Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Boden der Union verpflanzt worden, bis ein eng- 
lisches Gesetz 1807 den Sklavenhandel verbot, so 
daß bei der Macht der englischen Marine nur noch 
ein unbedeutender Schmuggel in Negersklaven von 
den Antillen her stattfinden konnte. An Wachs- 
tum hat die Negerbevölkerung gleichen Schritt mit 
der weißen gehalten, ja sie insofern übertroffen, 
als bei ihnen keine Einwanderung stattfand. 1900 
bildeten sie 11,6% der Einwohner; die Haupt- 
sitze der Neger (zu denen von den Amerikanern 
auch alle Mischlinge zwischen Negern und Weißen 
gerechnet werden, wenn auch der Anteil des Neger- 
bluts noch so geringfügig ist), ist der Süden. In 
Südcarolina und Mississippi bilden sie über, in 
Georgia, Florida, Alabama und Louisiana nahe- 
zu die Hälfte der Bevölkerung, in den andern 
Südstaaten stattliche Minderheiten. In politi- 
scher und sozialer Beziehung sind sie von den 
weißen Amerikanern durch eine weite Kluft ge- 
trennt. Obwohl sie nach der Bundesverfassung 
das gleiche Recht wie die übrigen Bürger besitzen 
sollten und der 15. Zusatzartikel zur Verfassung 
ausdrücklich verbietet, die Neger als solche des 
Stimmrechts zu berauben, so hat man es doch in 
den Südstaaten verstanden, die Neger auf alle 
mögliche Weise, durch List, Einschüchterung, durch 
offene Gewalt usw. von der Ausübung politischer 
Rechte fernzuhalten. Da die Wahlgesetze für den 
Kongreß sowie für die Legislaturen der Einzel- 
staaten von diesen selbst erlassen werden (s. Ab- 
schnitt III), knüpfte man in den meisten Süd- 
staaten die Wahlberechtigung an bestimmte Be- 
dingungen, wie Kenntnis des Lesens und Schreibens, 
Zahlung von Steuern, Abstammung von Per- 
sonen, die vor dem 1. Jan. 1867 das Wahlrecht 
gehabt hatten (die sog. Großvaterklausel), selbst 
an den „guten Charakter und das Verständnis 
der Rechte und Pflichten eines Bürgers unter 
einer republikanischen Regierungsform“. In so- 
zialer Beziehung herrscht in den Südstaaten die 
schärfste Trennung zwischen Negern und Weißen: 
Ehen zwischen Weißen und Negern sind verboten, 
die Rassen sind in Schulen und Kirchen, Gast-, 
Kranken= und Armenhäusern, in Eisen= und 
Straßenbahnwagen voneinander getrennt; Ver- 
weigerung des gleichen Rechtsschutzes für Neger 
wie für die Weißen und Lynchgerichte sind in 
manchen Gegenden häufig und selbst Massenmorde 
von Schwarzen sind vorgekommen. 
Die Zahl der Indianer, der Urbevölkerung 
des Landes, die infolge der beständigen Kämpfe 
mit den Weißen und der Unsähigkeit, sich der 
europäischen Kultur anzupassen, stark zusammen- 
geschmolzen ist, betrug 1900: 266 760 und wird 
jetzt auf 291600 geschätzt. Die Indianer sind 
seit den 1830er Jahren in bestimmten Bezirken, 
den sog. Reservationen (jetzt noch an 55,83 Mill. 
Acres), angesiedelt worden, wo sie in Stammes- 
verbänden unter Aufsicht von Bundesbeamten 
lebten und zum großen Teil aus Mitteln der 
  
Union erhalten wurden; später wurden die Reser- 
Vereinigte Staaten. 
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vationen zum Teil der Besiedlung durch Weiße 
geöffnet. Die Dawesbill von 1887 bestimmt, daß 
die Indianer allmählich Land als Privateigentum 
erhalten und dann amerikanische Bürger werden 
können; seitdem sind viele Reservationen aufgeteilt 
und zahlreiche Stammesverbände aufgelöst, ein 
großer Teil der Indianer selbständige Grund- 
eigentümer und amerikanische Bürger geworden, 
während andere noch wie früher in Stammes- 
verbänden auf den Reservationen leben. Diese 
gelten als Schutzbefohlene der Union und ihr 
Verhältnis zu dieser wird nur durch Gesetze des 
Kongresses geregelt. 
Die Chinesen (1900: 119050) sind erst 
seit den 1850er Jahren nach Amerika gekommen, 
hauptsächlich als Arbeiter in den kalifornischen 
Goldbergwerken und beim Bau von Eisenbahnen. 
Als auch weiße Arbeiter nach Kalifornien kamen 
und von den Chinesen unterboten wurden, begann 
eine heftige Agitation gegen letztere, die zur Folge 
hatte, daß der Kongreß 1882 durch ein Gesetz die 
Einwanderung chinesischer Arbeiter auf 10 Jahre 
verbot; das Verbot wurde 1892 auf 10 Jahre, 
1902 auf unbestimmte Zeit erneuert. — Die 
Zahl der Japaner (1900: 85 986) hat sich 
seither stark vermehrt; auch gegen sie hatte in 
Kalifornien eine heftige Agitation eingesetzt, doch 
hat die Union es nicht gewagt, ein direktes Ver- 
bot der japanischen Einwanderung zu erlassen, und 
nur erreicht, daß Japan die Auswanderung von 
Kulis einschränkte und im Handelsvertrag vom 
Febr. 1911 zusicherte, diese Einschränkung auf- 
recht zu halten. 
An dem raschen Wachstum der Bevölkerung der 
Vereinigten Staaten hat die Einwanderung 
einen bedeutenden Anteil. Eine staatliche Statistik 
darüber besteht seit 1821. Von diesem Jahr bis 
1910 einschließlich sind 28 223 930 Personen in 
die Vereinigten Staaten eingewandert. Bereits 
im Jahrzehnt 1841/50 erreichte die Zahl der 
Einwanderer über 1½ Mill. (1713251), aber 
erst seit den 1850er Jahren begann der starke Zu- 
strom, der nur im Jahrzehnt des Sezessionskrieges 
einen Rückgang aufwies (1851/60: 2598 214, 
1861/70: 2314 824, 1871/80: 2 812 191), 
1881/90 auf 52466138 Personen anstieg, 1891 
bis 1900 auf 3 844 420 fiel, um wieder gewaltig 
zu steigen (1901/10: 8951 853). Nach der Na- 
tionalität verteilt sich die Einwanderung der Jahre 
1821/1909 folgendermaßen: Großbritannien 
7747325, Deutschland 5 358 265, Osterreich- 
AUngarn 2918 064, Italien 2 874542, Euro- 
päisches Rußland 2329109, Schweden und 
Norwegen 1 649 730, Frankreich 468 348, Däne- 
mark 253 488, Schweiz 235 807, Niederlande 
173 418, Spanien und Porlugal 158 725, 
Griechenland 157627, Belgien 100 288, Türkei 
97 622, übriges Europa 82 954, China 332 458, 
Japan 153 932, übriges Asien 271 869, Afrika 
83950, Britisch-Amerika 1172 177, Westindien 
223 709, Mexiko 58 928, Zentralamerika 10 136, 
 
	        
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