Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Gipfel und Grundmaße hängen gleicherweise 
mit der allgemeinen Reglung des Verhältnisses 
von Staat, Religion und Kirche zusammen“ 
(Troeltsch). Für die Gründung von interkonfes- 
sionellen religionswissenschaftlichen Fakultäten hat 
sich bislang in Deutschland sehr wenig Sympathie 
gezeigt, obwohl der Nachbarstaat Holland bereits 
mit der Errichtung von Lehrstühlen für diese Di- 
sziplin innerhalb der philosophischen Fakultät vor- 
ausgegangen ist. 
5. Zusatz: Die evangelisch-theologi- 
schen Fakultäten im Deutschen Reich. 
Gegenwärtig bestehen evangelisch-theologische Fa- 
kultäten an den Universitäten Berlin, Bonn, Bres- 
lau, Göttingen, Greifswald, Halle, Kiel, Königs-= 
berg, Marburg, Erlangen, Leipzig, Tübingen, 
Heidelberg, Gießen, Jena, Rostock und Straß- 
burg (17). Die frühere sehr enge Verbindung 
der Fakultäten mit der Kirche hat sich infolge des 
Wechsels der allgemeinen kirchenpolitischen An- 
schauungen und der Verstaatlichung der Universi- 
täten dem rechtlichen Band nach gelöst. Trotzdem 
haben aber die theologischen Lehranstalten natur- 
gemäß ihren konfessionellen Charakter bewahrt, 
und die Professoren der evangelischen Theologie 
werden auch heute noch als zum ministerium 
verbi divini gehörig betrachtet (Friedberg). Die 
Stellung der Dozenten der evangelischen Theo- 
logie zur Kirchenlehre ist freier als bei den katho- 
lischen Theologen, weil die evangelische Kirche 
1) das Prinzip der freien Forschung anerkennt, 
und ihr 2) ein unfehlbares Lehramt als Organ 
der Dogmenbildung fehlt. Trotzdem wird selbst 
von den Vertretern der freiesten Nichtung inner- 
halb der evangelischen Theologie nicht geleugnet, 
daß der Lehrtätigkeit der evangelischen Theologen 
an den Staatsuniversitäten gewisse äußere 
Schranken gesetzt sind. Nach den neueren Sta- 
tuten der evangelischen Fakultäten sind die Pro- 
fessoren und Dozenten verpflichtet, „nach der 
Lehre der evangelischen Kirche die theo- 
logischen Wissenschaften zu pflegen und fort- 
zupflanzen“. Einige, besonders ältere Fakultäts- 
satzungen schreiben eine eidliche Verpflichtung auf 
die Bekenntnisschriften vor. Durch die preußische 
Kabinettsorder vom 5. Febr. 1855 ist vor der 
Anstellung der ordentlichen und außerordentlichen 
Professoren in den altpreußischen Provinzen die 
Einholung einer gutachtlichen Außerung des evan- 
gelischen Oberkirchenrats über Lehre und Be- 
kenntnis der in Aussicht genommenen Kandidaten 
vorgeschrieben. 
Literatur. W. Lexis, Die deutschen Universi- 
täten (1893); Friedr. Paulsen, Die deutschen Uni- 
versitäten u. das Universitätostudium (1902); Joh. 
Friedr. Wilh. Koch, Die preuß. Universitäten 1/I1 
(1839/40; Sammlung der Verordnungen); Leo 
Ritter Beck v. Mannagetta u. Karl v. Kelle, Die 
österr. Universitätsgesetze (1906); H. Brück, Gesch. 
der kath. Kirche im 19. Jahrh. I/IV (21902 ff)a 
Jos. Hergenröther, Universitäts- oder Seminarbil- 
dung der Geistlichen, in Chilianeum (1869) 438 ff; 
  
Thomas von Aqgquin. 
  
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J. H. Reusch, T. F. oder Seminare? (1873); J. 
Themistor, Die Bildung u. Erziehung der Geist- 
lichen (I1904); I. Friedemann, Die Bildung u. 
Erziehung der Geistlichen (1884); F. X. Kraus, 
Das Studium der Theologie sonst und jetzt 1890; 
Rektoratsrede); L. v. Hammerstein, Gedanken über 
die Vorbildung der Priester in Seminarien u. auf 
Universitäten, in Stimmen aus Maria-Laach 1 
(1900) 256 ff; J. B. Holzammer, Die Bildung des 
Klerus in kirchlichen Seminarien oder an Staats- 
universitäten (1900); F. X. Heiner, T. F. u. tri- 
dentinische Seminarien (1900); ders., Nochmals T. 
F. u. tridentinische Seminarien (21901); Seb. 
Merkle, Das Konzil von Trient u. die Univerfi- 
täten (1905, Rektoratsrede); ders., Die T.u# F. u. 
der religiöse Friede (21908); F. M. Schindler, 
Die Stellung der theol. Fakultät im Organismus 
der Universität (1904, Rektoratsrede); E. Troeltsch, 
Die Trennung von Staat u. Kirche, der staatl. Re- 
ligionsunterricht u. die T.n F. (1907, Rektorats- 
rede); A. Harnack, Die Aufgaben der T.u# F. u. die 
allg. Religionsgeschichte, in Reden u. Aufsätze II, 
161, Rektoratsrede; Graf P. v. Hoensbroech, Die 
kath.-theol. F. im Organismus der preuß. Staats- 
universitäten (1907); Jos. Sachs, Hochschulfragen 
(1910; behandelt besonders die bayr. Lyzeen); K. 
Mirbt, Die kath.-theol. Fakultät zu Marburg 
(1905); Herm. Mulert, Anti-Modernisteneid, freie 
Forschung u. T. F. (1911); Jos. Mausbach, Der 
Eid wider den Modernismus u. die theol. Wissen- 
chaft (1911); K. Braig, Der Modernismus u. die 
Freiheit der Wissenschaft (1911); Friedr. Schulte, 
Das Recht der Erteilung der Befugnis zum Lehr- 
amt der Theologie (missio ecclesiastica) nach 
der Geschichte u. dem geltenden Recht der kath. 
Kirche, in Archiv für kath. Kirchenrecht XIX (1868) 
3ff; Wilh. Kahl, Die Missio canonica zum Reli- 
gionsunterricht u. zur Lehre der Theologie an 
Schulen bzw. Universitäten nach dem Recht der kath. 
Kirche u. dem staatl. Recht in Preußen, in Deutsche 
Zeitschrift für Kirchenrecht XVIII (1908) 349; 
Herm. Mulert, Die Lehrverpflichtung in der evang. 
Kirche Deutschlands (71906). Vgl. außerdem die 
kirchenrechtl. Hand= u. Lehrbücher von Hinschius, 
Friedberg, v. Scherer u. Wernz u. das evang. 
Kirchenrecht von Paul Schoen. N. Hilling.) 
Thomas von Aguin (1225/74), der 
bedeutendste unter den mittelalterlichen Schola- 
stikern, war früh in den Dominikanerorden ge- 
treten und hatte daselbst in Albert dem Großen 
einen Lehrer und Freund gefunden. Als Schrift- 
steller weniger produktiv und vielseitig als jener, 
wußte er wie kein anderer Peripatetiker des Mittel- 
alters in den Sinn der Aristotelischen Philosophie 
einzudringen und sie geläutert und bereichert durch 
die christlichen Ideen und die Gedankenarbeit der 
christlichen Borzeit für Jahrhunderte zu neuem 
Leben zu wecken. Durch seine theologischen Schriften 
erward er sich den Ruhm und das Ansehen des 
größten Theologen der nachpatristischen Zeit. 
Den Problemen der Rechts- und Staatslehre 
steht er keineswegs fremd gegenüber. In dem 
zweiten Teil seiner theologischen Summe, einem 
umfangreichen System der christlichen Ethil, und 
zwar in den Traktaten de lege und de iustitia, 
hat er dauernd wertvolle Gedanken zur philo- 
—
	        
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