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eines geben, zu dem er nicht wenigstens einmal
mit der ganzen Entschiedenheit, die seiner kraft-
vollen Persönlichkeit und geschlossenen Weltan-
schauung entsprang, Stellung genommen hätte.
Vogelsang ist der Theoretiker des christlichen So-
zialismus. Auf der Wirtschaftsethik der Scholastik,
auf der Staats= und Gesellschaftslehre der Ro-
mantiker, vor allem Adam Müllers fußend, hat
er der kapitalistisch zersetzten antiethischen Wirt-
schaftsordnung der Gegenwart die Idee einer
organisch aufgebauten, durch ethische Impulse zu-
sammengehaltenen Gesellschaft gegenübergestellt.
Mit mehr Berechtigung, als Dietzel in Rodbertus
den Sozialisten der organischen Staatsidee sieht,
darf man Vogelsang den Sozialisten der organi-
schen Gesellschaftsauffassung nennen. Vogelsang
nimmt den Sozialismus als das Programm der
geordneten Volkswirtschaft gegenüber der anarchi-
schen Wirtschafts= und Lebensform für sich in
Anspruch. In bewußter ÜUbereinstimmung mit den
wissenschaftlichen Führern der Sozialdemokratie
und mit kaum minderer Schärfe als diese fällt er
sein Vernichtungsurteil über die kapitalistische
Wirtschaftsform. Sie ist ihm nicht wie den ent-
wicklungsgeschichtlich denkenden sozialistischen und
liberalen Theoretikern ein Durchgangsstadium
höherer Ordnung von einer sozial tiefer stehenden
Stufe zu einer voller entwickelten Wirtschafts-
sorm, sondern ein Fehltritt oder eine habituelle
Schwäche der menschlichen Gesellschaft, die in ihr
den natürlichen Daseinszweck vergessend, von dem
Idol Geld geblendet, dem Abgrund entgegen-
taumelt. Nur durch die Wiederherstellung der christ-
lichen Gesellschaftsordnung ist sie noch zu retten.
Eine unvollständige Erfassung von Vogelsangs
Gedanken glaubte hierin die Forderung nach einer
Wiederherstellung der mittelalterlichen Wirtschafts-
sorm, Naturalwirtschaft und Lohnarbeit mit Hand-
betrieb erkennen zu sollen. Doch Vogelsang ist es,
wie er auch wiederholt ausdrücklich erklärt, nicht
um eine mechanische epigonenhafte Nachschöpfung
ausgelebter Wirtschaftsformen zu tun. Sein Pro-
gramm entspringt den Grundgedanken der reali-
stischen Philosophie. Die natürliche Ordnung, die
im Schöpfungswillen beschlossen liegt, erstreckt sich
demnach in gleicher Weise auf die organische und
die anorganische Natur, auf Individuum und Ge-
sellschaft. Aus der in jede geschöpfliche Ordnung
hineingelegten Naturbestimmung entspringt ihre
Seinsberechtigung, ihr Entwicklungsziel. Der
Mensch von Natur aus für die Gesellschaft ange-
legt und in die Gesellschaft hineingeboren, sieht in
der Gesellschaft die einzig mögliche Form, in der
er seiner Bestimmung, die individueller Natur ist,
nachgehen kann. Aus diesem natürlichen Gesell-
schaftstrieb entwickeln sich in steigender Mannigfal=
tigkeit und in immer weiteren Kreisen Gesellschafts-
formen, die ohne individuelle bewußte Willensbil-
dung naturhaft aus den gleichartigen individuellen
Interessen hervorgetrieben sind. Sie sind also
nicht der individuellen Willkür entsprungen, son-
Vogelsang.
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dern unter dem Druck einer höheren Notwendig-
keit geworden, aus ihr ihre Seinsberechtigung
schöpfend. Als umfassendste dieser Gesellschafts-
ordnungen erscheint der Staat, den Vogelsang
gern mit Adam Müller als „die innige Verbin-
dung der gesamten physischen und geistigen Be-
dürfnisse, des gesamten innern und äußern Lebens
einer Nation zu einem großen energischen unend-
lich bewegten und lebendigen Ganzen“ definiert,
worunter natürlich der Idealtypus des Staats,
von dem die gegenwärtige kapitalistisch-bureau-
kratische Staatsform weiter denn je entfernt ist,
zu denken ist. Die societas perkfecta ist, abge-
sehen von ihrer naturrechtlichen, daher göttlichen
Grundlage, schon deswegen die christliche Gesell-
schaftsordnung, weil erst sie der größten Menschen-
zahl die Erreichung ihrer natürlichen Bestimmung,
die persönliche Vervollkommnung ermöglicht. Eine
Gesellschaftsordnung, die gleich der der Gegen-
wart die Befolgung der christlichen Gerechtigkeit
aus einer natürlichen, von allen erreichbaren Tu-
gend zur Vollkommenheit weniger Auserwählter
macht, ist auf die Dauer mit dem Bestand des
Christentums nicht zu vereinen. Die kapitalistisch
wirtschaftende Gesellschaft ist in ihren Grundlagen
ungesund. Ihre geradlinige Fortentwicklung führt
in stetig beschleunigter Auflösung zum Kultur-
zusammenbruch. Vorbilder hierfür sind die Welt-
reiche der Antike. Das kapitalistische Wirtschafts-
prinzip hat den Menschen aus dem Mittelpunkt
des Erwerbslebens heraus und die Ware oder
ihren Repräsentanten, das Geld, in diesen Mittel-
punkt hineingestellt. Dieses neue Kraftzentrum
aller besitzt keine natürlich gestaltende, höheren
Zwecken dienende Seele. Es zersplittert, atomisiert
die alten Gesellschaftsordnungen, die, auf seelischen
Zusammenhängen beruhend, in natürlicher Aus-
gleichung der Freiheits- und Herrschaftsprinzipien
den Rahmen für organische Kulturentwicklung
boten. An Stelle dessen setzt es die durch das
Streben nach dem größtmöglichen Gewinn durch
die Konkurrenz der individuellen Egoismen unter
der tyrannischen Herrschaft des Geldes disoziierten
Menschenansammlungen des modernen Groß-
staats, der Großstadt, des Großbetriebs. Auf alle
Gesellschaftsformen erstreckt sich diese auflösende
Tätigkeit, der einzelne ist ihr gegenüber machtlos.
Die Familie löst sich unter der durch harten wirt-
schaftlichen Zwang gebotenen Frauenarbeit; die
Sorge für die Kinder, das größte nicht lösbare
Problem für den kapitalistischen Staat, wird
gegenwärtig durch gänzlich unzulängliche gesell-
chaftliche Einrichtungen nur teilweise übernommen,
einen Quell der schlimmsten sittlichen Zersetzung
der kommenden Generationen offen lassend. Die
Auflösung der auf Freiheit und Gleichberechtigung
beruhenden wirtschaftlichen Verbände hat ein zahl-
loses, physisch und geistig verkümmerndes Pro-
letariat einer kleinen, durch die Maßlosigkeit des
Besitzgenusses sich selbst aufreibenden Herrenkaste
gegenübergestellt. Der Staat, diese höchste organi-
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