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Mitwirkung der weltlichen Behörden abzuschließen;
der Kultusdiener braucht nur ein Zertifikat über
die erfolgte Eheschließung dem mit der Führung
des Standesamtsregisters beauftragten weltlichen
Beamten zu übermitteln. In Fragen, wo die Ent-
scheidung einer kirchlichen Behörde für ein Mit-
glied der betreffenden Kirche in wirtschaftlicher oder
bürgerlich-rechtlicher Beziehung von Bedeutung
werden kann (wie bei der Disziplinierung eines
Kultusdieners oder beim Ausschluß eines Mit-
glieds aus der Kirche), erkennt der Staat, obwohl
er der kirchlichen Jurisdiktion als solcher keine
exekutive Gewalt leiht, das Recht der betreffenden
Kirche an und prüft die Berechtigung der kirch-
lichen Maßregel nicht nach dem materiellen Recht
der betreffenden kirchlichen Organisation nach,
sondern er prüft nur die Frage nach, ob das durch
das Recht der betreffenden Gemeinschaft vorge-
schriebene Verfahren eingehalten worden ist.
Die katholische Kirche hat unter den ge-
schilderten Verhältnissen sich eine freie, rechtlich
und auch materiell gesicherte Stellung errungen.
Den Bedürfnissen der katholischen Kirche ist das
amerikanische bürgerliche Recht dadurch weit ent-
gegengekommen, daß es den kirchlichen Organen
einen auch in vermögensrechtlicher Beziehung über-
wiegenden Einfluß in der Vorstandschaft der
Trusts, als Trustees, gewährt. So sind im allge-
meinen der Bischof, der Generalvikar der Dihzese,
zu der eine inkorporierte Kirche gehört, und der
Rektor dieser Kirche sowie ihre Nachfolger im Amt
auf Grund ihres Amts ohne weiteres in der Vor-
standschaft des Trusts (Trustees), wozu noch zwei
Laientrustees kommen, die jeweils auf ein Jahr
bestimmt, aber nicht von der Gemeinde, sondern
von den kirchlichen Würdenträgern oder deren
Mehrheit gewählt werden. Durch dieses System
ist die kirchliche Hierarchie im bürgerlichen Recht
formell anerkannt. Keine Handlung dieses Trustee-
kollegiums ist gültig ohne Sanktion des Bischofs
oder Generalvikars oder Administrators der Diö-
zese, zu der die Kirchengemeinschaft gehört. Der
Bischof ernennt die Pfarrer und Hilfsgeistlichen
auf Grund seiner Stellung als Bischof und als
Trustee und kann auch gegen den Willen einer
Korporation einen Geistlichen nach einem rein
kirchenrechtlichen Prozeß abberufen. Die katho-
lische Kirche kann allgemein nach dem Trustsystem
Vermögen erwerben; in vielen Staaten hat die
Amterorganisation der Kirche außerdem noch die
Eigenschaft einer COorporation sole (wor-
unter die mit juristischer Persönlichkeit ausgestattete
Einheit der aufeinander folgenden Träger eines
Amts zu verstehen ist; Vertreter der Korporation
ist der jeweilige Inhaber der Würde); auf Grund
dieser Eigenschaft können den Organen der katho-
lischen Hierarchie Schenkungen und Vermächtnisse
für die von ihnen vertretenen Anstalten zugewendet
werden, deren Verwaltung vollkommen frei nach
kirchlichen Vorschriften durchgeführt werden kann,
und die nach dem Tod des jeweiligen Inhabers
Vereinigte Staaten.
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von selbst auf seinen Nachfolger im Amt über-
ehen.
Da bei den Volkszählungen seit 1890 die
Konfession der Bevölkerung nicht mehr
erhoben wurde, ist die Zahl der Mitglieder der ein-
zelnen Denominationen nicht genau bekannt. 1906
wurden zwar Erhebungen von der Union veran-
staltet, die aber nicht die Zahl aller Konfessions-
angehörigen, sondern u. a. nur die der communi-
cants oder members, d. h. der am Abendmahl
teilnehmenden vollberechtigten Mitglieder mit Aus-
schluß der Kinder erfaßten. Danach zählte die ka-
tholische Kirche in den kontinentalen Vereinigten
Staaten 12 482 organisierte Kirchengemeinden
mit 12 079142 Mitgliedern, 10 755 Kirchen,
518 „Hallen“ und einem kirchlichen Vermögen
von 292,64 Mill. Dollar bei einer Schuldenlast
von 49.49 Mill. Dollar. Nach den Angaben des
Catholic Directory betrug die Zahl der Katho-
liken in den eigentlichen Vereinigten Staaten
1911: 14 618 750 (was sicher zu niedrig gegriffen
ist), die der Weltpriester 12 650, der Ordens-
priester 4434, der Kirchen mit regelrechter Pasto-
ration 9017, der Filialkirchen 4441, der katho-
lischen Pfarrschulen 4972 mit 1270 131 Schul-
kindern, der Mädchenacademies 696, der höheren
Lehranstalten für die männliche Jugend 225, der
Priesterseminare 82, der Asyle 285. Die größte
relative Zahl der Katholiken haben Neumexiko
(an 58 % der Bevölkerung), Rhode Island
(45% ), Louisiana (36), Neuyork (29), Illinois
(26), Pennsylvanien (22% ). Die Hierarchie setzt
sich aus 13 Erzbischöfen und 97 Bischöfen zu-
sammen. Die Unterstellung der Hierarchie (mit
Ausnahme der Apostolischen Präfekturen und
Vikariate) der Vereinigten Staaten unter die Kon-
gregation der Propaganda wurde 1908 aufgehoben.
Mit Einschluß der Philippinen, von Porto Rico
und Hawaii beträgt die Zahl der Katholiken unter
der Herrschaft der Union 22 886 000 (/).
Die oben angeführte Erhebung 1906 ergab
insgesamt 186 religiöse Körperschaften (Bodies)
oder Denominationen mit 212230 „Organi-
sationen“ (Kirchengemeinden, Missionsstationen
usw.), 32936 445 „Kommunikanten" oder „Mit-
gliedern“, 185 040 kirchlichen Gebäuden, 14791
„Hallen“ (Versammlungslokale usw.) und einem
kirchlichen Vermögen von 1257,58 Mill. Dollar;
davon waren 164 „Bodies“ mit 194 497 „Or-
ganisationen“ und 20 287742 Mitgliedern pro-
testantisch, 1 katholisch (s. oben), 1 mit 1769
Organisationen und 101457 Mitgliedern jüdisch
(unter Mitgliedern sind hier nur die Familien-
väter verstanden), 2 mit 1184 Organisationen
und 256 647 Mitgliedern mormonisch („Heilige
der letzten Tage“), 4 mit 411 Organisationen
und 129 606 Mitgliedern orientalisch-orthodox;
766 Organisationen mit 81 851 Mitgliedern
entfielen auf die übrigen 14 Denominationen. Unter
den 164 protestantischen Denominationen sind die
stärksten nach der Zahl der „Mitglieder“ die Metho-