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spruchgenommene sich einer Überschreitung seiner Die Verwaltungsbehörden sind berechtigt, ihre
Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer ihm rechtskräftig gewordenen Entscheidungen im
obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht hat. Zwangsweg mit denselben Mitteln zu vollstrecken,
Als Verwaltungsgerichte fungieren in den unteren welche zum Vollzug rechtskräftiger Urteile in bürger-
Instanzen die allgemeinen Unter= und Mittel= lichen Rechtsstreitigkeiten gegeben sind. Die
behörden der innern Verwaltung (Gemeinde-, Zwangsvollstreckung obliegt in der Regel den
Distriktsverwaltungsbehörden, Kreisregierungen, Distriktsverwaltungsbehörden, welche sich hierbei
Kammern des Innern, unter Umständen auch sowohl ihrer eignen Vollzugsorgane als der Ge-
Regierungsfinanzkammern) und in oberster In- richtsvollzieher bedienen können (vgl. Art. 46 des
stanz der Verwaltungsgerichtshof zu München, vorgedachten Gesetzes).
der jedoch in einzelnen Fällen erste und letzte In-= In Württembergist die Verwaltungsrechts-
stanz bildet (vgl. Artt. 10/11 des Gesetzes vom pflege eingeführt durch das Gesetz vom 16. Dez.
8. Aug. 1878). Von diesen Ausnahmen abgesehen 1876. Sie wird ausgeübt durch die Kreisregie-
hat das Gesetz einen allgemeinen Grundsatz über rungen und den Verwaltungsgerichtshof. Daneben
die Frage, welches Gericht in erster Instanz zu bilden die Ablösungskommission, das Oberberg-
entscheiden habe, nicht aufgestellt; es regelt sich amt, die Zentralstelle für Landeskultursachen und
dies im Einzelfall nach den maßgebenden Einzel= die Kommission für Aufhebung des Lehnsverbands
gesetzen, wobei als Regel hingestellt werden kann, in den durch diesbezügliche Gesetze ihnen über-
daß „die Verwaltungsbehörden diejenigen Ver= wiesenen Parteistreitigkeiten die erste Instanz,
waltungsrechtsachen als Verwaltungsgerichte zu während der Verwaltungsgerichtshof hierbei als
entscheiden haben, welche in Gegenständen ihres Berufungsgericht in Betracht kommt. Das für die
Wirkungskreises als Verwaltungsbehörden sich er= ganze Verwaltungsgerichtspflege in erster Linie
geben“ (Stengels Wörterbuch II 736). Abweichend maßgebende Gesetz vom 12. Aug. 1879 bestimmt
vom preußischen Recht kann eine streitige Sache in neben andern Sondergesetzen, für welche Sachen
letzter Instanz stets an den Verwaltungsgerichts= ausschließlich der Verwaltungsgerichtshof zuständig
hof gebracht werden. Das Verfahren vor den Ver= ist, und welche Sachen in erster Instanz an die
waltungsgerichten beruht auf den Grundsätzen der Kreisregierungen und erst in der Berufungsinstanz
Mündlichkeit und Offentlichkeit; Anwaltszwang an jenen Gerichtshof zu bringen sind. Zu den
besteht nicht, ebensowenig eine Beweislast im zivil= ersteren gehören besonders die sog. Rechtsbe-
prozessualischen Sinn; die Ermittlung der objek= schwerdesachen, die die vermeintlich dem öffent-
tiven Wahrheit und Feststellung des Sachverhalts lichen Recht widersprechende Verletzung von Indi-
liegt vielmehr dem Richter ob. Dieser ist daher vidualinteressen einer Einzelperson oder einer
bei der Beweiswürdigung, bei welcher er sich von # öffentlichen Korporation durch eine Verwaltungs-
freier Uberzeugung leiten lassen soll, nicht an das behörde zum Gegenstand haben. Diese Rechts-
von den Parteien erbrachte Beweismaterial ge= beschwerdesachen setzen regelmäßig voraus, daß die
bunden. Auch ist es durchweg nicht nölig, daß die Verwaltungsinstanzen sämtlich erschöpft sind. Im
Parteien im Termin erscheinen; bleiben beide aus, Gegensatz hierzu werden die in erster Instanz der
so wird nach Lage der Akten entschieden. Das Ge= Entscheidung der Kreisregierungen unterliegenden
richt hat seine mit Gründen versehene Entscheidung Streitigkeiten „Parteistreitsachen“ genannt, in
den Parteien zuzustellen, welchen dagegen das welchen der einzelne einem einzelnen oder dem
ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde zusteht. zugleich das Vermögensinteresse einer öffentlichen
Sie muß regelmäßig innerhalb einer Frist von Korporation (eventuell auch Fiskus) vertrelenden
14 Tagen eingelegt werden, und zwar regel= Organe derselben oder die Organe zweier solcher
mäßig bei dem Gericht, dessen Entscheidung an= Korporationen einander gegenüberstehen. Das
gefochten wird. Sie kann sich sowohl auf Mängel Verfahren vor den sämtlichen Verwaltungsgerichten
des Verfahrens als auch auf den Inhalt der regelt sich im allgemeinen nach der Reichszivil-
Entscheidung beziehen; doch brauchen die die Be= prozeßordnung, jedoch mit den Abweichungen, daß
schwerde begründenden Tatsachen nicht schon in die Verwaltungsgerichte bei Ermittlung des Tat-
der Beschwerdeauslegungsschrift angegeben zu bestands an die Anträge und Beweisantretungen
werden. Als außerordentliches Rechtsmittel gegen der Parteien nicht gebunden sind und daß unter
rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungs= Umständen, ähnlich wie in Preußen, von einer
gerichte kennt das bayrische Recht nur die Wieder= mündlichen Verhandlung abgesehen werden darf.
aufnahme des Verfahrens, nämlich in dem Fall, Neben der Berufung kennt das württembergische
wo glaubhaft gemacht wird, daß die bereits ent- Recht auch die Wiederaufnahmeklage (vgl. Art. 52
schiedene Streitsache voraussichtlich anders ent= des zitierten Gesetzes). Die auf eine Rechtsbe-
schieden worden wäre, wenn eine damals noch nicht schwerde ergangene Entscheidung des Verwaltungs-
bekannt gewesene Tatsache hätte mitberücksichtigt gerichtshofs kann nur seitens der beteiligten Ver-
werden können. Dasjenige Verwaltungsgericht, waltungsbehörde mit der Nichtigkeitsklage wegen
welches den letzten Bescheid in der rechtskräftig Kompetenzüberschreitung angesochten werden; in
gewordenen Sache gegeben hat, hat auch über die diesem Fall hat dann derselbe Gerichtshof in der
Wiederaufnahme des Verfahrens zu entscheiden. Besetung mit sieben Mitgliedern die Entscheidung