Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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bei Generalkommissionen und Eisenbahnen, zum 
Eintritt in die Markscheiderlaufbahn bei den 
königlichen Bergbehörden, zum Bureaudienst bei 
der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung. Das 
Zeugnis der Reife für die Unterprima eines 
Nealgymnasiums oder Gymnasiums be- 
rechtigt insbesondere noch zur Zulassung zum 
Fähnrichsexamen. Das Zeugnis der Reife für 
die Oberprima eines Realgymnasiums 
oder Gymnasiume berechtigt zur Laufbahn 
als Supernumerar in der Verwaltung der in- 
direkten Steuern, zum Militärintendantursubaltern- 
dienst und zum Marineintendanturdienst. 
Zu den höheren Schulen im engeren Sinn ge- 
hören seit 1908 in Preußen, und seitdem ebenso 
in mehreren andern deutschen Bundesstaaten, auch 
die höheren Mädchenschulen; denn durch 
einen königlichen Erlaß vom 15. Aug. 1908 
wurden diese bis dahin nach dem Ministerialerlaß 
vom 31. Mai 1894 eingerichteten Lehranstalten 
dem Aufsichtskreis der Provinzialschulkollegien 
mit der Maßgabe überwiesen, daß hinsichtlich der 
Rang= und Titelverhältnisse der Direktoren und 
akademisch gebildeten Oberlehrer die für die 
höheren Lehranstalten der männlichen Jugend 
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung 
finden sollten. Hatten die preußischen höheren 
Mädchenschulen — und ebenso die der meisten 
deutschen Bundesstaaten — bis 1908 bloß neun 
Klassen, in denen in Religion, Deutsch, Fran- 
zösisch, Englisch, Rechnen, Geschichte. Erdkunde, 
Naturwissenschaften, Zeichnen, Schreiben, Hand- 
arbeit, Singen und Turnen in wöchentlich 18 bis 
22 Stunden auf der Unterstufe, 28/30 auf der 
Mittelstufe und 30 auf der Oberstufe unterrichtet 
wurde, so bauen sich nach den „Bestimmungen 
über die Neuordnung des höheren Mädchenschul- 
wesens“ vom 18. Aug. 1908 die neu organisierten 
preußischen Mädchenschulen in zehn aufsteigenden 
Unterrichtswesen. 
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bildung“, der die Berechtigungen der Obersekunda- 
reife in den Oberrealschulen für angemessen hält. 
Bis jetzt hat bloß Württemberg durch die Bestim- 
mungen vom 1. März 1907 die Abgangsprüfung 
der zehnklassigen höheren Mädchenschulen rechtlich 
der Einjährigenprüfung gleichgesetzt. 
Eine bedeutungsvolle Neuerung ist es, daß die 
preußische Mädchenschulreform auf die oberste 
Klasse der Mädchenschulen ein Lyzeum aufbaut, 
das in die sog. allgemeine Frauenschule und das 
höhere Lehrerinnenseminar zerfällt. Jene bereitet 
in einem meist zweijährigen Kursus Mädchen 
ohne feste Berufswahl auf den Hausfrau= und 
Mutterberuf vor und bietet unter Umständen auch 
Vorbereitungskurse auf das Handarbeits= und 
Haushaltungslehrerinnenexamen. Das vierklas- 
sige höhere Lehrerinnenseminar soll Lehrerinnen 
für die mittleren und höheren Mädchenschulen 
bilden. Da die alte Oberlehrerinnenprüfung vom 
Jahr 1913 ab durch das Examen pro kacultate 
docendi ersetzt wird, ist auch den Abiturientinnen 
der höheren Lehrerinnenseminare der Zugang zum 
vollgültigen Universitätsstudium zugestanden, doch 
müssen sie vor dessen Beginn zwei Jahre lang an 
einer anerkannten voll entwickelten höheren Mäd- 
chenschule unterrichtet haben. 
Der direkteste Weg zur Universität führt für 
junge Mädchen durch die zweite Anstalt, die seit 
1908 den preußischen höheren Mädchenschulen 
angegliedert ist. Das ist die sog. Studienanstalt, 
die sich in einer dreifachen Gablung (Gymnasium, 
Realgymnasium, Oberrealschule) an die vierte bzw. 
dritte Mädchenschulklasse anschließt. Nach Ab- 
schnitt B III 19 der ministeriellen Bestimmungen 
dürfen Studienanstalten nur an solchen Orten ein- 
gerichtet werden, „wo zunächst für die allgemeine 
Weiterbildung durch Einrichtung der Frauen- 
schulklassen eines Lyzeums gesorgt ist“. Man will 
durch diese Klausel offenbar eine Uberflutung der 
  
Klassen auf (X/VIII Unterstufe, VII/V Mittel- Studienanstalten durch ungeeignete Elemente ver- 
stuse, IV/I Oberstuse), deren Lehrplan mehr als hüten, damit das Gymnasialstudium der Mäd- 
der alte die verstandesbildenden Momente in den chen nicht zur Modesache wird und ein weibliches 
deutschen und den fremdsprachlichen Stunden be-Bildungsproletariat schafft. Bei den seit 1889 
tont, den naturwissenschaftlichen Unterricht in den auch in Deutschland (Berlin, Karlsruhe, Stutt- 
Klassen IV/II um die Hälfte vermehrt und für gart, Köln, Leipzig, Königsberg, Breslau, Mün- 
die Oberstufe Mathematik vorschreibt. Die Un-#shen, Frankfurt a. M., Hamburg, Schöneberg, 
terrichtsstunden wurden auf der Unter- und Mit- Charlottenburg. Straßburg, Bamberg usw.) ge- 
telstufe um eine, auf der Oberstuse um drei ver= gründeten Mädchengymnasien lag diese Gefahr 
  
mehrt. Jede dieser drei Stufen kann für sich allein 
als besondere Anstalt bestehen. Der Unterricht in. 
den wissenschaftlichen Fächern der Mittel- und 
Oberstufe muß zur Halfte oder mindestens zu 
einem Drittel von akademisch gebildeten Lehrern 
und Lehrerinnen erteilt werden. Besondere Be- 
rechtigungen sind diesen zehnklassigen höberen 
sehr nahe; sie werden durch die Studienanstalten 
in glücklicher Weise überholt, ebenso wie auch die 
nicht die besten Früchte tragende Koedukation für 
Preußen nach der Mädchenschulreform so gut wie 
gegenstandslos wird. — Auch Sachsen refor- 
mierte seine höheren Mädchenschulen 1909, und 
zwar in der Weise. daß den zehnklassigen der 
Mädchenschulen, obwohl sie im Rang der Pro= Rang der Realschulen verliehen und auf dessen 
gymnasien, Realprogymnasien und sechsklassigen siebtes Schuljabr die sechsklassige Studienanstalt, 
Realschulen stehen, bis jetzt nicht gewährt worden, auf das zehnte Schuljahr die dreiklassige Oberreal- 
werden aber überall gefordert, am nachdrücklichsten 6 schule aufgebaut wurde. — In Hessen wurde 
von dem neu gegründeten „Preußischen Zentral= 1910 ein Reformlehrplan für die höheren Mäd- 
verband für die Interessen der höheren Frauen= chenschulen eingeführt, welcher deren Ziele der
	        
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