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des Reichstags des Norddeutschen Bundes aber
wurde die Meinung laut, daß auch noch der siebte
Abschnitt politische Delikte enthalte, und der Reichs-
tag teilte offenbar diese Meinung, und ein ange-
sehener Rechtslehrer (v. Liszt) rechnet wieder nur
die fünf ersten Abschnitte hierher.
Auch die Auslieferungsverträge liefern keine
Begriffsbestimmung der politischen und der mit
ihnen in Verbindung oder im Zusammenhang
stehenden Verbrechen oder Vergehen. Sie ver-
mehren in gewissem Sinn noch die in dieser Rich-
tung bestehende Unsicherheit. Der Regel nach ver-
pflichten sich in solchen Verträgen die vertrag-
schließenden Staaten gegenseitig zur Auslieferung
solcher Personen, welche sich in dem einen auf-
halten, in dem andern aber wegen einer der im
Vertrag bezeichneten strafbaren Handlungen ver-
folgt werden oder verurteilt worden sind. Die
Aufzählung der strafbaren Handlungen, wegen
welcher die Auslieferung zugesagt wird, erfolgt
entweder nach der sog. Enumerationsmethode oder
nach der sog. Eliminationsmethode. Nach der
ersteren werden die Verbrechen bzw. Vergehen,
wegen derer Auslieferung stattfindet, einzeln auf-
gezählt; sie werden in der Regel als gemeine Ver-
brechen bzw. Vergehen bezeichnet. Sodann folgt
die Erklärung, daß wegen „politischer Verbrechen
und Vergehen“ eine Auslieferung nicht stattfinde.
Nach der zweiten Methode wird generell bestimmt,
daß wegen aller strafbaren Handlungen aus-
geliefert werde, daß aber hiervon wegen bestimmt
bezeichneter Delikte eine Ausnahme gemacht werde.
Unter diesen letzteren werden dann in fast allen
Verträgen — die russischen Verträge mit Preußen
und Bayern und des Deutschen Reichs mit dem
Kongostaat sind davon ausgenommen — die poli-
tischen Verbrechen und Vergehen genannt. In eini-
gen Verträgen werden dann die Ausnahmen wieder
ausdrücklich nach ihrer strafrechtlich-technischen Be-
zeichnung aufgeführt. Das hat aber keine Bedeu-
tung über den betreffenden Auslieferungsvertrag
hinaus, so daß damit für eine allgemeine Begriffs-
bestimmung nichts gewonnen ist. In den meisten
Verträgen findet sich dann die sog. belgische Atten-
tatsklausel, so genannt nach einem belgischen Gesetz
vom 22. März 1856, das infolge des Prozesses
Jacquin, der eines Attentats aus Napoleon III.
überführt war, erlassen wurde und sie zuerst ent-
hielt. Sie lautet: „Der Angriff gegen das Ober-
haupt einer fremden Regierung oder gegen Mit-
glieder seiner Familie soll weder als politisches
Vergehen noch als mit einem solchen in Zusammen-
hang stehend angesehen werden, wenn dieser An-
griff den Tatbestand des Todschlags, Mords oder
Giftmords bildet.“ Die deutschen Verträge seit
1874 haben alle diese Klausel aufsgenommen mit
Ausnahme derer mit Italien, England und der
Schweiz, Länder, die überhaupt sich weigern, diese
Verbrechen,
Klausel in ihre Verträge aufzunehmen. Die in
dieser Klausel bezeichneten Tatbestände würden
also, wie durch Rückschluß gesolgert werden muß,
politische.
an sich und mangels einer positiven Ausnahme-
bestimmung zu den politischen zu rechnen sein. —
Geben also die Auslieferungsverträge selbst keine
hinreichenden Anhaltspunkte, so auch nicht die an
sie anschließende Praxis, da sich insoweit über-
haupt eine feste Norm nicht gebildet zu haben
scheint, wenigstens in Deutschland nicht. Aller-
dings haben einige Staaten — unter ihnen Bel-
gien, Großbritannien, Vereinigte Staaten von
Amerika, Schweiz — ihre Grundsätze in Aus-
lieferungsangelegenheiten in sog. Auslieferungs-
gesetzen festgelegt; aber diese kommen für den inter-
nationalen Verkehr insoweit nicht in Betracht, als
sie den betreffenden Staat nur nach innen binden,
einem andern aber nicht die Grundlage für An-
sprüche gewähren. Vor allem können sie nicht dazu
dienen, einen für uns gültigen Begriff der politischen
Delikte zu konstruieren. Deutschland besitzt kein
solches Gesetz und die Aussichten auf den Er-
laß eines solchen sind gering, da den diesbezüg-
lichen Anregungen gegenüber, die schon Jahrzehnte
zurückreichen, der Bundesrat sich ablehnend ver-
halten hat.
Die Wissenschaft endlich hat sich bis heute ohn-
mächtig erwiesen, eine feste, allseitig anerkannte
Begriffsbestimmung herauszuarbeiten, oder, wie
v. Holtzendorff bemerkt, die Grenzlinie zwischen
politischen und gemeinen Verbrechen durch wissen-
schaftliche Definitionen oder durch einen allgemein
gültigen Gesetzesausdruck.estzustellen. „So
ist denn der Stand der Lehre heute der, daß die
neuesten Schriftsteller daran verzweifeln, den Be-
griff zu finden", sagt Löwenfeld. Dieser Schrift-
steller, und ähnlich Bader, gibt in erschöpfender
Weise eine Zusammenstellung dieser wissenschaft-
lichen Anschauungen über den Begriff nach ihrer
innern Zusammengehörigkeit. Danach geht eine
größere Anzahl von Schriftstellern von dem sub-
jektiven Standpunkt des Täters aus, d. h. das
Merkmal eines politischen Verbrechens soll ent-
weder, wie einige wollen, im Motiv des Täters
oder, wie andere wollen, im Zweck, den der Täter
verfolgt, zu suchen sein. Ist das Motiv bzw. der
Zweck politischer Natur, so soll das Verbrechen,
mag es sonst einen Tatbestand wie immer erfüllen,
im Gegensatz zum sog. gemeinen Verbrechen, ein
politisches sein. Worin aber der politische Charakter
des Motivs oder des Zwecks bestehe, wird nicht
mitgeteilt. Eine vielleicht noch größere Anzahl von
Schriftstellern dagegen sucht den Begriff objektiv
zu bestimmen, d. h. also nach dem Gegenstand des
verbrecherischen Angriffs. Aber hier scheiden sich
dann die Ansichten, nicht, wie eben, bloß in zwei
Gruppen, sondern fast in so viele theoretische
Einzelheiten, wie es Schriftsteller gibt, die sich
damit beschäftigen. Nach einer Ansicht sind poli-
tische Delikte „die gegen die politischen Rechts-
güter des einzelnen oder der Gesamtheit gerichteten
strafbaren Handlungen“, oder, wie derselbe Schrift-
steller (v. Lisz) ein anderes Mal, unter Berufung
auf die maßgebend gewordene Auffassung des
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