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(1909); Cauer, Zur Reform der Reifeprüfung
(1908); Barolin, Der Schulstaat (1909).
lHuckert-Huppert, rev. Noloff.)
Unterstützungswohnsitz. Den Gemein-
den im Deutschen Reich, mit Ausnahme von
Bayern, ist durch das unter dem 12. März 1894
und 30. Mai 1908 neu redigierte Gesetz vom
6 Juni 1870 die Verpflichtung auferlegt, auch
hörigen bei eintretender Hilfs-
loschtenn öffentliche Unterstützung zu ge-
währen (ogl. Versailler Schlußprotokoll vom
23. Nov. 1870, Ziffer III, und Bundesrats-
beschluß vom 6. Dez. 1873). Jeder Deutsche
muß (gemäß § 1 des Gesetzes über den Unter-
stützungswohnsitz) in jedem Bundesstaat be-
züglich der Art und des Maßes der im Hilfs-
bedurftigreitsfau zu gewährenden öffentlichen
Unterstützung und bezüglich des Erwerbs und
Verlusts des Unterstützungswohnsitzes als In-
länder behandelt werden. Als Organe der öffent-
lichen Unterstützung Hilfsbedürftiger dienen Orts-
armenverbände und Landarmenverbände. Erstere
können aus einer oder mehreren Gemeinden oder
aus einem oder mehreren Gutsbezirken bzw. aus
Gemeinden und Gutsbezirken zusammengesetzt
sein; letztere umfassen regelmäßig eine Mehrheit
von Ortsarmenverbänden. Auch kann ein Bundes-
staat unmittelbar die Funktionen eines Land-
armenverbands übernehmen. Armenverbände,
deren Mitgliedschaft an ein bestimmtes Glaubens=
bekenntnis gebunden ist, gelten jedoch nicht als
Armenverbände im Sinn des Gesetzes. Bezüglich
der Verfolgung ihrer Rechte stehen die Orts= und
Landarmenverbände einander gleich; ebenso steht
ein Bundesstaat, der unmittelbar die Funktionen
eines Landarmenverbands übernommen hat, in
allen durch dieses Gesetz geregelten Verhälltnissen
den Landarmenverbänden gleich. Die Zusammen-
setzung und Einrichtung der Orts-- und Land-
armenverbände,
über die Art und das Maß der zu gewährenden.
öffentlichen Unterstützungen usw. ist der landes-
gesetzlichen Reglung überlassen. Erworben wird
der Unterstützungswohnsitz durch Aufenthalt, Ver-
ehelichung oder Abstammung. Hat jemand inner-
halb eines Ortsarmenverbands nach vollendetem
16. Lebensjahr ein Jahr ununterbrochen seinen
gewöhnlichen Aufenthalt gehabt, so hat er daselbst
verjähren in zwei Jahren vom Ablauf desjenigen
den Unterstützungswohnsitz erworben.
Diese Frist läuft von dem Tag des begonnenen
Zur Kostenerstattung sind verpflichtet: der Orts-
Aufenthalts an, ruht aber während der Dauer
der von einem Armenverband gewährten öffent-
lichen Unterstützung und wird unterbrochen durch
den von einem Armenverband auf Grund des 85
des Freizügigkeitsgesetzes gestellten Antrag auf An-
erkennung der Verpflichtung zur Ubernahme eines
Hilfsbedürftigen. Die Ehefrau teilt den Unter-
stützungswohnsitz des Mannes, Witwen und rechts-
kräftig geschiedene Chefrauen behalten den bei
Auflösung der Ehe innegehabten Unterstützungs-
wohnsitz, bis sie denselben nach den Vorschriften
Unterstützungswohnsitz.
der Erlaß von Bestimmungen
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dieses Gesetzes verloren oder einen anderweitigen
in gesetzlicher Weise erworben haben. Eheliche
und ihnen gesetzlich gleichstehende Kinder teilen
den Unterstützungswohnsitz des Vaters, bis sie
denselben nach den gesetzlichen Bestimmungen ver-
loren oder einen neuen in gesetzlicher Weise er-
worben haben (88 9/18, 22/27). Ausnahmen
treten ein, wenn die Mutter den Vater überlebt
oder bei der Scheidung der Ehe. Uneheliche Kin-
der teilen den Unterstützungswohnsitz der Mutter
(§§ 19/21). Verloren geht der Unterstützungs-
wohnsitz durch Erwerbung eines anderweitigen
Unterstützungswohnsitzes und durch einjährige un-
unterbrochene Abwesenheit nach zurückgelegtem
16. Lebensjahr. Die einjährige Frist läuft von
dem Tag des Beginns der Abwesenheit an. Be-
züglich des Ruhens dieser Frist sowie ihrer Unter-
brechung gelten dieselben Bestimmungen wie beie
dem Erwerb des Unterstützungswohnsitzes. Wird
der Aufenthalt unter Umständen begonnen oder
ist die Abwesenheit durch Umstände veranlaßt,
welche die Annahme der freien Selbstbestimmung
bei der Wahl des Aufenthaltsorts ausschließen,
so läuft die einjährige Frist in beiden Fällen erst
von dem Tag des Aufhörens dieser Umstände an
(§§ 12, 24). Anstellung oder Versetzung von
Geistlichen, Beamten und Militärpersonen gilt
jedoch nicht als ein die freie Selbstbestimmung
bei der Wahl des Aufenthaltsorts ausschließender
Umstand (§ 26). Als eine Unterbrechung des
Aufenthalts gilt eine freiwillige Entfernung dann
nicht, wenn aus den Umständen, unter denen sie
erfolgte, die Absicht der Beibehaltung des Auf-
enthalts hervorgeht; ebenso wird die Rückkehr
dann nicht als eine Unterbrechung der Abwesen-
heit angesehen, wenn aus den sie begleitenden
Umständen die Absicht erhellt, den Aufenthalt
nicht dauernd fortzusetzen (§§ 13, 25). Jeder
Hilfsbedürftige muß vorläufig von demjenigen
Ortsarmenverband unterstützt werden, in dessen
Bezirk er sich bei Eintritt der Hilfsbedürftigkeit
befindet, vorbehaltlich des Anspruchs auf Erstat-
tung der Kosten bzw. auf Ubernahme des Hilfs-
» bedürftigen gegen den hierzu endgültig verpflich-
teten Armenverband nach den näheren Bestim-
mungen der §§ 29/33 des Gesetzes über den
Unterstützungswohnsitz. Auf Grund dieses Ge-
setzes erhobene Erstatlungs- und Ersatzansprüche
Jahrs ab, in welchem der Anspruch entstanden ist.
armenverband des Unterstützungswohnsitzes, wenn
der Unterstützte einen Unterstützungswohnsitz hat,
naund wenn ein solcher nicht zu ermitteln ist, der-
jenige Landarmenverband, in dessen Bezirk sich
der Hilfsbedürftige beim Eintritt der Hilfe-
bedürftigkeit befand, eventuell derjenige Land-
armenverband, aus welchem seine Einlieferung
in eine Snafg., Heil= usw. Anstalt erfolgte, aus
welcher er im hilfsbedürftigen Zustand entlassen
wurde (§§ 29, 30, 30 à). Eine Ausnahme von