Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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A : 
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Unter der allg zeichnung Teilnahme 
behandelt unser Strafgesetzbuch mehrere von- 
einander recht verschiedene Fälle, in denen mehrere 
zur Ausführung eines Verbrechens absichtlich zu- 
sammenwirken. Dieses Zusammenwirken kann 
zunächst in der Weise geschehen, daß mehrere eine 
strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen. 
Subjektiv muß also bei jedem die Absicht bestehen, 
die Tat als seine eigne zur Vollendung zu 
bringen. In solchem Fall ist Mittäterschaft vor- 
handen, und jeder wird als Täter bestraft. Be- 
ruht die Mittäterschaft auf vorheriger Verab- 
redung, so liegt Komplott vor; ist die Verabredung 
auf die Wiederholung einzelner im voraus noch 
nicht bestimmter Verbrechen gerichtet, so besteht 
eine Bande. — Von dem Mittäter ist der Ge- 
hilfe zu unterscheiden, d. h. derjenige, der dem 
Täter zur Begehung der strafbaren Handlung 
durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat. 
Durchaus verschieden von der Beihilfe ist die Be- 
günstigung; denn diese ist keine Hilfeleistung 
zur Entstehung des Verbrechens, sondern eine solche 
nach dessen Vollendung, um dem Verbrecher die 
aus der verbrecherischen Tat gezogenen Vorteile 
zu sichern oder denselben der drohenden Strafe zu 
entziehen. Die Begünstigung ist daher als ein 
ganz selbständiges Verbrechen zu betrachten und 
wird als solches auch von dem Strafgesetzbuch be- 
handelt. — Unter den Begriff der Teilnahme im 
allgemeinen fällt neben dem der Täterschaft 
(physische Urheberschaft) der der intellektuellen Ur- 
heberschaft. Als solcher intellektueller Urheber, 
Anstifter, wird nach dem Strafgesetzbuch der- 
jenige bestraft, der einen andern zu der von dem- 
selben begangenen strafbaren Handlung durch Ge- 
schenke oder Versprechen, durch Drohung, durch 
Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch 
absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines 
Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich be- 
stimmt hat. Die unwirksame Anstiftung ist im 
allgemeinen straflos, und einen strafbaren Versuch 
der Anstiftung gibt es der Regel nach nicht. Da- 
von gibt es aber zwei wichtige Ausnahmen. Ein- 
mal soll bei öffentlichen Aufforderungen zu 
strafbaren Oandlungen Strafe eintreten, die sich 
für gewisse Fälle verstärkt; sodann aber ist seit der 
Novelle von 1876 jede, auch nicht öffentliche Auf- 
sorderung zur Begehung eines Verbrechens im 
eigentlichen Sinn oder zur Teilnahme an einem 
solchen, sowie auch die Annahme einer Aufforde- 
rung, ferner das Erbieten zur Begehung eines 
Verbrechens im engeren Sinn, sofern die Auf- 
forderung oder das Erbieten an die Gewährung 
von Vorteilen irgend welcher Art geknüpft worden 
sind, unter Strafe gestellt. 
In den vorerörterten Fällen treffen mehrere 
strasbare Handlungen verschiedener Personen zu- 
sammen. Es kann jedoch der Fall eintreten, und 
er tritt häufig ein, daß ein und dieselbe Person 
mehrere strasbare Handlungen begeht. Das kann 
in doppelter Weise geschehen: es kann ein und 
Strafrecht. 
  
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dieselbe Handlung gegen mehrere Strafgesetze ver- 
stoßen (z. B. Beleidigung mehrerer Personen durch 
eine Außerung), oder es werden mehrere strafbare 
Handlungen von demselben Täter nacheinander 
begangen. Im ersteren Fall liegt sog. Ideal- 
konkurrenz von Verbrechen vor. Im letzteren 
Fall kommt es nach unserem Recht darauf an, ob 
die zuerst begangenen Verbrechen bereits abgeur- 
teilt und die Strase zur Erledigung gelangt ist 
oder nicht. Ist das nicht der Fall, so liegt sog. 
Realkonkurrenz, sonst Rückfall vor. Ver- 
brechenskonkurrenz und Rückfall haben nur Be- 
deutung für die Strafzumessung. 
JP) Ein gutes Strafrecht muß sich darüber klar 
sein, welche Strafmittel es zur Erreichung des 
Zwecks, die Rechtsordnung zu schützen, für die 
besten hält und demnach anwenden will. Die 
Strafe muß zwar ein empfindliches Übel sein, sie 
darf aber nicht das sittliche Gefühl des Verbrechers 
herunterdrücken. Sie soll alle Verbrecher mit 
gleicher Schwere treffen, und zu diesem Zweck muß 
es möglich bleiben, sie je nach Lage des einzelnen 
Falls abzumessen. In ihrer Wirkung muß die 
Strafe auf die Person des Verbrechers beschränkt 
bleiben, und sie muß endlich so beschaffen sein, daß 
sie nötigenfalls widerrufen, und daß der mit ihrer 
Vollstreckung verbundene Schade im Fall eines 
Irrtums nach Möglichkeit wieder gutgemacht 
werden kann. Die Strafe kann in nichts anderem 
als in einer Einwirkung auf die Rechtssphäre des 
verbrecherischen Individuums bestehen, sich also 
nur gegen Leib und Leben, Vermögen und Ehre 
des Verbrechers richten. Aus dem Vorgesagten 
geht hervor, daß Lebensstrafen, wenn sie über- 
haupt aus Zweckmäßigkeitsgründen beibehalten 
werden sollen, nur in seltenen Fällen zur Anwen- 
dung gelangen sollten, und daß verstümmelnde 
Strafen und körperliche Züchtigungen zu ver- 
werfen sind, obgleich, was die letzteren anlangt, 
bei manchen Roheitsverbrechen ersichtlich wird, 
daß an dem sittlichen Gefühl des Verbrechers kaum 
mehr etwas verdorben werden kann. Den Mittel- 
punkt des Strafensystems müssen daher die Frei- 
heits= und Geldstrafen bilden. 
Diesen Standpunkt nimmt auch das Strafgesetz- 
buch ein. Das Strafensystem des Strafgesetzbuchs 
ist keineswegs einfach. Es umfaßt Hauptstrafen 
(Todesstrafe, lebenslängliche und zeitige Zucht- 
hausstrafe, zeitige Gefängnisstrafe, lebenslängliche 
und zeitige Festungshaft, zeitige Haft, Geldstrafe 
und Verweis) und Nebenstrafen (Ehren- 
strafen, Polizeiaufsicht, Einziehung oder Un- 
brauchbarmachung einzelner Gegenstände, Aus- 
weisung, Uberweisung an die Landespolizeibehörde 
zur bessernden Nachhaft in einem Arbeitshaus 
oder einer Besserungsanstalt). 
Der Richter soll das Gesetz auf den einzelnen 
Straffall zur Anwendung bringen. Würde nun 
ein Gesetz eine Handlung nur für strafbar erklären, 
ohne aber Art und Maß der Strafe zu bestimmen, 
so würde eine allzu ungleichmäßige, willkürliche
	        
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