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16. u. 17. Jahrh., in der Zeitschrift für allg. Ge-
schichte IV; Leopold Kist, Studium u. Studenten-
leben vor 40/50 Jahren. Ein Beitrag zur Kultur-
geschichte des 19. Jahrh. (1891); W. Fabricius,
Die Studentenorden des 18. Jahrh. (1891); Th.
Ziegler, Der deutsche Student am Ende des
19. Jahrh. (1895, 91902); W. Fabricius, Die
deutschen Korps (1898); R. Fick, Auf Deutschlands
hohen Schulen (1900); Der Hochschulstreit über
akademische Freiheit u. konfessionelle Verbindungen
(1905); A. Ruge, Kritische Betrachtung u. Dar-
stellung des deutschen Studentenlebens in seinen
Grundzügen (1906); E. Müsebeck, E. M. Arndts
Stellung zu den Reformen des studentischen Lebens
1815, 1841/43 (1909); K. Hoeber, Handbuch des
Verbands der kath. Studentenvereine (:1910); H.
Haupt, Quellen u. Darstellungen zur Geschichte der
Burschenschaft u. der deutschen Einheitsbewegung
(1910ff); Fr. Schulze u. P. Ssymank, Das deutsche
Studententum von den ältesten Zeiten bis zur
Gegenwart (1u. 21910; darin eine reiche Literatur-
angabe über alle Zweige des Univerfitätswesens).
IHoeber.]
Unterrichtswesen. (unterricht und Er-
ziehung; Schulwesen; Recht der Eltern, des Staats;
Verschiedenheit des notwendigen Maßes der Kennt-
nisse; Lernzwang und Schulzwang; Unterhaltung
der Volksschulen; Hilfsschulen; technisches Unter-
richtswesen; der Bedarf an höheren Schulen; Ver-
hältnismäßigkeit der gelehrten Berufe; die höheren
Knabenschulen; ihre Berechtigungen; Reform-
schulen; die höheren Mädchenschulen; Verstaat-
lichung des höheren Schulwesens; Einrichtung des
Schulgelds; Gefahren der Verstaatlichung.)
Das Unterrichtswesen umfaßt alle Veranstal-
tungen, die dem Unterricht dienen sollen. Der
Unterricht ist ein Teil der menschlichen Tätigkeit,
der den Zweck hat, die geistigen Güter auf die
Nachkommenschaft zu übertragen, die Jugend an
das gereifte Geschlecht zu assimilieren und damit
eine Erneuerung des Sozialkörpers herbeizuführen.
Der einzelne soll dadurch fähig gemacht werden,
die ihm in seiner Stellung im sozialen Körper auf-
erlegten Pflichten zu erfüllen und damit zugleich
sein ewiges Ziel zu erreichen. Der Unterricht
hat hierbei die Aufgabe, dasjenige Wissen zu über-
liefern, das zur Erfüllung dieser Pflichten not-
wendig ist, während es Aufgabe der Erziehung
ist, den Menschen dahin zu bringen, daß sein Wille
zur Erfüllung der Pflichten geneigt und stark ge-
nug ist. Erziehung und Unterricht stehen in steter
Wechselbeziehung, da die Erziehung als Einwir-
kung auf den Willen fortwährend des Unterrichts
bedarf und jeder Unterricht wieder auf den Willen
einwirkt oder wenigstens einwirken soll. Der Un-
terricht im eigentlichen Sinn ist diejenige Mit-
teilung eines Wissens, die nicht nur lehrt, sondern
zugleich bestrebt ist. dafür zu sorgen, daß das mit-
geteilte Wissen auch gelernt wird. In diesem Sinn
ist die Tätigkeit des Universitätslehrers für ge-
wöhnlich kein Unterrichten, sondern ein Lehren.
Doch umfaßt der Sprachgebrauch im Unterricht
auch die bloße Lehrtätigkeit.
Unterrichtswesen.
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In erster Linie ist es Aufgabe der Eltern,
ihre Kinder zu erziehen und zu unterrichten, weil
sie es sind, welche dem Kind das Leben gegeben
haben, und weil in der Familie alle Faktoren ver-
einigt sind, welche einen erziehlichen und unterricht-
lichen Erfolg erhoffen lassen. Das Kind hat ein
Recht auf die Hilfe der Eltern; ohne diese würde
es geistig und körperlich verkümmern und zugrunde
gehen. Dieser Pflicht der Eltern steht ein Er-
ziehungsrecht gegenüber, aber kein unbedingtes,
sondern ein Recht, welches abhängig ist von der
Pflicht, das Kind so zu erziehen, wie seine Be-
stimmung es verlangt. Die Bestimmung des
Kindes ist eine doppelte: eine diesseitige und eine
jenseitige. Zur Erziehung für die jenseitige Be-
stimmung ist die sittlich = religiöse Unterweisung
notwendig. Wofern die Eltern erkennen, daß die
Kirche zur Erzieherin und Lehrerin aller Menschen
in religiöser und sittlicher Beziehung berufen ist,
haben sie die Verpflichtung, die Unterweisung der
Kinder mit der Kirche in Übereinstimmung zu
bringen, indem sie ihren sittlich-religiösen Unter-
richt nach der kirchlichen Lehre einrichten oder
andernfalls ihn ganz oder zum Teil der Kirche
überlassen. Das unbedingte Recht und die un-
bedingte Pflicht zur Unterweisung in religiös-
sittlicher Beziehung leitet die Kirche ab von dem
Wort ihres Stifters: „Gehet hin in alle Welt..“
Die Bestimmung des Menschen für diese Erde
besteht wesentlich darin, daß er nicht nur ein mög-
lichst vollkommenes Einzelwesen, sondern auch ein
nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft
werde. Aus dieser Erwägung und aus der wei-
teren, daß viele Eltern ihrer Pflicht nicht genügend
nachkommen könnten, leitet der Staat für sich
das Recht ab, bei dem Unterricht und der Erziehung
mitzuwirken. Dieses Recht ist in den meisten neu-
zeitlichen Kulturstaaten zu einem staatlichen Lern-
zwang ausgebildet worden. Daß dieser heut-
zutage berechtigt ist, kann ernstlich nicht in Abrede
gestellt werden. Aufgabe des Staats ist es, für
das zeitliche Wohl der Staatsangehörigen zu
sorgen. Nun haben aber die wirtschaftlichen, so-
zialen und politischen Verhältnisse heute derart
sich entwickelt, daß jeder Staatsbürger ein gewisses
Maß von Kennnnissen besitzen muß, falls er sein
persönliches zeitliches Wohl wahren und die Ge-
ellschaft das ihr gesteckte irdische Ziel erreichen
oll. Ein Lernzwang, d. h. das Verlangen des
Staats, daß jedes Glied ein bestimmtes Maß von
Kenntnissen sich aneigne, ist daher durchaus be-
rechtigt, ja es kann Pflicht des Staats sein, für
die Erlangung dieser Kenntnisse zu sorgen, wenn
anders er die Interessen des einzelnen wie der
Gesamtheit schützen will. Weisen wir dies an den
konkreten Verhältnissen nach.
Einmal brauchen heute weite Kreise schon für
ihre wirtschaftliche Tätigkeit eine elementare Bil-
dung, die früher für sie nicht notwendig war. Die
Zahl der Kaufleute wächst und muß über die Be-
völkerungszunahme hinaus wachsen, weil der Ver-