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Magnus, der doctor universalis. sein Schüler
Thomas Aquinas, der doctor angelicus, und in
der Minoritenschule Duns Scotus, mit unsterb-
lichem Lob als Lehrer tätig gewesen waren, wäh-
rend in Erfurt die Partikularschule schon fast den
Rang und Ruhm einer hohen Schule zu erwerben
verstanden hatte. Beide Universitäten erhielten
eine Errichtungsurkunde von Urban VI., Köln
1388, Erfurt 1389, und wurden gleich mit allen
Fakultäten eröffnet. Erfurt war die erste Univer-
sität Deutschlands, die von einer Gemeinde aus-
gestattet wurde. Der Nationenstreit und die husi-
tische Bewegung an der internationalen Hochschule
zu Prag seit Wenzels Regierung führten zur Aus-
wanderung der Deutschen und zur Gründung der
Universität Leipzig (1409). Am Ostseestrand kam
Rostock (1419) unter Mitwirkung der Stadt und
des Landesherrn in Aufnahme, das eine Zentral-
stelle der Wissenschaft für die deutschen Ostseeländer,
aber auch für die skandinavischen Reiche wurde.
Diese Universitäten haben die von Paris zum
Muster und sind derselben ziemlich genau nach-
gebildet. — Der Wetteifer der deutschen Fürsten
und der durch die Renaissance der klassischen Li-
teraturen und des römischen Rechts sowie durch
die Erfindung der Buchdruckerkunst in Deutschland
mächtig gesteigerte Forschungs= und Wissenstrieb
führten genau 100 Jahre nach der ersten Grün-
dungsperiode zur Anlage von neun weiteren Uni-
versitäten in den verschiedenen Teilen Deutsch-
lands. Es sind dies: Greifswald (1456), Frei-
burg (1457), Basel (1460), Ingolstadt (1472),
Trier (1473), Mainz (1477), Tübingen (1477),
Wittenberg (1502) und Frankfurt a. O. (1506).
Sämtliche waren mit reichen Studienstiftungen
ausgestattet; die vier Fakultäten waren an ihnen
gleich von Anfang an zu einer lebendigen Ein-
heit verbunden. Päpste und Landesfürsten waren
bei der Anlage von dem Gedanken geleitet, den
Pius II. in der Errichtungsurkunde für Ingol=
stadt aussprach: daß „die Perle der Wissenschaft
nicht nur überhaupt die Menschen glücklich und
gottähnlich mache, sondern auch die niedrig Ge-
bornen zur Höhe erhebe“. Voraussetzung des
Unterrichts war die allgemeine Überzeugung, daß
es erstens eine natürliche Ordnung der Wissen-
schaft gebe, die sich auf alle im Bereich der Ver-
nunft liegenden Dinge erstrecke, und zweitens eine
übernatürliche, welche die geoffenbarten Wahr-
heiten umfasse. Auf dieser Grundlage beruhte die
allgemein anerkannte und geübte Freiheit des
Lehrens und des Lernens. Die Erschließung neuer
Wissensgebiete bewirkte eine fortschreitende Erwei-
terung und Vertiefung des Wissens. Schon auf
dem Konzil zu Vienne (1312) war der Beschluß
gefaßt worden, an den alten Universitäten — zu-
erst in Paris — die orientalischen Sprachen
Universitäten.
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kultät wurde nach und nach dem neuen Bedürfnis
entsprechend umgestaltet, am frühesten im Süden
und Westen des Reichs. In der folgenden Periode
übte die neue geistige Bewegung des Humanis-
mus auch in Deutschland einen durchgreifenden
Einfluß aus. Die ausgezeichnete Wirksamkeit des
Kardinals Nikolaus von Cues und anderer geistes-
verwandter Männer brachte in den verschiedenen
Disziplinen einen ungeahnten Aufschwung.
2. Umgestaltung infolge des Huma-
nismus und der Kirchentrennung. In
der ruhigen Entwicklung und Entfaltung der deut-
schen Hochschulen trat infolge des revolutionären
Auftretens des jüngeren Humanismus und der
durch Luther hervorgerufenen kirchlich-sozialen
Umwälzung ein folgenschweres Hemmnis ein.
Jener hatte die Verweltlichung der gesamten
Wissenschaft zum Ziel, diese war anfangs über-
haupt bildungsfeindlich. In der durch Maxi-
milian I. ausgestellten Gründungsurkunde der
Universität Wittenberg machen sich bereits die
Tendenzen der Säkularisation der Wissenschaft
im Sinn des jüngeren Humanismus geltend, und
die mitteldeutschen Universitäten wurden bald ganz
dafür gewonnen; die Ostsee-Universitäten Rostock
und Greifswald schlossen sich ihnen an. Die vor-
nehmsten Professuren waren jetzt die der Poesie
und Eloquenz. Neben oder an Stelle der
Disputationen traten die declamationes ober
Redeübungen. Die griechische und klassisch-latei-
nische Sprache und Literatur traten immer mehr
in den Vordergrund; die mustergültigen Autoren
dieser Sprachen wurden zum Zweck der Nach-
ahmung in den Hochschulunterricht aufgenommen.
A#m stärksten widerstand dem allmählich ganz in
heidnischem Sinn austretenden Humanismus, der
seinen Unterricht überall zur Alleinherrschaft
bringen wollte, die Universität Köln, obwohl auch
hier neben den Vertretern der Scholastik berühmte
Humanisten lehrten und 1522 auch eine Reform
der Statuten im Sinn des neuen Missenschafts-
betriebs vorgenommen wurde; wie denn um 1520
alle deutschen Universitäten in derselben Art re-
formiert worden sind und dadurch zu Vororten
des Humanismus wurden. An manchen ward eine
fünfte Fakultät eingerichtet, z. B. in Wien und
Basel; die darin Graduierten hießen poetae
laureati. Die Summe der humanistischen Lebens-
weisheit war der auch in den Errichtungsbullen
mehrerer Universitäten ausgesprochene Satz, daß
Bildung der Weg zur Tugend und zu einem glück-
seligen Leben sei.
Nach dem Auftreten Luthers wurde die huma-
nistische Revolution überholt durch die kirchliche.
Bei Beginn der Glaubensspaltung hielten die Uni-
versitäten, außer Erfurt und Wittenberg, treu zu
Papst und Kirche. In ihrer blinden Feindschaft
(Hebräisch, Chaldäisch, Arabisch) in den Studien= gegen alles Römische erklärte die Reformation auch
plan aufzunehmen. Dieser Anregung folgten später der Wissenschaft und den alten Universitäten den
die deutschen Hochschulen, an erster Stelle unter Krieg. Diese Hochschulen wurden sowohl von
Reuchlins Einfluß Tübingen; die artistische Fa= Luther als von Melanchthon „Burgen und Schulen