Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Im übrigen war die Verfassung der der Einzel- 
staaten nachgebildet (Präsident, Senat, Repräsen- 
tantenhaus). Auch über die Zahl der Vertreter im 
Kongreß kam es zu einem Kompromiß: im Senat 
bekam jeder Staat zwei, im Repräsentantenhaus 
richtete sie sich nach der Bevölkerungszahl, wobei 
die Sklaven nur zu 3/ gerechnet wurden (der über- 
seeische Sklavenhandel wurde von 1808 an ver- 
boten). Am 4. März 1789 trat die Verfassung 
in Kraft und Washington sein Amt als Präsi- 
dent an. 
Die Republik war damals noch ein Kleinstaat; 
1790 zählte man erst 3 900 000 Menschen, und 
zwar größtenteils an der atlantischen Küste. 1803 
wurde Louisiana (das Gebiet zwischen Mississippi 
und Felsengebirge) von Frankreich, 1812 die 
Golfküste westlich des Mississippi und 1819 Flo- 
rida von Spanien erworben. Mit England einigte 
man sich 1818 auf den 49. Breitegrad als Grenze 
vom Wäldersee bis zum Felsengebirge, und 1846 
verlängerte man sie bis zum Stillen Ozean. Die 
Besiedlung des sehr schwach bevölkerten Westens 
durch Amerikaner begann nach der Vertreibung 
der Franzosen. Die Organisation der neuen Ge- 
biete (zuerst vom Bund verwaltete Territorien, 
bei genügender Bevölkerungszahl Bildung gleich- 
berechtigter neuer Staaten) erfolgte nach der Ohio- 
ordonnanz von 1787; bereits 1792 wurde Ken- 
tucky, 1796 Tennessee, 1802 Ohio als Staat 
aufgenommen. Der Boden gehörte auch privat- 
rechtlich dem Bund und wurde nach dem 1785 
geregelten System der Landvermessung vergeben, 
wobei viel Land für Schulen und Verkehrswege 
reserviert blieb. Die europäische Einwanderung 
(von Deutschen und Skandinaviern, bald auch 
Iren) spielte erst seit den 1830er Jahren eine er- 
hebliche Rolle. Der wirtschaftliche Gegensatz zwi- 
schen Norden und Süden bestand auch im Westen; 
neben den Farmen des Nordens standen bis Ar- 
kansas herauf die Plantagen des Südens, der in 
der Baumwolle ein neues, bald weit überwiegendes 
Produkt gewonnen hatte. Bei der Besiedlung des 
fernen Westens, des durch das Abkommen mit 
England von 1846 und den Frieden von Guade- 
lupe Hidalgo mit Mexiko 1848 gewonnenen Ge- 
biets, standen die Mineralschätze im Vordergrund. 
So wurde die Union das größte Produktionsland 
für Lebensmittel und Rohstoffe; der Westen und 
Süden, der Weizen, Mais, Baumwolle, Kohle, 
Eisen, Kupfer in Fülle lieferte, wurde Grundlage 
und Markt für die Industrie des Nordostens, wo 
namentlich Neuengland zu einem großen Industrie- 
revier heranwuchs. Schon 1823, als die Botschaft 
des Präsidenten Monroe eine Einmischung Euro- 
pas in die innern Angelegenheiten amerikanischer 
Staaten abwies, konnte sich die Union als Vor- 
macht Amerikas und als Großmacht betrachten. 
Die neuen Staaten des Westens halten von 
Anfang an ganz demokratische Einrichtungen, all- 
gemeines Wahlrecht, Wahl der Richter, Verteilung 
der Wahlkreise nach der Bevölkerungsziffer, serner, 
  
Vereinigte Staaten. 720 
wie bei der Menge der Sekten nicht anders mög- 
lich war, Trennung von Kirche und Staat. Letz- 
tere hatte von jeher in Rhode Island und Penn- 
sylvanien bestanden und drang jetzt überall durch, 
zuletzt in Massachusetts 1833. Mit der Wahl 
Jacksons 1828 kam die Demokratie auch im Bund 
zum Sieg, zugleich aber auch der verhängnisvolle 
Grundsatz des Beamtenwechsels nach der politischen 
Stellung; die Folge war, daß nicht mehr die 
Fähigkeit, sondern die Parteizugehörigkeit des 
Kandidaten den Ausschlag gab und viele Elemente 
sich der Politik zuwandten, um zu Amtern zu 
kommen. Seit den 1830er Jahren bildeten sich 
neue Parteigegensätze heraus, in denen die parti- 
kularistische Richtung wieder auflebte. Die Demo- 
kraten kamen unter Führung Calhouns auf den 
Grundsatz der Staatensouveränität zurück, wäh- 
rend die neue Partei der Whigs vielfach den Ideen 
der alten Föderalisten anhingen; erstere vertraten 
dabei die Interessen des Südens, letztere die des 
Nordens. Der Ausgangspunkt des Streits war 
die Zollpolitik. 1816 war man, um die Industrie 
Neuenglands gegen die englische Konkurrenz zu 
schützen, zum Schutzzoll übergegangen, der die nur 
an der Ausfuhr interessierten Südstaaten belastete. 
Der erhöhte Tarif von 1828 wurde von Süd- 
carolina nicht anerkannt, und die von diesem 
Staat vertretene Auffassung von der Souveräni- 
lät der Einzelstaaten und ihrem Recht, die Bundes- 
gesetze zu nullifizieren, gewann solchen Anhang, 
daß der Tarif 1832 aufgehoben wurde. In der- 
selben Richtung wie die Handelspolitik wirkte die 
Sklavenfrage; die Sklaven haltenden Südstaaten 
wurden angesichts des Fortschritts der abolitioni- 
stischen Bewegung Partikularisten aus Furcht, der 
Bund möchte ihre hergebrachte Wirtschaftspolitik 
aufheben. Um wenigstens im Senat nicht über- 
stimmt zu werden, suchten sie im Westen möglichst 
viel neue Staaten zu gründen, wo das Missouri- 
kompromiß von 1820 für neue Staaten 36° 30“ 
un. Br. als Nordgrenze der Sklaverei festgesetzt 
hatte. Die expansive Politik der Südstaaten hatte 
auch die Annexion von Texas 1845 und den 
Krieg mit Mexiko zur Folge, das 1848 noch Neu- 
mexiko, Arizona und Kalifornien verlor. Der 
Bruch des Missourikompromisses durch die Kansas-= 
Nebraska-Bill 1854 und die gewaltsame Ein- 
führung der Sklaverei in Kansas hatte hier 
einen förmlichen Bürgerkrieg und im ganzen Nor- 
den die Bildung einer neuen Partei, der entschie- 
den sklavenfeindlichen republikanischen Partei, zur 
Folge. Anderseits wurden die Demokraten jetzt 
Vertreter der Sklaverei. Als nach jahrzehntelanger 
Vorherrschaft des Südens und der Demokraten 
bei der Präsidentenwahl 1860 der Norden und 
die Republikaner siegten, erklärten 11 von den 15 
Sklaven haltenden Staaten ihren Austritt aus der 
Union und schlossen einen neuen Bund, die „Kon- 
föderierten Staaten von Amerika“, in deren Ver- 
fassung Schutzzölle und Eingriffe des Bunds in 
der Sklavenfrage verboten waren.
	        
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