Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

745 
scheinigung versehen und versiegelt, nach der 
Bundeshauptstadt an den Senatspräsidenten ge- 
sandt; dieser öffnet am zweiten Montag im darauf- 
folgenden Januar in Gegenwart des Senats und 
des Repräsentantenhauses die versiegelten Beschei- 
nigungen, worauf die Stimmen gezählt werden. 
Wer die größte Zahl der für den Präsidenten 
bzw. Vizepräsidenten abgegebenen Stimmen er- 
halten hat, ist gewählt, wenn diese Zahl die Mehr- 
heit aller aufgestellten Wahlmänner umfaßt. Hat 
niemand die Mehrheit erlangt, so wird der Präsi- 
dent unter bestimmten Formalitäten von dem 
Repräsentantenhaus, der Vizepräsident von dem 
Senat gewählt (doch ist der Kongreß bisher nur 
zweimal in die Lage gekommen, die Wahl vor- 
nehmen zu müssen: 1825 wählte das Repräsen- 
tantenhaus J. O. Adams zum Präsidenten, 1837 
der Senat R. M. Johnson zum Vizepräsidenten). 
Die Wahlmänner sollen ihre Stimme nach freiem 
Ermessen abgeben; faktisch aber sind sie auf einen 
bestimmten Parteikandidaten verpflichtet, und es 
hat noch kein Wahlmann je nach eignem Gut- 
dünken abgestimmt. Die Kandidaten für die Prä- 
sidenten- und Vizepräsidentenwürde werden von 
den Parteien auf sog. Nationalkonventionen nomi- 
niert, die keinerlei rechtliche Existenz haben und 
deren Mitglieder ohne jede gesetzliche Kontrolle 
erwählt werden; diese Nationalkonventionen ver- 
treten weniger die große Masse der Partei als 
vielmehr die professionellen Politiker. 
Zum Präsidenten und Vizepräsidenten ist jede 
männliche, als amerikanischer Bürger geborne Per- 
son wählbar, die das 35. Lebensjahr zur Zeit der 
Wahl vollendet hat, seit 14 Jahren, von der 
Wahl zurückgerechnet, in den Vereinigten Staaten 
wohnt und nicht durch Urteil des Senats die 
Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Unionsämter 
verloren hat. Der Präsident und Vizepräsident 
sind nach Ablauf ihrer Amtszeit wieder wählbar, 
doch ist es üblich, daß dieselbe Person nur noch 
einmal zur Wahl gestellt und gewählt wird. Wenn 
der Präsident von seinem Amt entfernt wird, stirbt 
oder zurücktritt oder unfähig wird, sein Amt zu 
versehen, so geht dieses auf den Vizepräsidenten 
über; falls auch dieser verhindert ist, so wird der 
Präsident nach einem Gesetz von 1886 in folgen- 
der Reihenfolge vertreten: Staatssekretär, Sekre- 
tär des Schatzes, des Kriegs, der Marine, des 
Innern. Der Vertreter des Präsidenten hat die 
gleichen Rechte und Pflichten wie dieser; er führt 
die Vertretung, bis entweder der Behinderungs- 
grund gehoben ist oder bis zu dem 4. März, an 
dem die Amtszeit des Präsidenten von selbst ab- 
gelaufen sein würde. Der Präsident erhält eine 
Entschädigung (jetzt 75.000 Dollar), die während 
seiner Amtszeit weder erhöht noch verringert wer- 
den kann. Solange der Präsident im Amt ist, darf 
er weder von der Union noch von einem einzelnen 
Staat irgendwelche Nebeneinkünfte beziehen. Von 
seinem Amt kann der Präsident nur wegen be- 
sonders schwerer Vergehen auf eine Anklage des 
Vereinigte Staaten. 
  
746 
Repräsentantenhauses hin durch einen mit Zwei- 
drittelmehrheit erfolgten Beschluß des Senats ent- 
fernt werden. Vor seinem Amtsantritt leistet der 
Präsident einen Eid, sein Amt gewissenhaft aus- 
zuüben und die Verfassung der Vereinigten Staa- 
ten nach bestem Können beobachten, schützen und 
verteidigen zu wollen. Sitz des Präsidenten ist das 
gewöhnlich „Weißes Haus“ genannte Executive 
Mansion in Washington. 
Befugnisse des Präsidenten. Der 
Präsident ist der oberste Befehlshaber der Streit- 
kräste der Union zu Wasser und zu Land und 
der Miliz der Einzelstaaten, falls sie zur Dienst- 
leistung für die Union einberufen sind (er führt 
aber den Oberbefehl in der Regel nicht per- 
sönlich); er kann von dem leitenden Beamten 
jeder Abteilung über jeden auf die Obliegen- 
heiten der betreffenden Amter bezüglichen Gegen- 
stand eine schriftliche Außerung einfordern (ohne 
aber an die Außerung gebunden zu sein); er 
hat das Recht, wegen strafbarer Handlungen 
gegen die Union Strafausschub zu gewähren 
und zu begnadigen (außer bei einem impeach- 
ment), unter Beirat und mit Zustimmung von 
Zweidritteln der anwesenden Senatoren Ver- 
träge zu schließen (falls zur Durchführung dieser 
Verträge Geldmittel notwendig sind, muß die Zu- 
stimmung des ganzen Kongresses durch ein Gesetz 
erfolgen); er hat das Recht, unter Beirat und mit 
Zustimmung des Senats Botschafter und andere 
diplomatische Beamte, die Richter des höchsten 
Gerichtshofs und alle andern Beamten der Union 
zu ernennen, soweit die Verfassung keine andere 
Ernennungsweise vorsieht. Der Kongreß kann das 
Recht, die unteren Beamten zu ernennen, durch 
Gesetz dem Präsidenten allein oder den Gerichts- 
höfen oder den leitenden Beamten der einzelnen 
Abteilungen übertragen; während der Senat nicht 
versammelt ist, kann der Präsident alle frei werden- 
den Stellen vorläufig besetzen, muß aber bis zum 
Ende der nächsten Session des Senats dessen Zu- 
stimmung einholen oder einen neuen Vorschlag 
machen. Der Präsident gibt dem Kongreß von 
Zeit zu Zeit (dem Herkommen nach in jedem Jahr 
bei Zusammentreten des Kongresses im Dezember) 
über die Lage der Union Auskunft; er empfiehlt 
seiner Erwägung die Maßregeln, die er für not- 
wendig und nützlich hält. Er kann bei außer- 
ordentlichen Gelegenheiten beide Häuser des Kon- 
gresses oder eines von ihnen berufen und bei einer 
Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen über die 
Zeit der Vertagung den Kongreß auf so lange 
vertagen, als es ihm nützlich erscheint; er kann 
Botschafter und andere diplomatische Beamte 
empfangen. Der Präsident hat dafür Sorge zu 
tragen, daß die Gesetze ordnungsgemäß vollzogen 
werden. Gegenüber der Gesetzgebung des Kon- 
gresses hat der Präsident nur ein aufschiebendes 
Vetorecht. Er kann zwar einen vom Kongreß an- 
genommenen Gesetzentwurf mit seinen Einwen- 
dungen innerhalb zehn Tagen, nachdem er ihm
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.