Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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erlassenden Wahlgesetzen auf 4 Jahre je 1 Abgeord- 
neten auf 35 000 Einwohner und einen weiteren 
für einen Uberschuß von 15000 Einwohnern; 
auch wenn ein Staat die Einwohnerzahl von 
35.000 nicht erreicht, wählt er 1 Abgeordneten 
(nicht aber die Territorien). In diese Zahl sind 
die wilden Indianer nicht mit eingerechnet. Auf 
gleiche Weise wird die gleiche Anzahl von Stell- 
vertretern gewählt. Wählbar ist jeder 21 Jahre 
alte Venezolaner von Geburt. Spezielle Befug- 
nisse der Abgeordnetenkammer sind, alle 2 Jahre 
den Generalprokurator des Bundes und 2 Stell- 
vertreter zu wählen, den Ministern Tadelsvoten 
zu erteilen und dadurch deren Entlassung zu be- 
wirken. Für den Senat wählt die gesetzgebende 
Körperschaft jeden Staats auf 4 Jahre 2 Mit- 
glieder (und 2 Stellvertreter), die aber nicht Mit- 
glieder der Legislative des Einzelstaats sein dürfen; 
wählbar ist jeder 30 Jahre alte Venezolaner von 
Geburt. Spezielle Befugnisse des Senats sind: 
verdienten Venezolanern 25 Jahre nach ihrem 
Tod die Ehre der Beisetzung im Nationalpantheon 
zu bewilligen und zuzugeben oder zu verweigern, 
daß Bundesbeamten Geschenke, Amter, Ehren- 
erweisungen oder Belohnungen von seiten fremder 
Mächte gewährt werden. 
Die von der Verfassung garantierten Rechte 
des Volks sind die üblichen: Unverletzlichkeit 
des Lebens, Domizils und Eigentums, Schutz vor 
willkürlicher Verhaftung usw., Religions-, Ver- 
eins-, Versammlungs-, Unterrichts= und Preß- 
freiheit, Gleichheit aller vor dem Gesetz, außerdem 
Abschaffung der Todesstrafe, der Sklaverei, der 
Adelstitel usw. Als Venezolaner gelten alle im 
Staatsgebiet Gebornen und die Kinder von ve- 
nezolanischen Eltern ohne Rücksicht auf den Ge- 
burtsort, die von einem venezolanischen Vater oder 
Mutter im Ausland erzeugten oder gebornen Kin- 
der, wenn sie nach Venezuela kommen und das 
Bürgerrecht beanspruchen, sowie die Naturalisier- 
ten. — Verfassungsänderungen müssen, falls sie 
die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften 
gefunden haben, noch der Ratifikation der Einzel- 
staaten unterbreitet werden; sie gelten als ange- 
nommen, wenn drei Viertel der Staaten ihre Zu- 
stimmung gegeben haben. 
Die ausführende Gewalt liegt in den Händen 
eines „Präsidenten der Vereinigten Staaten 
von Venezuela“, dem ein Ministerium und ein 
Staatsrat zur Seite steht. Der Präsident wird 
von den vereinigten beiden Kammern innerhalb 
15 Tagen nach ihrem Zusammentritt in öffent- 
licher Sitzung auf 4 Jahre gewählt; die Abstim- 
mung ist geheim, zur Wahl genügt absolute 
Mehrheit der Abstimmenden. Der Präsident muß 
Venezolaner von Geburt, 30 Jahre alt, im Besitz 
der bürgerlichen und politischen Rechte und welt- 
lichen Standes sein und ist unmittelbar nach Ab- 
lauf seines Amtstermins nicht wieder wählbar. 
Bei zeitweiliger oder absoluter Verhinderung tritt 
an seine Stelle der Präsident des Staatsrats; 
Venezuela. 
  
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tritt die Verhinderung in den beiden ersten Jahren 
einer Legislaturperiode ein, so hat der Präsident 
des Staatsrats den Kongreß zur Wahl eines 
Stellvertreters für den Rest der Amtszeit einzu- 
berufen. Die Amtsdauer des Präsidenten endet 
mit dem 19. April des Jahrs, mit dem die Legis- 
laturperiode endigt, und die Exekutiogewalt geht 
bis zur Wahl eines neuen Präsidenten an den 
Vorsitzenden des Bundes-- und Kassationsgerichts- 
hofs über. Befugnisse des Präsidenten sind: die 
Minister zu ernennen und zu entlassen, die diplo- 
matischen Vertreter zu akkreditieren und zu emp- 
fangen, den Bundesdistrikt und die Territorien zu 
verwalten, die amtlichen an die Häupter der Einzel- 
staaten gerichteten Schreiben zu unterfertigen, den 
Oberbefehl über die Streitkräfte selbst zu führen 
oder einen Vertreter dafür zu ernennen und über 
ihre Organisation Bestimmungen zu treffen, die 
Gesetze zu publizieren und über ihre Durchführung 
zu wachen und die zur Durchführung nötigen De- 
krete und Reglements zu erlassen, den Dienst der 
öffentlichen Wege, Posten und Eisenbahnen zu 
regeln, die Beamten zu ernennen und abzusetzen, 
soweit dies nicht andern Gewalten zusteht, den 
Eintritt fremder speziell für den Dienst eines Kul- 
tus oder einer Religion bestimmten Personen zu 
verhindern (doch kann die Regierung die Zulassung 
von Missionären, die sich ausschließlich der Zivili- 
sation von Indianern widmen wollen, gestatten). 
Nach eingeholtem Nat des Staatsrats kann der 
Präsident den Kongreß zu einer außerordentlichen 
Session berufen, den Krieg im Namen der Repu- 
blik erklären, wenn ihn der Kongreß beschlossen 
hat, die Odländereien, Salinen und Bergwerke 
und die Einkünfte aus dem Branntwein verwalten, 
Verhandlungen mit fremden Mächten führen, den 
Zutritt fremder Personen in das Bundesgebiet 
untersagen oder deren Ausweisung verfügen. Nach 
erfolgter Zustimmung des Staatsrats kann der 
Präsident bei Kriegen mit dem Ausland oder bei 
innerem Aufruhr von den Einzelstaaten die nö- 
tigen Hilfsmittel für die Verteidigung verlangen, 
die Steuern im voraus erheben, Einheimische 
und Fremde, die sich der Wiederherstellung des 
Friedens widersetzen, verhaften, einschließen oder 
verbannen, die verfassungsmäßigen Rechte suspen- 
dieren (mit Ausnahme der Unverletzlichkeit des 
Lebens), bei Streitigkeiten zwischen Einzelstaaten 
seine guten Dienste anbieten und, falls dies er- 
folglos ist, die öffentliche Macht zur Herstellung 
des Friedens aufbieten, Amnestie und Strafnach- 
laß gewähren. Der Präsident hat jedes Jahr dem 
Kongreß eine Botschaft über seine Verwaltung, 
über den Zustand der Republik usw. vorzulegen, 
eventuell Vorschläge für die Gesetzgebung zu machen. 
Gesetzliche Organe des Präsidenten sind die 
Minister; alle Akte des Präsidenten bedürfen 
zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des zu- 
ständigen Ministers, der die Verantwortung über- 
nimmt. Die Minister haben alljährlich dem Kon- 
greß über ihr Ressort Bericht zu erstatten; sie
	        
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