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brechen“ erst in jüngerer Zeit aufgekommen ist,
so sind doch die Tatbestände, die man darunter
zu begreifen pflegt, zu allen Zeiten und bei allen
Völkern als die schlimmsten verbrecherischen Hand-
lungen gebrandmarkt und mit den schwersten
Strafen belegt worden. Aus den Darlegungen
im Artikel Strafrecht ist ersichtlich, daß gerade
diejenigen Handlungen, welche vorstehend zu ver-
schiedenen Malen als politische Verbrechen im
eminenten Sinn bezeichnet wurden, regelmäßig
die ersten gewesen sind, welche in einem beginnen-
den staatlichen Gemeinwesen unter staatliche öffent-
liche Strafe gestellt wurden. Ist auch das Wesen
der politischen Verbrechen, die ihren Grundzug
bildende Auflehnung gegen die bestehende Staats-
ordnung, keinem Wechsel unterworfen, so wechselte
doch mit den im Lauf der Zeit wechselnden Staats-
formen, also mit ihrem Objekt, auch ihr Inhalt
und wuchs mit der weiteren Durchbildung der
Staatsformen die Mannigfaltigkeit ihrer Tat-
bestände.
Schon das altrömische Recht zur Königszeit
kannte und bestrafte den Hochverrat, perduellio,
und den Landesverrat, proditio, mit der Todes-
strafe. Mit Abschaffung der Königswürde und
Einführung der Republik erhielt der Hochverrat
ein anderes Objekt und die Strafgesetze paßten
sich der neueren Staatsform an. Die auf den
König bezüglichen Bestimmungen des bisherigen
Rechts waren gegenstandslos geworden und wur-
den durch solche ersetzt, welche die Republik und
ihre Magistrate schützen sollten. Auch zu dieser
Zeit stand auf Hochverrat und Landesverrat die
Todesstrafe und daneben die Strafe des Exils
und die aquae et ignis interdictio. In der
Kaiserperiode ging der ganze römische Staat in
der Person des Kaisers und jedes politische Ver-
brechen in dem Majestätsverbrechen, dem crimen
laesae maiestatis auf. Auch nur so ist es mög-
lich geworden, daß jede Handlung, die sich nur
irgend mit der Person des Kaisers in Bezug setzen
ließ, als politisches Verbrechen gedeutet werden
konnte, das Tragen eines Purpurkleides ebensogut
wie ein wirklicher Mordversuch an der Person des
Kaisers. Alles, was nötig war, um den fehlenden
Tatbestand eines andern Verbrechens zum Ver-
derben eines Unschuldigen zu ergänzen, ließ sich
durch die Konstruktion eines Majestätsverbrechens
erreichen. Neben Todesstrafe und Exil trat in
dieser Zeit die Güterkonfiskation und die Erb-
unfähigkeitserklärung für die Kinder der für schul-
dig Befundenen, so daß ihnen, „in steter Ent-
behrung schmachtend, der Tod eine Erlösung, das
Leben eine Qual sein sollte“. — Das altger-
manische Staatswesen war auf der militärischen
Gefolgschaft aufgebaut. Treulosigkeit und Verrat
an dieser waren daher, als unmittelbar gegen den
Bestand des Gemeinwesens gerichtet, politische
Verbrechen, mit Ehrlosigkeit und Tod bedroht und
konnten nicht im Weg des sonst üblichen Kom-
positionensystems (vgl. d. Art. Strafrecht) gefühnt
Verbrechen,
politische. 714
werden. Diese Richtung wurde noch gesteigert
mit der Ausbildung des Lehnswesens, welches
das ganze innere Staatswesen des Mittelalters
ausfüllte und beherrschte. Die Tatbestände der
politischen Verbrechen wurden hier durch Ver-
letzung der versprochenen Lehnstreue, die Felonie,
bereichert, die mit dem Verlust des Lehns bestraft
wurde. Im weiteren Verlauf der Zeit, und zwar
mit der Goldenen Bulle (1356), lebte das crimen
laesae maiestatis wieder auf, wenngleich nicht
in der oben erwähnten Ausartung. Die Bestim-
mungen darüber galten nicht bloß zugunsten des
Kaisers, sondern auch der Kurfürsten und aller
andern Landesherren. Die Peinliche Gerichts-
ordnung (1532) stellte wieder Verrätereien in
allen Beziehungen an Land, Stadt und dem
eignen Herrn — ohne Sonderstellung des Landes-
herrn —, daneben Landzwang, d. h. gewaltsame Zu-
sammenrottung, und Landfriedensbruch in erster
Linie als politische Verbrechen hin, die mit Vier-
teilen bei Männern, mit Ertränken bei Weibern
bestraft wurden. „Das Laster der beleidigten
Majestät" fand darin keine bestimmte Abgrenzung,
was zur Folge hatte, daß die Praxis, namentlich
in der nun folgenden Zeit des fürstlichen Absolu-
tismus, diesem Verbrechen, das auch mit Ver-
mögenskonfiskation bestraft werden konnte, wieder
eine ungebührliche Ausdehnung gab. Die um die
Mitte des 18. Jahrh. lebhafter einsetzende partiku-
läre Strafgesetzgebung brachte zwar eine schärfere
Unterscheidung zwischen Hoch= und Landesverrat,
aber weder eine ausreichend bestimmte Abgrenzung
dessen, was unter die Staatsverbrechen gerechnet
werden sollte, noch überall eine Abschaffung der
qualifizierten Todesstrafen. Letzteres war erst der
neueren Gesetzgebung vorbehalten, die denn auch,
vornehmlich dank der Arbeiten Feuerbachs, mehr und
mehr eine genauere Bestimmung der Tatbestände
der Staatsverbrechen einführte. — Schlimmer noch
als in Deutschland stand es in den andern Staaten
Europas, namentlich Frankreich und England, um
die Strafgesetzgebung in Ansehung der politischen
Verbrechen. Uberall unbestimmte, jeder Ausdeh-
nung und Auslegung fähige Vorschriften und die
grausamsten Strafen. Auch dort hat erst die neuere
und neueste Zeit Wandel geschaffen, bis selbst auf
die Abschaffung der Todesstrafe für alle politischen
Verbrechen.
Der Stand unserer heutigen Strafgesetzgebung
in Ansehung der politischen Verbrechen ist unter 1
bereits ausreichend klargelegt. Unser Strafgesetz-
buch kennt die politischen Verbrechen als eine be-
sondere Gattung der strafbaren Handlungen nicht;
es stellt die Merkmale für die einzelnen Tatbe-
stände der letzteren fest und überläßt es der Wissen-
schaft, erforderlichenfalls zu entscheiden, welche
davon unter den Begriff der politischen Delikte zu
bringen sind. Von praktischer Bedeutung ist also
insoweit die Feststellung des Begriffs dieser letz-
teren überhaupt nicht. Indessen verdient doch
folgendes der Erwähnung. Von allen Verbrechen,