Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Volksschulen. 
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reichung geschichtlicher Gemeinschaftszwecke zu be= Palastschule für die Kinder der Hofbeamten. Die 
werten. Die damit vollzogene Umwertung des 
überirdische Bestimmung des Menschen. Diese ist 
allen Menschen gemeinsam. Als Kinder eines 
gütigen Schöpfers und als Brüder eines Welter- 
lösers haben alle gleichen Anspruch auf Ausbil- 
dung. Die Kirche, die durch ihre Lehre dieses 
Anrecht begründet hat, sucht es deshalb sofort zu 
befriedigen; überall tritt sie als „Lehrerin der 
Völker“ auf, um sich der Unwissenden anzunehmen. 
Das Katechumenat kann als die erste christliche 
Volksschule angesehen werden. Den Inhalt des 
Unterrichts bildete selbstverständlich die heilige 
Geschichte des Alten und des Neuen Testaments, 
aus welcher die christliche Sittenlehre entwickelt 
wurde. Daran schlossen sich die wichtigsten Glau- 
benslehren. Die Zahl der erwachsenen Schüler 
war anfangs überwiegend. Doch waren später 
auch Kinder nicht ausgeschlossen. In den Kate- 
chetenschulen zu Alexandrien, Antiochien, Edessa, 
Nisibis wurden die Lehrer für den Unterricht der 
Katechumenen ausgebildet. Hier trieb man neben 
der Religion auch die Wissenschaften des heid- 
nischen Altertums. 
Die stürmischen Zeiten der Völkerwande- 
rung waren den Schulen nicht günstig. Auch 
das Katechumenat verfiel, da die Spendung der 
Taufe an Erwachsene immer seltener wurde. In 
den Kloster= und Domschulen sorgte die Kirche für 
die Ausbildung des Klerus. Namentlich die Bene- 
diktiner haben sich hohe Verdienste um den ge- 
lehrten Unterricht erworben. Aber auch die Idee 
einer Schule, die alle Christen umfaßt, wird von 
der Kirche zähe festgehalten. Die Einrichtung von 
Pfarr= und Parochialschulen, die an die Stelle 
des Katechumenats treten, wird immer wieder an- 
geordnet (Synoden von Orange, Valence, Vaison, 
drittes Konzil von Konstantinopel 681). Wenn 
sich auch der Unterricht in diesen Schulen haupt- 
sächlich auf die Religion erstreckte, so wurde da- 
neben häufig auch das Lesen gelehrt. Damit war 
dem Bildungsbedürfnis der Zeit vollauf genügt. 
Eine mächtige Förderung erhielt das Streben 
nach Volksbildung durch Kaiser Karl d. Gr. 
Sein gewaltiger Geist erfaßte mit Bestimmtheit 
den Plan einer allgemeinen christlichen Volksschule. 
Jedem, auch dem Geringsten im Volk sollte eine 
gewisse Summe von Kenntnissen übermittelt wer- 
den. Er ordnete an, daß der Unterricht des Volks 
in der Muttersprache erfolgen solle. Die Geist- 
lichen wurden durch ein Kapitulare vom Jahr 
789 und das Konzil zu Mainz 813 verpflichtet, 
die Kinder nicht nur in der Religion, sondern auch 
im Lesen, Schreiben und Singen zu unterrichten. 
Schon an eine Art Lernzwang dachte er, indem 
den Sendschöffen aufgetragen wurde, über säumige 
Ellern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken 
wollten, Strafen zu verhängen. Wie sehr die Be- 
dürfnisse des praktischen Lebens schon damals die 
Schule beeinflußten, zeigt die Einrichtung der 
  
1 Nachfolger Karls d. Gr. lenkten den Schulwagen 
Lebenszwecks gründet sich auf den Glauben an die 
wieder in ein bescheideneres Geleise. Von einer 
staatlichen Förderung der allgemeinen Volksbil- 
dung ist Jahrhunderte hindurch nicht mehr die 
Rede. So bleibt das Schulwesen fast ausschließ- 
lich der Kirche überlassen. Diese baut auf dem 
Bestehenden eifrig weiter. Papst Alexander III. 
verordnete 1179 auf dem elften ökumenischen Kon- 
zil, daß die Domschulen auch den Armen geöffnet 
sein sollten, damit es ihnen nicht an Gelegenheit 
mangle, lesen zu lernen und sich Kenntnisse zu er- 
werben. Franziskanern und Dominikanern wurde 
von ihren Ordensgründern die Pflicht auferlegt, 
die religiöse Unterweisung den ärmeren Volks- 
klassen sowohl in den Städten als auch auf dem 
Land zu besorgen. Im späteren Mittelalter be- 
schäftigten sich besonders die „Brüder des gemein- 
samen Lebens“, auch Fraterherren oder Hierony- 
mianer genannt, mit dem elementaren Unterricht 
im Lesen, Schreiben, Singen und in der Religion. 
Als um das Jahr 1200 die Städte immer 
lebhafter emporblühten, vermochten die Pfarr= und 
Klosterschulen mit ihrem vorwiegend religiösen 
Unterricht dem Bildungsbedürfnis des aufstre- 
benden Bürgerstands nicht mehr zu genügen. 
Namentlich die Kaufleute strebten nach Schulen, 
welche den besondern Interessen ihres Stands 
Rechnung trügen. In allen Städten entstehen des- 
halb im 13. Jahrh. Stadtschulen. Deutschlesen, 
Schreiben von Geschäftsaufsätzen nehmen in ihnen 
neben der Religion einen bedeutenden Raum ein. 
Als neuer Unterrichtsgegenstand tritt das Rechnen 
auf, das bis dahin nur in Gelehrtenschulen be- 
trieben wurde. Die Verfassung der Stadtschulen 
war durchaus handwerksmäßig, der Unterricht 
mechanisch, es kam ja nur auf die Aneignung 
eines bestimmten Maßes von praktischen Kennt- 
nissen an. Nicht selten finden wir die Magistrate 
mit den Pfarrern im Streit wegen der Errichtung 
von Schulen. 
Die Reformation bringt die Religion 
wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Die 
Reformatoren machten die Forschung in der Hei- 
ligen Schrift zur religiösen Pflicht. Daraus ergab 
sich die Forderung des Lesenlernens für jeden ihrer 
Anhänger. Durch die Erfindung der Buchdrucker- 
kunst waren die Unterrichtsmittel wohlfeiler und 
damit häufiger geworden. Dies erleichterte die 
Ausbreitung der Volksbildung. Luthers „Send- 
schreiben“, sein „Sermon, daß man die Kinder 
zur Schule halten solle“, übten eine bedeutende 
Wirkung. Allerorten entstanden Schulen. Die 
Kirchenordnung von Bugenhagen (1528) für 
Braunschweig, die württembergische Kirchenord- 
nung von Johann Brenz (1559), die Visitations- 
und Konsistorialordnung des brandenburgischen 
Kurfürsten Johann Georg (1573) enthallen auch 
vereinzelte Bestimmungen über das niedere Schul- 
wesen. Durch die Einziehung vieler Kirchengüter 
waren Mittel zur Errichtung höherer und niederer
	        
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