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Mittel des Verkaufs der Schuldverschreibungen
an der Börse zum Tageskurs benutzen, und für
verhältnismäßig kleine Beträge kann es wohl mit
Vorteil angewendet werden. Für die Realisierung
großer, rasch zu beschaffender Summen eignet es
sich jedoch nicht, weil die Verkäufe bald den Kurs
so weit herabdrücken würden, daß sie ohne Scha-
den nicht fortgesetzt werden könnten.
Die Lösung der Aufgabe, eine Anleihe möglichst
vorteilhaft für den Staat zu stande zu bringen,
ist oft eine keineswegs leichte. Es gehört dazu
richtiges Erkennen und Beurteilen aller für die
zweckmäßigste Art der Anleihe und ihrer Begebung
in Betracht kommenden Verhältnisse und eine ge-
schickte, jedoch unlautere Mittel verschmähende Be-
handlung. Unter schwierigen Umständen kann sich
daran das Talent eines Finanzministers erproben.
Für die Tilgung einer Staatsschuld sind häufig,
wie schon bemerkt, in den Anleihebedingungen be-
stimmte Zusagen erteilt, für deren pünktliche Er-
füllung dann gesorgt werden muß. Ohne solche
Verpflichtung kann der Staat immer nach seinem
freien Ermessen durch Rückkauf seiner Schuld-
verschreibungen tilgen, außerdem aber auch, sofern
es nach der Art der Anleihe zulässig ist, durch
Kündigung von Schuldverschreibungen zur Ein-
lösung, wobei Verlosung stattfindet, wenn nicht
eine ganze Anleihe gekündigt wird. Von der
Kündigung wird man zu freier Tilgung keinen
Gebrauch machen, solang der Kurs der betreffen-
den Anleihe unter Pari, d. i. unter dem Betrag
des bei der Kündigung zu zahlenden Nominal-
kapitals, steht, da man alsdann vorteilhafter durch
Rückkauf tilgen kann. Ist der Kurs höher ge-
stiegen, so liegt es im Interesse des Staats, durch
Anwendung des Kündigungsrechts zu tilgen.
Wenn man auch den Gläubigern gegenüber
keine bestimmte Verbindlichkeit zur Tilgung über-
nommen hatte, wurde doch in manchen Staaten
durch gesetzliche Maßregel ein Tilgungsfonds
gegründet, dem man gewisse Staatseinnahmen
zuwies, oder den man mit einer festgesetzten jähr-
lichen, bei neuen Anleihen entsprechend erhöhten
Summe dotierte, und dem man auch die Zinsen
oder Renten der durch ihn eingelösten Schuld-
verschreibungen zuwachsen ließ. Indem dieser
Fonds hiernach mit immer zunehmenden Mitteln
operieren konnte, sollte so in nicht zu langer Zeit
die ganze Schuld getilgt werden. Wenn aber für
neue außerordentliche Bedürfnisse neue Schulden
zu ungünstigen Bedingungen gemacht werden
mußten, gereichten die Operalionen des Tilgungs-
sonds zum Nachteil des Staats, da die dafür
verwendeten Summen besser dazu benutzt worden
wären, den Betrag der neuen Anleihe zu vermin-
dern. Dies führte dann dazu, daß man die Do-
tation des Tilgungsfonds beschränkte oder fuspen-
dierte, oder daß man den erworbenen Schuldtitel
wieder ausgab oder endlich die Einrichtung ganz
aufhob und jedesmal bei der Feststellung des
Staatsbudgets darüber bestimmte, ob und welche
Staatsschulden.
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Summen für Tilgungen, die den Gläubigern
nicht zugesichert waren, zu verwenden seien. So
ist es z. B. in England, Frankreich und Osterreich
geschehen.
Als eine Art der Tilgung, und zwar als eine
für den Staat sehr vorteilhafte, ist auch die Re-
duktion des Zinsfußes einer bestehenden
Schuld anzusehen, da durch sie die Belastung der
Staatskasse mit dem Zinsenerfordernis ebensowohl
vermindert wird wie durch Kapitalabtragungen.
Geschieht sie mit Verletzung der übernommenen
Verbindlichkeiten gegen die Gläubiger, so gehört
sie zu den unrechtmäßigen Maßregeln, die einen
teilweisen Staatsbankrott in sich schließen. Kann
sie aber ohne solche Verletzung dadurch bewerk-
stelligt werden, daß den Gläubigern für den Fall
der Verweigerung der Zinsermäßigung gekündigt
wird und dieselben es vorziehen, die Ermäßigung
sich gefallen zu lassen, so ist dies keine ungerechte
Maßregel, vielmehr eine solche im allgemeinen
Interesse des Volks, das die Mittel zur Ver-
zinsung der Staatsschuld ausbringen muß. Das
Interesse der Gläubiger leidet allerdings dabei,
und dieses macht sich manchmal stark genug geltend,
um eine mögliche Zinsreduktion zu verhindern,
namentlich wenn die betreffenden Schuldforde-
rungen in weiten Kreisen inländischer Gläubiger
verbreitet sind, welche durch die Verminderung ge-
wohnter Einnahmen empfindlich berührt würden.
Die rechtliche Voraussetzung einer Zinsreduktion.
besteht hiernach darin, daß die Kündigung zur Ein-
lösung der Schuld nach den Anleihebedingungen
zulässig ist. Die faktische Voraussetzung für den
Erfolg ist aber, daß die Gläubiger keine ihnen
passende Gelegenheit finden, durch anderweite An-
legung der eventuell gekündigten Summen höhere
Zinsen zu beziehen als diejenigen, welche ihnen
verbleiben, wenn sie auf die Zinsreduktion ein-
gehen. Dies wird in der Regel dann der Fall
sein, wenn die vorhandenen, auch nur den niedri-
geren Zins tragenden Schuldverschreibungen des-
selben Staats, wie auch anderer, keinen schlech-
teren Kredit genießenden Staaten, den Parikurs
bereits überstiegen haben. Da indessen immer zu
erwarten ist, daß ein Teil der Gläubiger die
Kapitalheimzahlung vorziehen wird, so muß die
Regierung bereitliegende Mittel dafür besitzen oder
sich deren versichern. Oft wird den Gläubigern,
welche sich der Zinsherabsetzung fügen, noch ein
Vorteil bewilligt, bald durch eine kleine Bar-
zahlung, bald durch Fortgewährung der höheren
Zinsen auf eine kurze Zeit, bald durch eine Zu-
gabe in Schuldverschreibung, also durch Erhöhung
des Nominalkapitals. Natürlich wird dadurch die
sich ergebende Zinsenersparnis vermindert, und
wenn auch zu einer gegebenen Zeit ein solches
Opfer (Konvertierungsprämie) notwendig sein
mag, um die beabsichtigte Umwandlung des Zins-
sußes mit Erfolg durchzuführen, so gereicht es doch
nur dann zum Vorteil des Staats, wenn sein
Wert geringer ist als der Gewinn aus der ver-