907
den Vereinsangehörigen berechtigt sind (Nicht-
mitgliedern kann die Benutzung der Bibliothek
nach Ermessen der Lokalvereine gestattet werden);
4) Arbeiler= und Volksbibliotheken sowie die
Büchereien von Asylen, Krankenanstalten und
andern Einrichtungen, welche charitativen oder so-
zialen Zwecken dienen, unterstützt (nach der am
31. Mai 1900 festgesetzten Geschäftsordnung, § 1).
Die Organisation des Borromäusvereins schließt
sich an die Diözesan-, Dekanats= und Pfarrein-
teilung der katholischen Kirche an. Eine eigent-
liche Kolportage wird von ihm nicht betrieben.
Der Borromäusverein kann auf hervorragende
Leistungen hinweisen. Seine Erfolge haben auch
protestantischerseits ähnliche Bestrebungen hervor-
gerufen, wie den Evangelischen Bücherverein, den
einflußreiche Protestanten Berlins begründeten.
Das Bücherverzeichnis, das der Borromäusverein
herausgibt, wurde von Jahr zu Jahr reichhaltiger
und mannigfaltiger. Die Anlage von Vereins-
bibliotheken fand noch einen Ausbau dadurch, daß
in neuerer Zeit in einigen größeren Städten in
Verbindung mit der Borromäusbibliothek auch
Lesezimmer mit guten Zeitungen und periodischen
Schriften eröffnet wurden (Die Gründung und
Tätigkeit des Vereins vom hl. Karl Borromäus,
Festschrift zum 50jährigen Jubelfest (1895) 87).
Der Verein plante auch den Verlag von Schriften,
indes ist dieser Plan in keinem nennenswerten
Umfang verwirklicht worden. Großartig ist hin-
gegen die Tätigkeit, die der Verein besonders in
den ersten Jahrzehnten seines Bestehens durch
Subskriptionen auf neue Bücher oder durch feste
Übernahme derselben in hunderten, bisweilen tau-
send Exemplaren entfaltete; dadurch wurde die
Verbreitung hervorragender Werke ermöglicht. In
neuester Zeit läßt er sich insbesondere die Unter-
stützung von Arbeitervereinsbibliotheken angelegen
ein (S. 114). Die beste Anerkennung der Be-
strebungen und des Erfolgs liegt darin, daß der
Verein im Ausland, z. B. in Frankreich, Anerken-
nung und Nachahmung gefunden hat. Auch der
Salzburger katholische Bücherverein hat den Bor-
romäusverein in mancher Beziehung zum Vorbild
gewählt (S. 121).
Populäre Broschüren, welche zu minimalen
Preisen einen weiten Absatz finden und direkt in
unser Wirtschaftsleben eingreifende Zeitfragen in
Volksbildung.
populärer Darstellung behandeln, entsprechen ge-
wiß einem allgemein gefühlten Bedürfnis. Auf
katholischer Seite verdienen die Volksschriften des
Verbands „Arbeiterwohl" (Köln, Bachem) à 20 Pf.
Erwähnung (Apel S. 105), ferner die Bro-
schüren, die der Volksverein für das katholische
Deutschland verbreitet unter dem Titel „Arbeiter-
bibliothek“.
Man hat schon die Verbreitung religiösen Lese-
stoffes getadelt. Das Rezept, meint Volker (S.74),
Bücher unter das Volk zu verbreiten, die „voll!
ernsten Glaubens“ und „sittlich-religiöser Ge-
danken" seien, werde nicht verfangen; man habe
908
das Volk unter diesem Titel schon zu oft betrogen,
als daß es in sittlich-religiöser Gesinnung, die
den höheren Schichten der Bevölkerung vollständig
fehle, das Heil erblickte. Aber warum sollte man
den Irrlehren des religiösen Umsturzes nicht auf
solche Weise begegnen dürfen? Daß die Be-
kämpfung schlechter Lektüre vielfach von kirchlicher
Seite geschieht, ist von großem Wert schon des-
wegen, weil die Kirche das Volk kennt und die
vorhandene kirchliche Organisation die Wege und
Agenten für die Verbreitung guter Schriften dar-
bietet. In Bayern arbeitet besonders in neuester
Zeit „der katholische Preßverein für Bayern“
eifrigst an der Bildung des Volks durch Grün-
dung von Bibliotheken, Wanderbibliotheken, durch
belehrende und unterhaltende Vorträge, durch Licht-
bildervorführungen usw.
Daß vor allem auch der Jugendliteratur alle
Aufmerksamkeit geschenkt werden muß, ist ein all-
gemein anerkanntes Bedürfnis. „Die geschäfts-
gewandte Spekulation“, beißt es in dem vierten
Jahresbericht des Vereins für Verbreitung guter
Schriften in Basel (1894), „hat sich leider auch der
Jugendliteralur bemächtigt. Die überwuchernden
Räuber= und Indianergeschichten drohen den
minder zahlreichen guten Lesestoff nachgerade zu
ersticken, wirken nicht selten verrohend auf die
Gemüter und erzeugen verkehrte Begriffe von
Heldentum, wie so manches Beispiel beweist. In
der Literatur für junge Mädchen werden in Schil-
derungen der Empfindung nach der Seite der
Erotik hin oft Dinge zutage gefördert, die durch-
aus nicht am Platze sind“ (Apel, Die Verbreitung
guten Lesestoffs 3; Volker S. 93).
Das Volk muß für das Verständnis des Werts
guter Bücher vielfach erst erzogen werden. Wo
dasselbe fehlt, wird auch die Kolportage nichts
ausrichten. Es ist dahin zu streben, daß in jede
Familie der unteren Klassen gute Bücher unent-
geltlich gelangen. Es gibt so viele Gelegen-
heiten, wo dies mühelos zu erreichen ist: bei Ent-
lassung aus der Volks= oder Fortbildungsschule,
bei Gelegenheit der Erstkommunion bzw. Kon-
firmation, als Anerkennung besondern Fleißes
und guter Führung in der Schule. Es sind mit
solchen Versuchen schon gute Erfolge erzielt wor-
den. „Vor allem aber sollten Arbeitgeber, Dienst-
herren usw. ihren Arbeitern, Dienstboten und son-
stigen Untergebenen Bücher schenken. Prämien für
gute Leistungen, „Trinkgelder“ für kleine Dienst-
leistungen könnten in Gestalt von Büchern gegeben
werden und werden von vielen in dieser Gestalt
gern angenommen werden. Namentlich aber sollte
in jedem Haus dem Weihnachtsgeschenk an die
Dienstboten ein gutes Buch hinzugefügt werden“..
(Apel S. 107 #).
3. Die Volksunterhaltung ist aufs engste
verbunden mit dem Volksbildungswesen. Wirkt
die Belehrung unmittelbar auf den Intellekt, so
soll hier das Gemüt durch Darbietung wirklich
ästhetischen Genusses veredelt werden. Ja die