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Oberrealschule nähert. Es wird nämlich auf der
Unterstufe der Unterricht in Naturwissenschaften
und Rechnen, auf der Oberstuse in Physik und
Chemie eingehender betrieben; die Mathematik
beginnt in der vierten Klasse. Die erfolgreiche
Absolvierung der obersten Klasse gibt die Berech-
tigung, in die Obersekunda einer Oberrealschule
einzutreten. — Den vielfach angestrebten inter-
konfessionellen Charakter der höheren Mädchen-
schulen lehnen die katholischen Reformpläne eben-
so prinzipiell ab wie die schon erwähnte Koedu-
kation.
Die höheren Schulen haben in Preußen Kor-
porationsrechte (Allgem. Landrecht 2T II, Tit. 12,
§ 54); ihr Vermögen hat die Rechte des Kirchen-
vermögens (§ 57). Die Bestallung der Lehrer
und Direktoren kommt, wo sie nicht vermöge
Stiftung oder Privileg Privaten oder Korpora-
tionen gebührt, dem Staat zu (§ 59), und ebenso
steht die Aussicht über den Unterricht und die Ver-
waltung unter der staatlichen Aufsichtsbehörde
(§ 56). Auch wenn die Anstellung der Lehrer und
Direktoren an Gymnasien usw. Privatpersonen
oder Korporationen überlassen ist, untersteht
die Einrichtung des Schulwesens, die Art des
Unterrichts, die Bestätigung und Pensionierung
der Lehrer dem Provinzialschulkollegium (8 60).
Ahnlich liegen die Verhältnisse in allen Bundes-
staaten.
Für die höheren Schulen besteht eine Schul-
pflicht nicht in demselben Sinn wie für die Volks-
schulen. Der Besuch eines Gymnasiums oder einer
andern höheren Lehranstalt ist zur Erlangung der
Unterrichtswesen.
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die Steigerung der Kosten, welche das höhere
Schulwesen verursacht. Die kleineren Städte so-
wie die weniger leistungsfähigen Berufsorgani-
sationen sind bestrebt, ihre höheren Lehranstalten
oder wenigstens die finanziellen Leistungen dem
Staat zu übertragen. Auch die Lehrer an nicht-
staatlichen Anstalten erstreben meist diese Ver-
staatlichung, weil sie den Lehrern an staatlichen
Anstalten oft wirtschaftlich nachgestellt sind. Die
Beantwortung der Frage, ob eine volle Verstaat-
lichung derselben in Bezug auf die Kosten wie die
Leitung zu billigen ist, hängt von mehreren Ge-
sichtspunkten ab. Die höheren Lehranstalten dienen
einmal dem Staat, dessen Beamte daselbst ihre
Vorbildung erhalten. Sie liefern den Kirchen die
Geistlichen und Prediger. Sie bilden für die
ganze Gesellschaft die Arzte und andere Männer
aus, welche den allgemeinen Bedürfnissen derselben
Befriedigung gewähren. Sie dienen einzelnen
Berufen, indem sie der Industrie Techniker, dem
Handel französische und englische Korrespondenten
usw. liefern, den rationellen Betrieb der Land-
wirtschaft ermöglichen usw. Zugleich nützen die
Schulen aber auch den Städten, in welche durch
die Schulen das Geld der auswärtigen Schüler
fließt, und endlich den einzelnen, welche sich mit
Hilfe der Schulen eine erwünschte Lebensstellung
verschaffen. Daraus folgt, daß der Staat nicht
allein die Kosten tragen darf, welche die höheren
Schulen verlangen, und nicht in gleicher Weise
für die verschiedenen Schulen die Kosten auf-
bringen bzw. dazu beitragen soll. Der Staat
muß zuerst Schulen unterhalten, soweit er diese
betreffenden Berechtigungen nicht erforderlich, zur Vorbildung seiner Beamten gebraucht. Dazu
wenn der Prüfling in der Endprüfung die ander-
weitig erworbene Befähigung nachweist. Es gibt
heute schon Privatanstalten, welche zum Abitu-
rientenexamen vorbereiten, und die Zukunft wird
gewiß besonders solche bringen, in welchen be-
fähigte und fleißige Schüler in kürzerer Zeit das
Ziel erreichen, als dies in öffentlichen Schulen mit
ihren vielen, zum Teil zunbefähigten Schülern
(dem Ballast) möglich ist. Für die Universitäten
ist im Gegensatz zu den Elementarschulen und den
Mittelschulen eine Umgehung der Vorlesungen
wohl kaum möglich. In der Alten Welt ist es
allgemeine Anschauung, daß für die höheren
Stände ein bestimmter Bildungsgang nötig sei;
wer ihn nicht absolviert, dem bleiben die meisten
höheren Stufen, namentlich der Beamtenlauf-
bahn, verschlossen. Amerika hat mit diesen An-
schauungen gebrochen. Dort herrscht hinsichtlich
des Bildungsgangs der Grundsatz, daß man fragt,
was einer kann, nicht aber, wo er es gelernt hat.
Die Befähigung allein ist für die Neue Welt
maßgebend.
Unsere Zeit drängt dahin, das ganze höhere
Schulwesen zu verstaatlichen. Das treibende
Element ist hier einmal der Zug der Zentrali-
sation, welcher vornehmlich eine Folge des leichten
Personen- und Gedankenverkehrs ist, und sodann
würde er natürlich viel weniger Schulen nötig
haben, als vorhanden sind. Ja wenn das Gehalt
der Beamten die Kosten der Heranbildung ersetzt,
wenn deren Tätigkeit angemessen bezahlt wird,
und wenn sich auch ohne finanzielle Sorge des
Staats für die Schulen genug tüchtige Beamte
finden, so fällt die Verpflichtung des Staats zur
Unterhaltung der Schulen von diesem ersten Ge-
sichtspunkt aus fort. Zweitens muß er die für
die ganze Gesellschaft notwendigen höheren Schulen
finanziell ganz oder teilweise unterhalten, wenn
die Gesellschaft, die Organisationen oder die ein-
zelnen, welche die Schule benutzen, dazu nicht im-
stande sind. In leistungsfähigen großen Städten
sollte deshalb der Staat nicht mehr höhere Schulen
unterhalten bzw. dieselben nicht mehr finanziell
unterstützen, als zur Heranziehung seiner für den
ganzen Staat notwendigen Beamten erforderlich
ist. Die leistungsfähigen großen Städte können
die Kosten selbst aufbringen; die höheren Lehr-
anstalten erleichtern es den Bewohnern dieser
Städte, ihre Söhne die höheren Anstalten be-
suchen zu lassen, und der Besuch auswärtiger
Schüler bringt den Bewohnern Nutzen. Die
kleineren Städte, welche selbst nicht die erforder-
lichen Geldmittel aufbringen können, müssen bei
der Errichtung städtischer Anstalten unterstützt