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setzes von der Ausübung des Amts ausgeschlossen.
Außer dieser absoluten Unfähigkeit gibt es noch
eine relative Unfähigkeit, die darin besteht, daß
ein Richter in einer bestimmten Strassache nicht
als Richter fungieren kann. Dies ist der Fall,
wenn er selbst durch die strafbare Handlung ver-
letzt ist, oder wenn er der Ehemann oder Vor-
mund der beschuldigten oder verletzten Person ist
oder gewesen ist, und wenn er mit dem Angeschul-
digten in einem näheren Verwandtschafts= oder
Schwägerschaftsverhältnis steht, oder wenn er in
der Strafsache schon in einer andern Eigenschaft,
z. B. als Anwalt, Polizeibeamter, Zeuge u. dgl.
aufgetreten ist. Es kann auch ein Richter von dem
Angeschuldigten wegen Besorgnis der Befangen-
heit, deren Grund glaubhaft gemacht werden muß,
abgelehnt werden; für die Ablehnung eines
Geschworenen bedarf es nicht der Glaubhaft-
machung, während die relativen Unfähigkeitsgründe
auch für ihn gelten. Für Schöffen und Gerichts-
schreiber gelten die Bestimmungen über Aus-
schließung und Ablehnung ebenso wie für den
Richter.
2. Die strafverfolgenden Behörden
und Privatpersonen (Staatsanwaltschaft,
Verwaltungsbehörden, Privatkläger, Nebenkläger)
und der Beschuldigte. Wie unten (ogl. C. 1.)
näher dargelegt werden wird, hat unser Straf-
prozeßrecht die Strafverfolgung im Prinzip in die
Hände einer besondern Behörde, der Staats-
anwaltschaft, gelegt. Während über deren
Organisation der sie betreffende Spezialartikel
Auskunft gibt, ist hier nur ihre prozessualische
Stellung kurz zucharakterisieren. Sie ergibt sich zu-
nächst aus ihrer Stellung als Behörde neben, nicht
unter dem Gericht. Sie steht in Ansehung ihrer
Tätigkeit dem Gericht völlig selbständig gegenüber,
dergestalt, daß die Disziplinarbefugnisse des Ge-
richts über die bei einer gerichtlichen Verhandlung
Beteiligten oder Anwesenden dem Vertreter der
Staatsanwaltschaft gegenüber keine Anwendung
finden. Sie hat selbständig den strafbaren Hand-
lungen nachzuforschen und bei ausreichender Er-
mittlung Anklage bei Gericht zu erheben, wie
unten näher erläutert ist; aber sie ist nicht ledig-
lich strafverfolgende Behörde; sie hat vielmehr
im letzten Ergebnis keine andere Aufgabe als das
Gericht auch, d. h. also dazu beizutragen, daß das
Ziel des Strafprozesses — Bestrafung des wirk-
lich Schuldigen — erreicht wird. Indem sie in
diesem Rahmen ihr Verhalten pflichtgemäß einzu-
richten hat, kann sie sich nicht als prinzipielle
Gegnerin des Beschuldigten fühlen, sondern nur
nach Maßgabe der Belastung. Sie wird sogar
ebensosehr alle den Beschuldiglen entlastenden Mo-
mente beachten müssen, wie das Gericht selbst, und
kraft positiver Vorschrift (Str. P. O. § 338) kann
sie sogar zugunsten des Beschuldigten von Rechts-
mitteln Gebrauch machen. Das alles ergibt, daß
die Staatsanwaltschaft nicht als Partei im
Prozeß Stellung zu nehmen hat. Nur die Form
Strafprozeß.
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unseres Prozesses oder besser gesagt des Hauptver-
fahrens (bgl. unten) bringt es mit sich, daß sie und
der Beschuldigte im Strafprozeß die Stellung
von zwei gegeneinanderstehenden Parteien ein-
nehmen; dazu kommt allerdings noch der Umstand,
daß ein Hauptverfahren gegen den Beschuldigten
nicht stattfinden kann, es sei denn, daß dringende
Verdachtsgründe gegen ihn bereits vorliegen, wo-
durch eine Gegnerschaft der Staatsanwaltschaft
gegen den sich verteidigenden Beschuldigten not-
wendigerweise gegeben ist. — An die Stelle der
Staatsanwaltschaft kann in dem Verfahren wegen
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über
die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle
die für diese letztere zuständige Verwaltungsbe-
hörde treten, wenn die Staatsanwaltschaft die
Verfolgung zu übernehmen ablehnt.
Auch Privatpersonen können an Stelle oder
neben der Staatsanwaltschaft im Prozeß strafver-
folgend auftreten unter gewissen Voraussetzungen
und in besondern Verfahren, worüber unten näher
zu handeln ist.
Die Stellung des Beschuldigten im Pro-
zeß ist gegen früher viel günstiger geworden.
Er ist vor allem nicht mehr zu der passiven
Rolle verurteilt, die er im gemeinen Strafprozeß
einnahm. Gleich bei seiner ersten Vernehmung ist
ihm zu eröffnen, welche strafbare Handlung ihm
zur Last gelegt werde, und soll ihm zur Beseiti-
gung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe
und zur Geltendmachung der zu seinen Gunsten
sprechenden Tatsachen Gelegenheit gegeben wer-
den. Er hat also von vornherein die Möglichkeit,
auf den Gang der Untersuchung einzuwirken. Auch
kann er in jeder Lage des Verfahrens, also gleich
von Beginn an, eines Verteidigers sich be-
dienen. Die Stellung des Verteidigers zum Be-
schuldigten ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt;
über des ersteren Befugnisse zur Einsicht der Akten,
Anwesenheit in den Terminen, Verkehr mit dem
verhafteten Beschuldigten u. dgl. dagegen sind be-
sondere Bestimmungen getroffen. In Fällen der
notwendigen Verteidigung wird ein Verteidiger
von Amts wegen bestellt, falls der Beschuldigte
nicht rechtzeitig selbst wählt. Der Beschuldigte kann
sich aber vollständig passiv verhalten. Er soll näm-
lich bei seiner ersten Vernehmung gefragt werden,
ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern
wolle. Er ist also nicht verpflichtet, überhaupt
etwas zu erklären, geschweige denn ein Geständnis
abzulegen oder die Wahrheit zu sagen. Es treffen
ihn sogar keine Nachteile, wenn er das Gericht
oder die Staatsanwaltschaft irre zu führen sucht,
es sei denn, daß ein solcher Versuch in einer selb-
ständig strafbaren Handlung (z. B. Verleitung
zum Meineid) bestehe. Das Geständnis hat bei
dem Grundsatz, daß die richterliche Uberzeugung
von der Schuld des Angeklagten zur Verurteilung
genügt, aber auch trotz des Geständnisses vorhan-
den sein muß, seine frühere Bedeutung völlig ein-
gebüßt. Wird nun zwar keine Mitwirkung des