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P. de Vitri (1726) u. Francesco Solla (1729)
folgen eine Kritik des „Geistes des 18. Jahrh.“ u.
Dantestudien. Den italienischen Poesien (III. Bd)
schließen sich die latein. Schriften V.S (IV. Bd),
namentlich die vielbewunderten Universitätsreden
an: De nostri temporis studiorum ratione oratio;
Oratio, cuinus argumentum, hostem bosti infen-
siorem infestioremque quam stultum sibi esse
neminem u. De mente heroica oratio. — Die
erste geordnete u. vollständige Sammlung der
Schriften V.3 besorgte Guiseppe Ferrari unter dem
Titel: Opere di Giambattista Vico ordinate ed
ilustrate col analisi storica della mente de V.
in relazione alla scienza della civiltà (Mailand
1835, 37, in 6 Bdn; neue Ausgabe 1853 ff). Von
der oben erwähnten ersten Ausgabe der Scienza
nuova erschienen seit 1801 mehrere Neudrucke in
Neapel u. Mailand, die letzte hrsg. von Viazzi,
Mailand 1903. Die Ferrarische Sammelaus-
gabe von 1835 enthält den Text von 1725 u. den
von 1741 (s. oben) u. die Varianten der Ausgabe
von 1750. Eine andere Sammelausgabe der Werke
V.8 erschien zu Mailand 1835 in 4 Bdn von Pre-
dari, als vollständiger u. verbessert angekündigt,
daraus die Scienza nuova (Turin 1852); dazu
Scritti inediti von del Giudice (Neapel 1862).
Die Pariser Ausgabe der (Euvres choisies (2 Bde,
Par. 1835), besorgt von Michelet, enthält als Ein-
leitung Untersuchungen über V.3 Leben u. Werke
von demselben. Eine deutsche Ausgabe der Scienza
nuova ist schon 1822 in Leipzig erschienen von
Wilhelm Ernst Weber, der Schrift De universi
iuris uno principio etc. von Karl Heinrich Müller
(Neubrandenburg 1854). Aus der umfangreichen
Vicoliteratur sind hervorzuheben Karl Wer-
ners Schrift „Über V. als Geschichtsphilosophen u.
Begründer der neueren italien. Geschichtsphiloso-
phie“ (1877) u. dessen tiefgehende Studie: V. als
Philosoph u. gelehrter Forscher (1879); J. E. Dien-
dorfers Programm des Passauer Lyzeums (1876);
Otto Klemm, V. als Geschichtsphilosoph u. Völker-
psycholog (1906); ferner M. Parma, Studü sopra
Vico (Mailand 1838); J. Ferrari, Vico et l'Italie
(Par. 1839); C. Cantoni, Vico. Studü critici e
comparativi (Turin 1867); N. Tommaseo, Vico
e i1l suo secolo, in der Storia civile nella let-
teraria (Rom 1872) 1/179; R. Flint, Vico (Lond.
1884, neue Ausg. 1901); Billeri, Agostino e
Vico (Pisa 1887); B. Labanca, Vico rispetto ai
suoi contemporanei (Neapel 1898) u. Vico e i
Ssui critici cattolici (ebd. 1898); F. Cosentini, La
socologia e Vico (Savona 1899); P. L. Ventura,
Vico e le sue relazioni coi Francescani, im Ar-
chivum Franciscanum Historicum III (1910)
23 ff u. 231 ff. Gesamtbibliographie bis 1903 von
B. Croce, Bibliografia vichiana (Neapel 1904).
[Weinand, rev. Ettlinger.)
Vogelsang, Karl Frhr v. I. Aus alt-
adliger, mecklenburgisch landständischer Familie
stammend, wurde Vogelsang am 3. Sept. 1818
zu Liegnitz geboren. Auf den Hochschulen von
Bonn, NRostock und Berlin studierte er die Rechts-
und Staatswissenschaften, trat hierauf in preußi-
schen Staatsdienst, verließ denselben aber infolge
der Revolution von 1848 und widmete sich der
Bewirtschaftung seines Familienguts Alt-Guthen-=
dorf bei Marlow in Mecklenburg. Hier beteiligte
Vogelsang.
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er sich lebhaft an den Aufgaben der Selbstver-
waltung, trat in dem sich zwischen Ritterschaft und
Landesfürsten entspinnenden Verfassungskampf
auf seiten der ersteren, kam jedoch auch zu seiner
Partei, die unbedingt an der überkommenen
Adelsherrschaft festhielt, durch Forderung einer
Reform der Verfassung aus ihren Grundideen
heraus in Gegensatz. Gleichzeitig beschäftigten ihn
historische und theologische Studien, die der da-
mals im protestantischen Norddeutschland weite
Kreise bewegenden Frage nach der größeren Be-
rechtigung der katholischen oder lutherischen Kirche
galten. Als Frucht dieser Studien und unter dem
unmittelbaren Einfluß des Frhrn W. E. v. Ket-
teler, damals Dompropst in Berlin, und des Mün-
chener spätromantischen Kreises, der sich um den
greisen Görres und seine Familie sammelte, er-
solgte 1850 zu Innsbruck seine Rückkehr zur ka-
tholischen Kirche. Der Kampf zwischen der roman=
tisch großdeutschen und der streng lutherisch klein-
deutschen Richtung innerhalb der konservativen
Partei, der mit der Beseitigung von Radowitz
durch Gerlach und Manteuffel in Preußen zu-
gunsten der letzteren entschieden wurde, veranlaßte
Vogelsang, seine Stelle in der Vorstandschaft des
konservativen Organs „Der Norddeutsche Kor-
respondent“ aufzugeben und seine Heimat, in der
ihm für öffentliche Wirksamkeit kein Raum mehr
freistand, zu verlassen. Er übersiedelle nach Köln,
und hier trat er durch seinen Eintritt in die Heraus-
gabe der von Florencourt geleiteten, der Bekämp-
fung des bureaukratisch absolutistischen Liberalis-
mus in Osterreich gewidmeten „Politischen Wochen-
schrift“ zuerst in nähere Beziehungen zu Osterreich.
Diese befestigten sich, als er einer Einladung des
regierenden Fürsten Johann v. Liechtenstein fol-
gend, 1859 denselben auf mehrjährigen Reisen
begleitete, und führten 1864 zu seiner dauernden
Übersiedlung nach Osterreich. Zuerst in Wien,
dann in Preßburg in eifriger Mitarbeit an den
hier erscheinenden Zeitschriften „Der Katholik"
und „Das Recht“ tätig, wurde er 1875 durch
Leo Thun für die Redaktion des Wiener „Vater-
land“ gewonnen. In Wien lebte er dann in un-
ermüdlicher schriftstellerischer Tätigkeit für das
„Vaterland“ und die 1879 von ihm ins Leben
gerufene „Monatsschrift für christliche Sozial-
reform“ und als Mittelpunkt und Führer des in
der jungen christlich-sozialen Bewegung sich sam-
melnden Kreises bis zu seinem am 8. Nov. 1890
erfolgten Tod.
II. Vogelsang hat während seines vielbewegten
Lebens nicht die Zeit gefunden, den Reichtum
seiner Ideen in systematischer Form der Offent-
lichkeit zu übergeben. Was von ihm veröffentlicht
wurde, ist mit Ausnahme weniger kleiner Abhand-
lungen durchweg in Zeitungen und Zeitschriften
in der durch diese Veröffentlichungsart gebotenen
Form erschienen. Nichtsdestoweniger wird es in
der Fülle der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Probleme, die unser Zeitalter erzeugt hat, kaum
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