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zugleich statthatte, bestand aus dem Examen (pri-
vata examinatio) und dem conventus (publica
examinatio). Der Unterricht erstreckte sich in der
Theologie besonders auf das Studium der Heiligen
Schrift und der großen systematischen Lehrgebäude
des Mittelalters; in der Jurisprudenz auf das
der Sammlungen des römischen und kanonischen
Rechts nebst den Glossatoren und Kommentatoren;
in der Medizin auf das der Werke eines Galen,
Hippokrates und ihrer arabischen Erklärer, beson-
ders des Avicenna. War der Kandidat für würdig
erklärt, so hieß er licentiatus. Der conventus,
wodurch die Doktorwürde erworben wurde, fand
manchmal nach längerer Zwischenzeit, meist in der
Domkirche, statt, in die man sich in feierlichem Zug
begab. Der Lizentiat hielt dort eine Rede und
eine Vorlesung, über welche die Scholaren gegen
ihn disputierten. Er beschwor, daß er die vor-
geschriebene Zeit studiert, die vorgeschriebene Ge-
bühr bezahlt habe und der Universität nicht zu-
wider handeln wolle. Später wurde an den
katholischen Universitäten der Eid auf das Triden=
tinum abgelegt, was in der Neuzeit beseitigt ward,
damit auch Protestanten und Juden Lehrer dieser
Universitäten werden könnten. — 1219 erteilte
der Papst Honorius III. dem Archidiakon des
Domstifts zu Bologna das Aussichtsrecht über die
Prüfung mit dem Privileg, daß bei dem großen
Angebot, zur Vermeidung von Mißbräuchen, nur
mit seiner Genehmigung die Promotion erfolgen
sollte. In Paris hatte kraft seines Amts der
Domkanzler dieses Vorrecht, und von hier aus ging
es danach auf die Kanzler aller übrigen Universi-
täten über. Der Kanzler — in der theologischen
Fakultät der Bischof — proklamierte den Lizen-
tiaten zum Doktor; nachdem dieser als Insignien
seines Grades Buch, Ring und Doktorhut emp-
fangen, wurde ihm sein Platz auf dem Katheder
angewiesen. Lizentiat und Doktor erhielten auch
ein Diplom; das älteste bekannte in Bologna
stammt aus dem Jahr 1314. Der Doktor hatte
seinerseits wieder das Promotionsrecht und die
licentia hic et ubique terrarum docendi; je
nachdem sie ausgeübt wurde oder nicht, unterschied
man legentes und non legentes. Die Kosten
der Promotion bestanden teils in Gebühren teils
in Aufwand; letzterer kam in der modernen Zeit
ganz in Wegfall. Das Geld wurde unter die Exa-
minatoren verteilt. Angesehene Personen hatten
das Privileg der unentgeltichen Promotion.
VI. Als Honorar (salarium) bezogen die
Professoren der artistischen Fakultät ursprünglich
nur die Gelder (pastus, minerval), welche die
Scholaren für die Vorlesungen bezahlen mußten;
dazu kamen die Prüfungsgebühren. Juristen und
Mediziner übten neben ihrem Lehramt in der
Stadt ihre Praxis aus und hatten außerdem wie
die Professoren der Theologie ihre zur Universität
gehörigen Pfründen. Die Forderung von Geld
für die theologischen und kirchenrechtlichen Vor-
lesungen hielt man für Simonie. Im allgemeinen
Universitäten.
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war das Einkommen der Professoren nicht groß.
Im Jahr 1279sschlossen in Bologna die Scholaren
mit Guido de Suzaria einen Vertrag, daß er ein
Jahr das Digestum novum für eine Besoldung
von 300 Lire (ca 2000 M) lese. Das scheint die
erste Veranlassung zu festen Besoldungen in Bo-
logna gewesen zu sein; in Padua wurden die
Professoren schon einige Jahre früher öffentlich
angestellt und besoldet. Doch waren die Gehälter
noch sehr gering, und infolgedessen ging manchmal
eine ganze Fakultät ein, oder es verließen die
Professoren zugleich mit den Scholaren oft die
Universität und wanderten nach einer andern Stadt
aus, wo ihnen mehr geboten wurde. An den deut-
schen Universitäten waren die Besoldungsverhält-
nisse ungleich. Noch im 15. Jahrh. genügten sie
im allgemeinen einfachen Ansprüchen; das Gehalt
schwankte zwischen 60 und 150 Goldgulden. Als
im Zeitalter der Glaubensspaltung die Universi=
täten großenteils verstaatlicht wurden, erhielten
die Professoren in allen Fakultäten Gehalt. Dieses
war eine zwar feste, aber meist unzulängliche Unter-
lage für die Lebenshaltung. Daher die häufigen
Klagen wegen des kärglichen Salariums, woraus
sich dann die privaten Nebenverdienste, ja sogar
unwürdige Nebenbeschäftigungen (als Schenkwirte
usw.) erklärten. Die Professoren waren verpflichtet,
für das Gehalt die öffentlichen Vorlesungen un-
entgeltlich zu halten. Daneben hielten sie private
Vorlesungen gegen Bezahlung; in der Folgezeit
wird dieser private Lehrbetrieb immer mehr zur
Hauptsache, die öffentlichen Gratisvorlesungen
treten in den Hintergrund.
VII. Die deutschen Aniversttäten. 1. Ge-
schichte ihrer Entstehung. Später als in
Frankreich, Italien, England und Spanien, wo
die ersten Universitäten im 12. und 13. Jahrh.
entstanden, wurden solche Lehranstalten univer-
salen Wissens in Deutschland errichtet. Wir
unterscheiden noch im Mittelalter zwei Perioden
ihrer Gründung, die erste im 14., die zweite im
15. Jahrh. Die erste Universität auf deutschem
Boden war die von Prag, welche Karl IV. in
seiner väterlichen Fürsorge für Böhmen 1848
ins Leben rief. Er kannte persönlich die Uni-
versität Paris, und weil er ihre Bedeutung und
Wirksamkeit hochschätzte, fertigte er außer für
Prag noch für mehrere Städte Stiftbriefe zur
Errichtung einer Universität aus. Die nächste
war Wien (1365), eine Gründung des Hauses
Habsburg. Die Parkeinahme der Pariser Hoch-
schule für die Gegenpäpste während des abend-
ländischen Schismas nach 1378 gab die Anregung.
auch in den westlichen Landen des deutschen Reichs
Universitäten zu gründen. So errichtete Pfalz-
graf Ruprecht I. in allen Stücken nach dem Muster
von Paris 1385 die Universität Heidelberg. In
Köln und Erfurt waren die Voraussetzungen für
ein Generalstudium besonders günstig, da im
„deutschen Rom“ von jeher Männer von außer-
ordentlicher Geistesmacht, unter ihnen Albertus