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Unter der allg zeichnung Teilnahme
behandelt unser Strafgesetzbuch mehrere von-
einander recht verschiedene Fälle, in denen mehrere
zur Ausführung eines Verbrechens absichtlich zu-
sammenwirken. Dieses Zusammenwirken kann
zunächst in der Weise geschehen, daß mehrere eine
strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen.
Subjektiv muß also bei jedem die Absicht bestehen,
die Tat als seine eigne zur Vollendung zu
bringen. In solchem Fall ist Mittäterschaft vor-
handen, und jeder wird als Täter bestraft. Be-
ruht die Mittäterschaft auf vorheriger Verab-
redung, so liegt Komplott vor; ist die Verabredung
auf die Wiederholung einzelner im voraus noch
nicht bestimmter Verbrechen gerichtet, so besteht
eine Bande. — Von dem Mittäter ist der Ge-
hilfe zu unterscheiden, d. h. derjenige, der dem
Täter zur Begehung der strafbaren Handlung
durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat.
Durchaus verschieden von der Beihilfe ist die Be-
günstigung; denn diese ist keine Hilfeleistung
zur Entstehung des Verbrechens, sondern eine solche
nach dessen Vollendung, um dem Verbrecher die
aus der verbrecherischen Tat gezogenen Vorteile
zu sichern oder denselben der drohenden Strafe zu
entziehen. Die Begünstigung ist daher als ein
ganz selbständiges Verbrechen zu betrachten und
wird als solches auch von dem Strafgesetzbuch be-
handelt. — Unter den Begriff der Teilnahme im
allgemeinen fällt neben dem der Täterschaft
(physische Urheberschaft) der der intellektuellen Ur-
heberschaft. Als solcher intellektueller Urheber,
Anstifter, wird nach dem Strafgesetzbuch der-
jenige bestraft, der einen andern zu der von dem-
selben begangenen strafbaren Handlung durch Ge-
schenke oder Versprechen, durch Drohung, durch
Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch
absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines
Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich be-
stimmt hat. Die unwirksame Anstiftung ist im
allgemeinen straflos, und einen strafbaren Versuch
der Anstiftung gibt es der Regel nach nicht. Da-
von gibt es aber zwei wichtige Ausnahmen. Ein-
mal soll bei öffentlichen Aufforderungen zu
strafbaren Oandlungen Strafe eintreten, die sich
für gewisse Fälle verstärkt; sodann aber ist seit der
Novelle von 1876 jede, auch nicht öffentliche Auf-
sorderung zur Begehung eines Verbrechens im
eigentlichen Sinn oder zur Teilnahme an einem
solchen, sowie auch die Annahme einer Aufforde-
rung, ferner das Erbieten zur Begehung eines
Verbrechens im engeren Sinn, sofern die Auf-
forderung oder das Erbieten an die Gewährung
von Vorteilen irgend welcher Art geknüpft worden
sind, unter Strafe gestellt.
In den vorerörterten Fällen treffen mehrere
strasbare Handlungen verschiedener Personen zu-
sammen. Es kann jedoch der Fall eintreten, und
er tritt häufig ein, daß ein und dieselbe Person
mehrere strasbare Handlungen begeht. Das kann
in doppelter Weise geschehen: es kann ein und
Strafrecht.
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dieselbe Handlung gegen mehrere Strafgesetze ver-
stoßen (z. B. Beleidigung mehrerer Personen durch
eine Außerung), oder es werden mehrere strafbare
Handlungen von demselben Täter nacheinander
begangen. Im ersteren Fall liegt sog. Ideal-
konkurrenz von Verbrechen vor. Im letzteren
Fall kommt es nach unserem Recht darauf an, ob
die zuerst begangenen Verbrechen bereits abgeur-
teilt und die Strase zur Erledigung gelangt ist
oder nicht. Ist das nicht der Fall, so liegt sog.
Realkonkurrenz, sonst Rückfall vor. Ver-
brechenskonkurrenz und Rückfall haben nur Be-
deutung für die Strafzumessung.
JP) Ein gutes Strafrecht muß sich darüber klar
sein, welche Strafmittel es zur Erreichung des
Zwecks, die Rechtsordnung zu schützen, für die
besten hält und demnach anwenden will. Die
Strafe muß zwar ein empfindliches Übel sein, sie
darf aber nicht das sittliche Gefühl des Verbrechers
herunterdrücken. Sie soll alle Verbrecher mit
gleicher Schwere treffen, und zu diesem Zweck muß
es möglich bleiben, sie je nach Lage des einzelnen
Falls abzumessen. In ihrer Wirkung muß die
Strafe auf die Person des Verbrechers beschränkt
bleiben, und sie muß endlich so beschaffen sein, daß
sie nötigenfalls widerrufen, und daß der mit ihrer
Vollstreckung verbundene Schade im Fall eines
Irrtums nach Möglichkeit wieder gutgemacht
werden kann. Die Strafe kann in nichts anderem
als in einer Einwirkung auf die Rechtssphäre des
verbrecherischen Individuums bestehen, sich also
nur gegen Leib und Leben, Vermögen und Ehre
des Verbrechers richten. Aus dem Vorgesagten
geht hervor, daß Lebensstrafen, wenn sie über-
haupt aus Zweckmäßigkeitsgründen beibehalten
werden sollen, nur in seltenen Fällen zur Anwen-
dung gelangen sollten, und daß verstümmelnde
Strafen und körperliche Züchtigungen zu ver-
werfen sind, obgleich, was die letzteren anlangt,
bei manchen Roheitsverbrechen ersichtlich wird,
daß an dem sittlichen Gefühl des Verbrechers kaum
mehr etwas verdorben werden kann. Den Mittel-
punkt des Strafensystems müssen daher die Frei-
heits= und Geldstrafen bilden.
Diesen Standpunkt nimmt auch das Strafgesetz-
buch ein. Das Strafensystem des Strafgesetzbuchs
ist keineswegs einfach. Es umfaßt Hauptstrafen
(Todesstrafe, lebenslängliche und zeitige Zucht-
hausstrafe, zeitige Gefängnisstrafe, lebenslängliche
und zeitige Festungshaft, zeitige Haft, Geldstrafe
und Verweis) und Nebenstrafen (Ehren-
strafen, Polizeiaufsicht, Einziehung oder Un-
brauchbarmachung einzelner Gegenstände, Aus-
weisung, Uberweisung an die Landespolizeibehörde
zur bessernden Nachhaft in einem Arbeitshaus
oder einer Besserungsanstalt).
Der Richter soll das Gesetz auf den einzelnen
Straffall zur Anwendung bringen. Würde nun
ein Gesetz eine Handlung nur für strafbar erklären,
ohne aber Art und Maß der Strafe zu bestimmen,
so würde eine allzu ungleichmäßige, willkürliche