Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

749 
ausgearbeiteten Verfassungen erst noch die Zu- 
stimmung des Kongresses finden (woran kaum zu 
zweifeln ist), bevor die Proklamation der Auf- 
nahme erfolgt. Es bleiben daher nur die Terri- 
torien Alaska und Hawaii, denen von manchen 
auch Porto Rico zugerechnet wird. Alaska wird 
direkt vom Kongreß regiert; die lokale Verwal- 
tung führt ein vom Unionspräsidenten auf vier 
Jahre ernannter Gouverneur, dem ein Sekretär, 
ein Surveyor-General und andere ebenfalls vom 
Unionspräsidenten ernannte Beamte beigegeben 
sind; eine gesetzgebende Versammlung existiert 
nicht. In Hawaii besteht eine Legislatur aus 
zwei Häusern; der Senat wird auf vier, das 
Repräsentantenhaus auf zwei Jahre vom Volk 
erwählt, der Gouverneur und die Sekretäre da- 
gegen werden vom Unionspräsidenten auf vier 
Jahre ernannt. Im Kongreß ist Hawai durch 
einen Delegierten vertreten, der aber kein Stimm- 
recht hat. Uber Porto Nico und die Kolonien 
s. unten Sp. 771f. 
Eine besondere Stellung in den Vereinigten 
Staaten nimmt der District of Columbia 
ein, der Sitz der Bundesregierung, d. h. die Stadt 
Washington mit ihrer weiteren Umgebung. Dieser 
hat keine gesetzgebende Körperschaft, vielmehr wird 
die Gesetzgebung und Jurisdiktion über ihn von 
dem Kongreß ausgeübt; die Verwaltung geschieht 
durch drei vom Präsidenten auf drei Jahre mit 
Zustimmung des Senats ernannte Kommissare, 
von denen zwei seit drei Jahren vor der Ernen- 
nung Bewohner des Distrikts sein und eine bürger- 
liche Beschäftigung haben müssen, während der 
dritte meist aus den höheren Offizieren des In- 
genieurkorps der Unionsarmee entnommen wird. 
Der Distrikt hat kein Recht, an den Wahlen des 
Unionspräsidenten und des Kongresses teilzu- 
nehmen, auch keine Vertretung im Kongreß. 
Die Einheit der lokalen Selbstverwal- 
tung ist die ländliche town oder township, d. h. 
ein Bezirk von etwa 4 bis 6 englischen Quadrat- 
meilen. Die township hat Selbstverwaltung für 
alle lokalen Angelegenheiten; über diese wird in 
einer öfter im Jahr nach Bedarf zusammen- 
tretenden Volksversammlung (town meeting) ver- 
handelt und beschlossen, an der jeder nach dem Ge- 
setz des betreffenden Staats wahlberechtigte Bürger 
Teilnahme hat. Rechte und Pflichten der town- 
ship sind Erhebung von Steuern, Unterhaltung 
von öffentlichen Wegen und Brücken, Polizei, 
Armenpflege- und Schulwesen, Leitung der Wahlen. 
Die Beamten der township werden in geheimer 
Wahl auf ein oder mehrere Jahre gewählt. — 
In den Städten ist die township-Verwaltung 
durch die Stadtverwaltung ersetzt, die sehr ver- 
schieden organisiert ist; meist stehen an der Spitze 
der Stadt ein Bürgermeister (Mayor), Stadträte 
(Aldermen) und Stadtverordnete (Council oder 
Common Counecil), bie alle vom Volk gewählt 
werden. In etwa 100 Städten sind gegenwärtig 
Initiative und Referendum eingeführt, letzteres 
Vereinigte Staaten. 
  
750 
besonders über die Verleihungen von Gerecht- 
samen für den Betrieb von Straßenbahnen, von 
Gas= und elektrischen Anlagen, über die Auf- 
nahme von Anleihen usw. In den großen und 
mittleren Städten ist das Regiment der Parteien, 
die Belohnung der Parteipolitiker mit gut be- 
zahlten städtischen Amtern und die Verbindung 
der Parteien mit den Erwerbsgesellschaften am 
meisten ausgebildet. Um den damit verknüpften 
Mißständen entgegenzuwirken, hat sich vielfach eine 
neue Verwaltungsform eingebürgert, die sog. Kom- 
missionsregierung: Bürgermeister, Stadträte und 
andere Wahlämter werden abgeschafft und die 
Bürger wählen auf bestimmte Zeit eine mit weit- 
gehenden Befugnissen ausgestattete Kommission, 
welche die volle Leitung des Gemeinwesens zu be- 
sorgen hat. 
Eine mehr oder minder große Anzahl von 
townships bilden ein county, „Grafschaft“ (in 
Louisiana parish genannt), die oft eine sehr be- 
trächtliche Größe haben. An der Spitze steht ein 
Board of County Commissioners oder Super- 
visors; seine Besugnisse erstrecken sich im allge- 
meinen auf Wege, Brücken, auf alles, was sich 
auf Steuern und auf die Verausgabung von Gel- 
dern für Countyzwecke, auf innere Verbesserung 
u. dgl. bezieht, vielfach auch auf die Oberaufsicht 
über Schulen, Wohltätigkeits= und Strafanstalten; 
er kann Steuern und Umlagen erheben, Schulden 
kontrahieren, Grundeigentum erwerben und ver- 
äußern, Reglements erlassen und ihre Verletzung 
bestrafen, Kontrakte abschließen, Prozesse führen 
u#sw. Die Countybeamten werden in der Regel 
auf ziemlich kurze Zeit vom Volk gewählt, in 
einigen Staaten vom Gouverneur ernannt. Der 
örtliche Mittelpunkt der County heißt County 
Seat; jedes County hat ein eignes Gericht (mit 
ziemlich beschränkter Zuständigkeit) und eignes 
Gefängnis. Die Exekutivgewalt des Staats im 
County repräsentiert der Sheriff, der für die Er- 
haltung des öffentlichen Friedens sorgt, die Be- 
fehle der Gerichte vollstreckt, die Verhaftungen voll- 
zieht und die Direktion des Gefängnisses hat. — 
In den Südstaaten ist das County die Einheit der 
Lokalverwaltung und nur für Schul= oder andere 
spezielle Zwecke wird es in Unterabteilungen zer- 
legt, in den mittleren und nordwestlichen Staaten 
kommen beide Formen der Munizipalverwaltung 
(township und county) gemischt vor. 
V. Rechtspflege. Die Vereinigten Staaten 
haben ihrem Charakter als Föderativrepublik ent- 
sprechend ein duales Rechts= und Gerichtssystem, 
eines für den ganzen Bund und eines für die 
Einzelstaaten, die in Straf= und Zivilrecht ihre 
partikulare Gerichtsherrlichkeit ausüben. Die 
Bundesgerichte sind teils ausschließlich teils neben 
den Staatengerichten zuständig. Ausschließlich 
zuständig sind die Bundesgerichte hauptsächlich in 
Streitigkeiten aus dem Seerecht, in Konkurs- 
sachen, Patentangelegenheiten, bei Klagen aus 
dem Urheberrecht, in Prozessen zwischen Unions-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.