Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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die Landesbehörde erfolgen kann, in deren Gebiet 
die betreffenden Unternehmungen ihren Sitz haben. 
— Der zweite Abschnitt (Zulassung zum Ge- 
schäftsbetrieb) schreibt die Konzessionspflicht vor, 
durch welche ungesunde Gründungen verhindert 
werden sollen. Daher müssen vor der Zulassung 
die technischen und finanziellen Verhältnisse der 
Unternehmung mitgeteilt werden. Die für die 
Aussichtsbehörden in dieser Beziehung maßgeben- 
den Grundsätze sind hier niedergelegt. Ergibt sich 
aus dem vorgelegten Geschäftsplan, daß die 
dauernde Erfüllbarkeit der künftigen Verpflich- 
tungen des Unternehmens gewährleistet ist, so 
erfolgt die Erteilung der Erlaubnis unabhängig 
von dem Nachweis eines Bedürfnisses ohne Zeit- 
beschränkung und für den Umfang des Reichs, 
wenn nicht nach dem Geschäftsplan das Unter- 
nehmen auf eine bestimmte Zeit oder ein kleineres 
Gebiet beschränkt ist. Nur Versicherungsvereine 
auf Gegenseitigkeit und Aktiengesellschaften können 
die Konzession erhalten. Die Fälle, in denen die 
Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb verweigert wer- 
den kann, sind im Gesetz aufgezählt; namentlich 
wird sie versagt, wenn nach dem Geschäftsplan 
die Interessen der Versicherten nicht hinreichend 
gewahrt sind oder die dauernde Erfüllbarkeit der 
aus den Versicherungen sich ergebenden Verpflich- 
tungen nicht genügend dargetan ist. Auch eine 
Kaution kann verlangt werden. Von Lebens- 
versicherungsgesellschaften müssen die Grundsätze 
für die Berechnung der Prämien und Prämien- 
reserven, Brutto= und Nettoprämie, Zinsfuß, 
Sterblichkeitstafeln angegeben werden. Die Zill- 
mersche Methode wurde nur bei Versicherung auf 
den Todesfall, und zwar bis zu 12½ per Mille 
gestattet, d. h. bei einer Versicherung von 1000 M 
dürfen nicht mehr als 12,50 M von der normalen 
Prämienreserve des ersten Versicherungsjahrs zur 
Unkostendeckung verbraucht werden. Die Zillmerei 
wurde zur Zahlung der Abschlußprovision einge- 
führt, die dem Agenten seit ungefähr 50 Jahren 
gezahlt wird und 1 bis 1½ % der Versicherungs- 
summe beträgt. Da die Differenz zwischen Netto- 
und Bruttoprämie (Nettoprämie —= Prämie zur 
Bestreitung der fälligen Versicherungen und zur 
Ansammlung der Prämienreserve; Bruttoprämie 
— Nettoprämie nebst einem Zuschlag für die Ver- 
waltungskosten) nicht hinreichte, diese Kosten zu 
decken, daher nicht die Rettoprämie bei Berechnung 
der Prämienreserve in Rechnung gestellt werden 
konnte (Nettomethode), wurde ein Teil der Re- 
serve dazu herangezogen. Dr Zillmer hat dafür 
folgenden Plan entworfen: Die Abschlußprovision 
wird in jährlichen Raten getilgt. Die Tilgungs- 
rate wird zur Normalprämie geschlagen. Bei Be- 
rechnung der Prämienreserve wird vom gegen- 
wärtigen Wert der Versicherungssumme nicht der 
gegenwärtige Wert der zu zahlenden Nettoprämien, 
sondern der um die Tilgungsrate vergrößerten 
Nettoprämien abgezogen. Dadurch wird die Prä- 
mienreserve kleiner. So beträgt dieselbe z. B. bei 
Versicherungswesen. 
  
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einer Versicherungssumme von 10000 M bei einem 
Eintrittsalter von 40 Jahren nach der Netto- 
methode nach dem 1., 2., 3., 5., 10., 20., 30. Jahr 
der Reihe nach 144,18, 293,18, 447,20, 767,99,. 
1629.69, 3528,37, 5453,21 Ul, während nach 
der Zillmerschen Methode die entsprechenden Zah- 
len lauten: 3,66, 147,58, 303,91, 629,51, 
1504.14, 3431,30, 5385,01. Die Unterschiede 
der Reserven sind besonders in den ersten Jahren 
recht bedeutend. Die Zillmersche Methode ist da- 
her wirtschaftlich stets ungesund, da die Bildung 
der Prämienreserve durch sie verzögert wird (vol. 
Heym, Die Zillmersche Methode der Reserve- 
berechnung, in Jahrbücher für Nationalök. u. Sta- 
tistik, Neue Folge. V 215). Im Interesse der Ver- 
sicherten wäre daher das völlige Verbot dieser 
Methode am Platz. Mit Rücksicht auf die jungen 
Unternehmungen, die den älteren gegenüber in 
Nachteil gekommen wären, hat der Reichstag das 
Zillmern nur einschränken wollen. Damit ist 
jedoch keineswegs die bedingungslose Zulässigkeit 
der Methode ausgesprochen, sondern es wird. nur 
die Angabe verlangt, ob und wie gezillmert wird, 
und eine Grenze dafür gesetzt. Jede Veränderung 
des Geschäftsplans bedarf der Genehmigung der 
Aussichtsbehörde. — Der dritte Abschnitt behandelt 
die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die 
seither nach dem bürgerlichen, nicht aber nach dem 
Handelsrecht zu beurteilen waren. Dieser Teil des 
Gesetzes ist das Wichtigste des ganzen Gesetzes, 
da den Gegenseitigkeitsanstalten ein eignes Recht 
verliehen wird, das mit dem Aktienrecht viele 
Ahrlichkeit hat. Der Versicherungsverein erlangt 
durch die von der Aufsichtsbehörde erteilte Er- 
laubnis zur Geschäftsführung die Rechtsfähigkeit. 
Die Verfassung eines Versicherungsvereins auf 
Gegenseitigkeit wird durch die Satzung bestimmt, 
welche der gerichtlichen oder notariellen Beurkun- 
dung bedarf. Über den Inhalt der Satzung wer- 
den eingehende Vorschriften gegeben, namentlich 
auch über Vereinsvermögen, Mitgliedschaft, Lei- 
stungen der Mitglieder, Gründungsfonds, Nach- 
schüsse oder Umlagen, Bekanntmachungen, Vor- 
stand, Aufsichtsrat, Rücklage (Reservefonds). Die 
in betreff der Kaufleute im ersten und dritten 
Buch des Handelsgesetzbuchs gegebenen Vorschrif- 
ten, mit Ausnahme der §§ 1/7, finden auf die 
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit entspre- 
chende Anwendung. Für alle Verbindlichkeiten des 
Vereins haftet den Vereinsgläubigern nur das 
Vereinsvermögen. Eine Hastung der Mitglieder 
gegenüber den Gläubigern des Vereins findet 
nicht statt. Der Verein ist bei dem Gericht, in 
dessen Bezirk er seinen Sitz hat, von sämtlichen 
Mitgliedern des Vorstands und des Aussichts- 
rats zur Eintragung in das Handelsregister an- 
zumelden, wofür das Gesetz die erforderlichen 
Formalitäten vorschreibt. Auf den Vorstand und 
Aussichtsrat finden die entsprechenden Vorschriften 
des Handelsgesetzbuchs Anwendung. Auch für das 
voberste Organ" finden die für die Generalver=
	        
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