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gehören zu den Gewerbetreibenden, Werkmeister
und Techniker zu den gewerblichen Gehilfen. Auf
alle übrigen Arbeiterkategorien findet das Landes-
recht Anwendung, welches teilweise noch ein voll-
ständiges Koalitionsverbot, so für das Gesinde und
die landwirtschaftlichen Arbeiter kennt. Das dies-
bezügliche preußische Gesetz vom 24. April 1854
stellt „Verabredungen“ und „Aufforderungen" des
Gesindes und der landwirtschaftlichen Arbeiter be-
hufs Einstellung der Arbeit unter Strafe.
5. Die privatrechtliche Stellung der
Arbeiterkoalitionen. Wenn nun auch
152, Abs. 1 G.O. den genannten Arbeiterkate-
gorien das Vereinigungsrecht gibt, so versagt doch
Abs. 2 den Vereinigungen jeden privatrechtlichen
Schutz:
„Jedem Teilnehmer steht der Rücktritt von
solchen Vereinigungen und Verabredungen frei, und
es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede
statt“ (§ 152, Abs. 2 G.O.).
Also auch während des Bestehens der Mit-
gliedschaft ist eine Klage wegen Nichtinnehaltung
von Koalitionsverabredungen unzulässig, und nie-
mand kann von seinen Koalitionsgenossen belangt
werden, wenn er von der Vereinigung, der er
zuerst zustimmte, wieder zurücktritt. Konventional=
strafen können zwar vereinbart, aber nicht ein-
geklagt werden. Vereinigungen von Gewerbe-
treibenden zur Herbeiführung und Erhaltung an-
gemessener Preise für ihre Gewerbserzeugnisse —
Kartelle, Syndikate, Trusts — fallen nicht unter
§ 152, Abs. 2 G.O. Vertragsstrafen sind also
hierbei einklagbar.
6. Strafbestimmungen und Schutz
der Arbeitswilligen. § 153 G.O. bezweckt
den „Schutz der Arbeitswilligen“, er tritt dem
„Koalitionszwang“ entgegen und spricht das Ver-
bot der Nötigung zur Teilnahme an Koalitionen
aus. Er bestraft, sofern nach dem allgemeinen
Strafgesetz nicht eine härtere Strafe eintritt,
„mit Gefängnis bis zu drei Monaten, wer an-
dern durch Anwendung körperlichen Zwangs, durch
Drohungen, durch Ehrverletzung oder durch Ver-
rufserklärungen bestimmt oder zu bestimmen ver-
sucht, an solchen Verabredungen (§ 152) teilzu-
nehmen oder ihnen Folge zu leisten, oder andere
durch das gleiche Mittel hindert oder zu hindern
versucht, von solchen Verabredungen zurückzutreten."
In dieser Strafbestimmung erblickt die Arbeiter-
bewegung einen Ausnahmeparagraphen, indem an-
dere Berufsklassen als die hier genannten, die hier
bedrohten Handlungen des Zwangs, der Drohung
usw. zur Förderung ihrer Koalition ungestraft
in Anwendung bringen können. Auch sind die
im § 153 genannten Handlungen nur dann mit
Strafe bedroht, wenn es sich darum handelt, eine
Koalition zu stärken; Zwang, Drohung ufsw.
dürfen aber straflos angewandt werden, wenn
man damit eine Koalition zerstören oder ihre
Entstehung verhindern will. Auch sind diese
Vereinigungsrecht.
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Handlungen, wenn sie zu andern Zwecken vor-
genommen werden, mit Strafe nicht bedroht.
7. Rechtsfähigkeit der Koalitionen.
Abgesehen davon, daß die G.O. den Koalitions-
verbänden keinen privatrechtlichen Rechtsschutz gibt,
haben die Vereinigungen als solche praktisch kaum
die Möglichkeit, sich Rechtsfähigkeit zu verschaffen,
als insbesondere Eigentum zu erwerben und Rechte
auszuüben, die darauf begründet sind. Maßgebend
sind die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetz-
buchs. Nach diesem (8§ 21) können sie zwar als
Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb gerichtet ist, Rechtsfähigkeit durch
Eintragung in das Vereinsregister erlangen; doch
haben die Verwaltungsbehörden dagegen ein Ein-
spruchsrecht, wenn der Verein einen politischen
oder sozialpolitischen Zweck verfolgt. Tatsächlich
haben wegen dieser Bestimmung Arbeiterberufs-
vereine die Eintragung in das Vereinsregister nicht
nachgesucht. Sie stoßen sich auch an der allge-
meinen Bestimmung, daß das Amtsgericht jeder-
zeit ein Mitgliederverzeichnis einfordern und jeder-
mann davon Kenntnis nehmen kann. Arbeiter-
vereinen bleibt hiernach nur der Rechtsschutz des
§54 B.G. B. übrig:
„Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden
die Vorschriften über die Gesellschaften Anwendung.
Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines
solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorge-
nommen wird, haftet der Handelnde persönlich;
handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner."“
Der Erwerb von Grund und Boden ist hier-
nach für Arbeiterberufsvereine als nicht rechtsfähige
Vereine praktisch unmöglich, da alle zum Vereins-
vermögen gehörigen Rechte im Grundbuch nicht
auf den Namen des Vereins, sondern auf die
Namen sämtlicher einzelner Mitglieder einzutragen
wären. Nur auf dem Umwege der Bildung einer
besondern juristischen Person (Aktiengesellschaft,
Gesellschaft m. b. H.) könnte dieses Ziel erreicht
werden. Der nicht rechtsfähige Verein hat zwar
die passive Parteifähigkeit, er kann als solcher ver-
klagt werden; aktive Parteifähigkeit besitzt er je-
doch nicht.
8. Vereinigungsrecht der gewerb-
lichen Unternehmer. Um den Arbeiter-
berufsvereinen gegenüber ihre Interessen zu wahren
und besonders einer Verteuerung der Produktions-
kosten vorzubeugen, organisieren sich die Arbeit-
geber eines Gewerbes in Unternehmerverbänden.
Die Arbeitgeberkoalitionen haben ihren Schwer-
punkt im Großbetrieb, besonders in den Industrie-
zweigen, bei denen qualifizierte Arbeiter in Frage
kommen, die durch ihre Arbeitsweigerung ganze
Betriebe stilllegen können. Als Zentrale für eine
Organisation der Arbeitgeber, namentlich der
schweren Industrie, kommt der Zentralverband
deutscher Industrieller in Betracht, der 1904 die
Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände begrün-
dete. Der „Verein deutscher Arbeitgeberverbände“"