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abzielten, gehört auch die Gründung eines eignen
Ministeriums für die geistlichen, Unterrichts-
und Medizinalangelegenheiten (1817). Schon
unter dem ersten Kultusminister v. Altenstein
wurde 1817/19 der Entwurf für ein Unterrichts-
gesetz ausgearbeitet, der den Oberpräsidenten und
Bischöfen zur Begutachtung übersandt wurde und
dann allmählich in Vergessenheit geriet; die Zeiten
hatten sich geändert, der gerettete Staat bedurfte
der Schule nicht mehr. 1819/21 wurden um-
sassende stalistische Erhebungen über das Schul-
wesen Preußens angestellt. Damals gab es etwas
über 20 000 Schulen mit 1⅛ Mill. Schülern,
die von rund 23.000 Lehrern und 600 Lehrerinnen
unterrichtet wurden. Über 12.000 Lehrer bezogen
ein Gehalt von weniger als 100 Talern, im Re-
gierungsbezirk Köslin betrug das Durchschnitts-
gehalt der Landlehrer 31 Taler. Einen wie be-
deutenden Fortschritt das preußische Schulwesen
unter Altenstein machte, geht daraus hervor, daß
bei seinem Tod (1840) gegen 30 000 Volksschulen
und 38 Seminarien vorhanden waren. Aus der
damaligen Zeit rührt das bekannte Wort des
französischen Ministers Cousin her: „Preußen ist
das klassische Land der Kasernen und der Schulen:
der Schulen, um das Volk zu erziehen, der Ka-
sernen, um es zu verteidigen."“
Unter dem Minister Eichhorn (1840/48) waren
die Fortschritte geringer. Man war geneigt, die
bisherige Seminarbildung für übertrieben anzu-
sehen und demgemäß einzuschränken. In den
Landschulen wurde die Ansetzung besonderer Stun-
den für Geschichte, Geographie und Naturkunde
untersagt. Nach 16jährigen Vorarbeiten erschien
unterm 11. Dez. 1845 die Schulordnung für die
Elementarschulen der Provinz Preußen (Gesetzes-
sammlung 1846, S. 1). Die Gutsherren stehen
nach derselben zur Schule im Verhältnis des
Schutzherrn und Aufsichtsberechtigten. In die
Schulaufsicht teilen sie sich mit den Geistlichen.
Die Schulunterhaltung obliegt den Gemeinden.
Diese haben die Unterhaltungskosten in derselben
Weise wie die übrigen Kommunalbedürfnisse auf-
zubringen; die Lehrergehälter sollen 60/150 Taler
betragen. Nach dem Muster dieser Schulordnung
wurden Entwürfe für die übrigen sieben Provinzen
ausgearbeitet, die von der Volksbewegung des
Jahrs 1848 begraben wurden.
In diesem Jahr wird die Schule zum Gegen-
stand des politischen Kampfes. Die Regierung
suchte denselben zu vermeiden, indem sie in den
Verfassungsentwurf nr die Bestimmungauf-
nahm (§ 13): „Die Freiheit des Unterrichts ist
nur den in den Gesetzen bestimmten Beschrän-
kungen unterworfen.“ Der liberalen Mehrheit
des Abgeordnetenhauses genügte dies nicht. Sie
sügte dem Entwurf bezüglich des Unterrichts-
wesens vier Verfassungsartikel zu, in denen völlige
Unterrichtsfreiheit, Unentgeltlichkeit des Unter-
richts, Unterhaltung der Schulen durch die Ge-
meinden und vollständige Trennung von Schule
Volksschulen.
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und Kirche ausgesprochen wurde. Diesterweg ver-
langte mit mehreren andern Abgeordneten obli-
gatorische konfessionslose Schulen; der konfes-
sionelle Religionsunterricht sollte in allen Schulen
untersagt sein. Interessant ist es, daß der Mi-
nister Schwerin Kreis= und Provinziallehrei-
konferenzen berief, um die Ansichten der Lehrer
über die Reglung des Unterrichtswesens zu hören.
Die meisten dieser Konferenzen segelten im liberalen
Fahrwasser.
Die preußische Verfassung vom 31. Jan.
1850 geht auf alle extremen Forderungen nicht
ein. Gemäß den Bestimmungen des Allgemeinen
Landrechts werden die Schulen durch sie als Ver-
anstaltungen des Staats bezeichnet, die der Auf-
sicht des Staats unterstehen, doch sollen bei ihrer
Errichtung die konfessionellen Verhältnisse mög-
lichst berücksichtigt werden. Die Leitung des Re-
ligionsunterrichts wird den Religionsgesellschaften
überlassen. Die Unterrichtsfreiheit ist beschränkt,
indem der Nachweis sittlicher, wissenschaftlicher
und technischer Befähigung verlangt wird; die
Lehrer erhalten die Rechte und Pflichten der
Staatsdiener, der Staat gewährleistet ihnen ein
angemessenes Einkommen. Der Unterricht ist un-
entgeltlich, für die Schulunterhaltung haben die
Gemeinden zu sorgen, der Staat tritt nur sub-
sidiär ein. Ein besonderes Gesetz soll das ganze
Unterrichtswesen regeln.
Geht schon aus diesen Bestimmungen hervor,
daß die liberalen Ideen, die im Jahr 1848
scheinbar Preußen beherrschten, sich auf die Dauer
nicht durchzusetzen vermochten, so zeigt sich dies
noch deutlicher in dem Unterrichtsgesetzentwurf des
Ministers v. Ladenberg (1850), welcher der
Kirche bei Aufstellung des Lehrplans, Einführung
von Lehrbüchern und Beaufsichtigung des gesamten
Unterrichts weitgehende Rechte verlieh, ihr auch
Einfluß auf die Lehrerbildung einräumte. Als
aber v. Ladenberg Ende 1850 in Herrn v. Rau-
mer einen Nachfolger erhielt, wanderte der Ent-
wurf zu den Akten. Dagegen wurde durch die drei
Regulative vom 1., 2. und 3. Okt. 1854, die aber
nur für evangelische Schulen gelten, „das Unbe-
rechtigte, Uberflüssige und Irreführende (aus dem
Seminar-, Präparanden= und Volksschulunter-
richt) ausgeschieden, um an seiner Stelle . vor-
zuschreiben, was von denen, welche die Bedürf-
nisse und den Wert einer wahrhaft christlichen
Volksbildung kennen und würdigen, seit lange
als notwendig gefühlt, von treuen und erfahrenen
Schulmännern als dem Volk wahrhaft frommend
und ausführbar erprobt worden ist“. Das Se-
minar soll seinen Schülern nur die Kenntnisse
beibringen, die zum „Schulhalten"“ in einer ein-
klassigen Schule erforderlich sind; ein System der
Pädagogik, Weltgeschichte und klassische Literatur
wurden vom Seminarunterricht ausgeschlossen.
Im dritten Regulativ wurden Bestimmungen für
die einklassige Volksschule, die als Normalschule
angenommen ist, getroffen. Starke Betonung des