Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

461 
Ausnahme der auf die Laieneigenschaft des Thron- 
folgers bezüglichen, hinsichtlich deren Meinungs- 
verschiedenheiten bestanden, auch betreffs der Nach- 
folge in die übrigen reichsständischen Gebiete zur 
Anwendung gebracht und sind daher als ein Be- 
standteil des gemeinen deutschen Staatsrechts zu 
betrachten. Während aber die Nichtzugehörigkeit 
zum geistlichen Stand jetzt kaum noch in Betracht 
kommen wird und die aus dieser Bedingung er- 
wachsenden Schwierigkeiten jedenfalls durch päpst- 
liche Dispens beseitigt werden können, haben ältere 
und neuere Hausgesetze sowie gewisse Verfassungen 
den soeben genannten Voraussetzungen, von deren 
Erfüllung die Thronfolgefähigkeit abhängt, noch 
andere hinzugefügt, nämlich vor allem die Geburt 
aus ebenbürtiger, hausgesetzgemäßer Ehe (s. d. Art. 
Ebenbürtigkeit). Sodann kommen auch Vor- 
schriften über die Konfession des Monarchen bzw. 
des Thronfolgers vor. Es ist dies z. B. in Würt- 
temberg („Der König bekennt sich zu einer der 
christlichen Kirchen“), in Rußland, in Rumänien 
und in Bulgarien der Fall. Endlich geschieht es, 
daß Hausgesetze oder die Verfassungsurkunden ge- 
wisser Staaten den Grundsatz aussprechen, es sei 
der Besitz einer Krone mit der Regierung eines 
andern Landes nicht vereinbar, und findet sich 
dieser Grundsatz entweder für alle Fälle auf- 
gestellt oder hängt die Unvereinbarkeit des Besitzes 
eines Throns mit der Innehabung der höchsten 
Gewalt in einem andern Staat von dem Vor- 
handensein gewisser Umstände ab. So verfügt 
z. B. die bayrische Verfassungsurkunde vom Jahr 
1818, Tit. II, 86, wie folgt: „Sollte die bay- 
rische Krone nach Erlöschen des Mannsstammes 
an den Regenten einer größeren Monarchie ge- 
langen, welcher seine Residenz im Königreich 
Bayern nicht nehmen könnte oder würde, so soll 
dieselbe an den zweitgebornen Prinzen dieses 
Hauses übergehen und in dessen Linie sodann 
dieselbe Erbfolge eintreten, wie sie oben verzeichnet 
ist. Kommt aber die Krone an die Gemahlin 
eines auswärtigen größeren Monarchen, so wird 
sie zwar Königin; sie muß jedoch einen Vizekönig, 
der seine Residenz in der Hauptstadt des König- 
reichs zu nehmen hat, ernennen, und die Krone 
geht nach ihrem Ableben an ihren zweitgebornen 
Prinzen über.“ In Preußen findet sich wieder 
eine andere Bestimmung. Die Verfassung dieses 
Reichs vom Jahr 1850 enthält nämlich die folgende 
Verfügung: „Ohne Einwilligung beider Kammern 
kann der König nicht zugleich Herrscher fremder 
Reiche sein.“ Diese Bestimmung greift nun, da 
dem König von Preußen als solchem die deutsche 
Kaiserwürde zusteht, auch bezüglich des Deutschen 
Reichs Platz. Die auf die Erbfolge in die preu- 
-ische Königswürde bezüglichen gesetzlichen Vor- 
schriften sind dadurch, daß dem jeweiligen König 
von Preußen die Machtfülle des deutschen Kaiser- 
tums übertragen ist, kraft Rechts auch für die 
Besitznahme der Stellung eines deutschen Kaisers 
maßgebend geworden. 
Thronfolge. 
  
462 
Was nun insbesondere die geistige und körper- 
liche Unfähigkeit des Thronfolgers anbetrifft, so 
wurde in den Zeiten des Römischen Reichs deut- 
scher Nation gemeinrechtlich der Grundsatz fest- 
gehalten, daß eine bei Eröffnung des Throns 
schon bestehende Geistesschwäche oder Geistes- 
störung sowie ein mit der Stellung eines Regenten 
unvereinbar erscheinendes körperliches Gebrechen 
des zur Thronfolge Berufenen ihn davon aus- 
schließe mit der Folge, daß der an zweiter Stelle 
Berufene an dessen Stelle trete. Dagegen hatten 
derartige Mängel, wenn sie nur vorübergehender 
Natur zu sein schienen, diese Wirkung nicht, son- 
dern wurde in diesen Fällen eine vormundschaft- 
liche Regierung des Landes eingesetzt. Unbe- 
deutendere Gebrechen des Thronerben waren aber 
überhaupt nicht hinreichend, denselben von der 
Thronfolge oder von der selbständigen Regierung 
des Staats auszuschließen. Diese Grundsätze 
kommen auch heutzutage noch zur Anwendung, wo 
nicht ausdrücklich entgegengesetzte Bestimmungen 
getroffen worden sind. Die Auflösung des alten 
Reichsverbands und die dadurch veränderte Stel- 
lung der einzelnen Fürsten konnten diesbezüglich 
keine Anderung der Rechtsordnung zur Folge 
haben. Gewisse neuere Verfassungen haben aber 
abweichende Verfügungen getroffen, und nicht mit 
Unrecht. Es ist eben oftmals sehr schwierig, sich 
darüber klar zu werden, ob in einem gegebenen 
Fall ein Gebrechen und insbesondere eine Geistes- 
krankheit als vorübergehend anzusehen ist oder ob 
ein Leiden des Thronfolgeberechtigten eine wesent- 
liche Beeinträchtigung seiner Fähigkeit zur Re- 
gierung mit sich bringt. So haben denn z. B. 
die Verfassungen von Preußen (Verf. Urk. von 
1850, Art. 56), Bayern (Verf.Urk. von 1818, 
Tit. II, § 9. 11), Sachsen (Verf. Urk. von 1831, 
8 9) und Württemberg (Verf. Urk. von 1819, 
7§* 11 #) für den Fall geistiger oder körperlicher 
Regierungsunfähigkeit des Kronerben einfach die 
Verfügung getroffen, daß wie für einen Minder- 
jährigen eine Regentschaft zu bestellen sei. Die 
preußische Verfassung verfügt in dieser Hinsicht 
a. a. O. wie folgt. „Wenn der König minder- 
jährig oder sonst dauernd verhindert ist, selbst zu 
regieren, so übernimmtd derjenige volljährige Agnat, 
welcher der Krone am nächsten steht, die Regent- 
schaft. Er hat sofort die Kammern zu berufen, 
welche in vereinigter Sitzung über die Notwendig- 
keit der Regentschaft beschließen."“ 
Von besonderer Wichtigkeit ist die Frage, in 
welcher Reihenfolge die Blutsverwandten des mit 
dem Tod abgegangenen Herrschers zur Thronfolge 
berufen erscheinen. Es können da verschiedene 
Grundsätze zur Anwendung kommen. So viel ist 
allerdings anerkannt, daß das Verhältnis zum 
letztverstorbenen Monarchen und nicht etwa das- 
jenige zum ersten Erwerber der Krone für die 
Thronfolge maßgebend ist. Weiter besteht auch 
darin Übereinstimmung, daß in der ersten von den 
zwei Klassen der Erbfolgeberechtigten, die man
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.