann einem andern nur
auf Grund eines besondern Rechtstitels zuerkannt
werden, da alle Menschen einander gleichberechtigt.
und voneinander unabhängig sind. Deswegen er-
kennen wir nur für einen beschränkten Personen-
kreis oder für gewisse Verbände, für welche ein solcher
Rechtstitel gegeben erscheint, ein solches Strafrecht
anz so für die Eltern, für die Kirche, für den Staat
usw. Hier haben wir es nur mit dem Strafrecht
des Staats zu tun. In Bezug auf dieses ist aller-
dings für viele die Sache um deswillen leicht ab-
getan, weil sie, wie dies schon die Schule der grie-
chischen Skeptiker tat, das Strafrecht des Staats
als etwas Gegebenes und UÜberliefertes, das einer
Erklärung und Begründung weder bedürftig noch
fähig sei, voraussetzen. Es hat aber auch im
Gegensatz zu diesen nicht an solchen gefehlt, „die
dieses Strafrecht als solches rechtfertigen zu
können für unmöglich gehalten, die geradezu er-
klärt haben, das Strafrecht sei ein Übel, allerdings
ein unvermeidliches, für dessen Anwendung sich nur
allenfalls der Grund geltend machen ließe, daß es
dazu diene, ein größeres Übel zu vermeiden, daß
also im Staat und durch denselben, im Wider-
spruch mit seiner sittlichen Bedeutung und mit
seinen Anforderungen, im Widerspruch mit den
sonst in ihm anerkannten Grundsätzen der Re-
ligion, Sitte und des Rechts, wissentlich Unrecht
geübt werde, um größerem Unrecht, d. h. nicht
dem verübten Verbrechen als vergangenem, wie die
bloß äußere Vergeltung will, sondern dem künf-
tigen, welches die Straflosigkeit und das böse Bei-
spiel hervorbringen würde, zu begegnen“. Andere
führen mit Fichte das staatliche Strafrecht auf
einen neben dem allgemeinen Unterwerfungsvertrag
einhergehenden besondern Abbüßungsvertrag zurück
(ogl. unten 3b u. 1). Und wiederum andere glau-
ben mit Hobbes, die Schrankenlosigkeit der Staats-
gewalt als Rechtsgrund anführen zu können. Diese
Schrankenlosigkeit deckt alles, und es ist nur weise
Selbstbeschränkung der Staatsgewalt, wenn sie
für die Anwendung ihrer Strafgewalt bestimmte
gesetzliche Normen aufstellt und ihre Organe daran
bürgerlichem Recht (1904); die verschiedenen Lehr-
bindet. Für Kant und seine Anhänger erledigt
sich sodann die Frage damit, daß die Strafe für
eine Forderung des kategorischen Imperativs
(worauf unten noch zurückzukommen ist) und der
Staat für dessen Vollzugsorgan erklärt wird. Eine
1. Die ursprüngliche Bedeutung des Worts gründlicher verfahrende Rechtsphilosophie, die nicht
„strafen“ mag hier dahingestellt bleiben. Als das anerkennt, daß Gewalt allein schon ein Recht gibt,
Wort im Mittelhochdeutschen auftrat, kam ihm
zunächst nur die Bedeutung des Mißbilligens einer
tadelnswerten, schädlichen Handlung zu. Erst all-
hat sich mit diesen Erklärungsversuchen nicht zu-
frieden gegeben, sondern von jeher nach einem
tiefer liegenden Rechtsgrund geforscht. Schon grie-
mählich verengte sich der Begriff auf den ihm auch Ü chische Philosophen haben diesen in einem göttlichen
9
Staatslexikon. V. 3. u. 4. Aufl.