Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Eintragungen in die Rolle werden öffentlich be- 
kannt gemacht. Im übrigen erläßt der Reichs- 
kanzler die Bestimmungen über die Führung dieser 
Rolle. 
Für sämtliche Bundesstaaten sollen Sachver- 
ständigen-Kammern bestehen, die verpflichtet sind, 
auf Erfordern der Gerichte und der Staatsanwalt- 
schaften Gutachten über die an sie gerichteten 
Fragen abzugeben, auch befugt sind, über Scha- 
denersatzansprüche und über Vernichtung von 
Exemplaren und Vorrichtungen auf Anrufen der 
Beteiligten als Schiedsrichter zu entscheiden. Die 
einzelnen Mitglieder sollen aber nicht ohne ihre 
und des Vorsitzenden Zustimmung von den Ge- 
richten als Sachverständige vernommen werden. 
Die Zusammensetzung und den Geschäftsgang der 
Kammern regelt der Reichskanzler. 
III. Das Arheberrecht an Werken der 
bildenden Künste und der Thotographie. 
1. Geschichtliches. Weder aus dem Altertum 
noch aus dem Mittelalter ist bekannt geworden, 
daß die Schöpfer von Werken der Malerei, der 
Zeichnung oder der Bildhauerei einen Schutz 
ihres Urheberrechts genossen, obgleich Kopien 
fremder Werke vielfach angefertigt und in den 
Handel gebracht wurden. Erst nach der Aus- 
bildung der Holzschneidekunst und des Kupfer- 
stichs trat auch das Bedürfnis nach einem Schutz 
gegen Vervielfältigung auf diesem Gebiet her- 
vor. Sovweit nicht der durch das Innungs- 
wesen gebotene Schutz genügte, wurde er seit 
etwa Mitte des 16. Jahrh. durch Privilegien 
und Nachbildungsverbote für einzelne Werke 
oder für sämtliche Werke eines Künstlers ge- 
währt. Eine allgemeine Schutzbestimmung stellte 
in Deutschland zuerst das von Feuerbach ge- 
schaffene bayrische Strafgesetzbuch von 1813 auf, 
nachdem das Preuß. Allgem. Landrecht den 
Kunstschutz auf Kupferstiche zugunsten der Ver- 
leger beschränkt, im übrigen aber mit Still- 
schweigen übergangen hatte. In Preußen kam es 
zu einem Kunstschutz erst mit dem bereits (unter 
Urheberrecht. 
  
II 1. Abs. 2) erwähnten Gesetz vom 11. Juni 
1837. Der Schutz war mehr von formeller als 
materieller Art und bedingt von der Anmeldung 
des Werks bei dem obersten Kuratorium der Künste 
vor Veräußerung des Originalwerks oder der 
ersten Kopie. Der Schutz dauerte zehn Jahre. Der 
gesetzlichen Bestimmung lag die allgemeine und 
auch weiterhin noch vorherrschend gebliebene Mei- 
nung zugrunde, daß Werke der bildenden Künste 
keinen Schutz verdienten oder wenigstens einen 
geringeren als die Werke der Literatur und der 
Tonkunst, weil die Kunstwerke als Einzelwerke 
verkauft würden und der Künstler in dem erzielten 
Preis eine ausreichende Entlohnung für seine 
Tätigkeit erhalte. Nur bei Werken, die sich zur 
Verbreitung mitlels eines Vervielfältigungsver- 
fahrens eigneten, wollte diese Meinung einen 
Rechtsschutz gelten lassen. Bundestagsbeschlüsse 
von 1837 und 1845 hatten keine besondere Be- 
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deutung. Entsprechend dem preußischen Gesetz von 
1837 behandelten dann Gesetze von Osterreich, 
Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden aus den 
1840er Jahren den Kunstschutz gemeinsam mit 
dem Literaturschutz. Das gleiche Verfahren schlug 
auch der Entwurf zu dem unter II 1 am Ende 
erwähnten Gesetz vom 11. Juni 1870 ein. Aber 
der den Kunstschutz behandelnde Abschnitt dieses 
Entwurfs wurde vom Reichstag abgelehnt, haupt- 
sächlich deshalb, weil es nicht gelang, eine Über- 
einstimmung darüber zu erzielen, in welchem Um- 
fang es gestattet sein solle, Werke der bildenden 
Künste an Industrieerzeugnissen nachzubilden bzw. 
als Muster für Industrieerzeugnisse zu benutzen. 
Es wurde vielmehr ein Sondergesetz gefordert, 
das den Kunstschutz selbständig und dergestalt 
regelt, daß dabei zugleich die berechtigten Interessen 
der Kunstindustrie entsprechende Berücksichtigung 
sänden. Der Bundesrat kam dem erst im Jahr 
1875 entgegen, und zwar in der Art, daß er unter 
dem 1. Nov. 1875 dem Reichstag Entwürfe zu 
drei Gesetzen vorlegte, und zwar betreffend 1) das 
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, 
2) das Urheberrecht an Mustern und Modellen 
und 3) den Schutz der Photographien gegen un- 
befugte Nachbildung. Mit einigen Anderungen 
wurden diese Gesetzentwürfe Gesetze vom 9. bzw. 
10. bzw. 11. Jan. 1876, alle mit Gesetzeskraft 
vom 1. Juli 1876. 
Wenn man geteilter Meinung war über die 
Notwendigkeit eines Schutzes der Werke der bilden- 
den Künste, so war man dies erst recht hinsichtlich 
der Werke der Photographie. Von dem Stand- 
punkt ausgehend, daß diese keine Kunst, sondern 
eine bloße Technik sei, wurde denn auch der Schutz 
von einigen deutschen Bundesstaaten abgelehnt, 
von andern dagegen wurde er gewährt. Von be- 
sonderer Bedeutung in dieser Beziehung war ein 
bayrisches Gesetz vom 28. Juni 1865, das auch 
Photographien, und zwar sowohl gegen mecha- 
nische Vervielfältigung wie gegen Handkopien 
schützte, sofern sie als „Werke der Kunst“ zu be- 
trachten seien. Im Reich wurde dann die Materic 
wie vorhin bemerkt geregelt, nachdem ein Entwurf 
im Jahr 1870 abgelehnt war. 
Im Jahr 1905 glaubte man die Zeit gekommen, 
den Kunstschutz und den Schutz der Photographien 
neu zu regeln. Manche Vorschriften der Gesetze 
vom 9. und 10. Jan. 1876 erschienen verallet und. 
in den in Betracht kommenden gewerblichen Ver- 
hältnissen, in der Entwicklung des Kunstlebens 
und in der Technik der Vervielfältigungsmethoden 
waren seitdem wichtige Veränderungen einge- 
treten. Deswegen wurde im November 1905 dem 
Reichstag ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die 
Maaterien jener beiden Gesetze zusammenfaßte. 
Mit geringfügigen Anderungen kam er als Gesetz. 
betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden 
Künste und der Photographie, vom 9. Jan. 
1907, mit Gesetzeskrast vom 1. Juli 1907 zu- 
stande. Das oben II 1 am Ende erwähnte Gesetz.
	        
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