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es durch eigne Gesetze und Verordnungen. Der
staatliche Schulzwang besteht noch nicht allgemein,
er fehlt namentlich in den Südstaaten. Er beginnt
zwischen dem 6. und 8. Jahr und dauert gewöhn-
lich 8 Jahre, in einzelnen Staaten jedoch bis zum
18. Lebensjahr. Die Elementarschulen scheiden
sich in Primary Schools, gewöhnlich die vier
unteren Klassen, für Lesen, Schreiben, Rechnen,
Erd= und Naturkunde, und in die Grammar
Schools, meist die vier oberen Klassen, in denen
hinzutreten Geschichte, Arithmetik, Physik, Bürger-
kunde usw. Aller Unterricht, von der Volksschule
bis zur Universität, wird unentgeltlich erteilt. Die
öffentlichen Schulen sind konfessionslos. Reli-
gionsunterricht wird nur in den privaten Sonn-
tagsschulen gelehrt, außerdem in den zahlreichen
(katholischen oder protestantischen) kirchlichen Pfarr-
schulen. Auch private Schulen mit bestimmtem
nationalen Charakter (deutsch, polnisch, italienisch
u# w.) sind vorhanden. Seit 1867 unterhält die
Union ein nationales Erziehungsbureau (National
Board of Education) in Washington, seine
Tätigkeit beschränkt sich jedoch auf Sammlung stati-
stischer Angaben und auf Veröffentlichung und
Verbreitung alles dessen, was die Staaten in der
Sorge für das Schulwesen fördern kann.
In Dänemark wurde durch Friedrich IV.
(1721) und Christian VI. (1739) die Volksschule
eingeführt. Der Schulzwang besteht seit 1814.
Die Schulpflicht dauert vom 7. bis 13. Jahr.
Neben den Volksschulen bestehen Vorbereitungs-
und Winterschulen. In den schwach bevölkerten
Teilen Jütlands wirken Wanderlehrer. Die (pro-
testantischen) Bischöfe der sieben Stifter über-
wachen den Religionsunterricht und können Ein-
sicht von dem gesamten Unterricht nehmen. Die
letzte gesetzliche Reglung erfolgte 1901.
Norwegen besitzt ähnliche Schuleinrichtungen
wie Dänemark. Die Schulpflicht erstreckt sich vom
8. bis 15. Jahr.
Wie in den beiden vorgenannten nordischen
Reichen steht auch in Schweden das Volksschul-
wesen auf einer hohen Stufe. Das erste Schul-
gesetz wurde 1842 erlassen. Es ist ergänzt durch
das Gesetz vom Jahr 1882. Seit 1888 gilt ein
neues Schulgesetz, welches das Schulwesen auf
christlicher Grundlage regelt. Damit der Lern-
zwang (7./14. Jahr, doch kann der Beginn des
Unterrichts bis zum 9. Jahr hinausgeschoben
werden) durchgeführt werden konnte, hat man die
verschiedensten Arten von Schulen errichtet. Wan-
derlehrer sorgen für den Unterricht in menschen-
armen Gebieten. Jeder Vater darf sein Kind
selbst unterrichten, doch muß das Kind in Prü-
fungen gewisse Kenntnisse nachweisen, sonst wird
dem Vater die Erlaubnis zur Unterrichtserteilung
entzogen. Großen Wert legt man auf die Er-
ziehung zur praktischen Tätigkeit, Handfertigkeit
und Obstbau für Knaben, Handarbeit, Haus-
haltung für Mädchen. Die Lehrer werden nicht
definitiv, sondern auf Kündigung angestellt.
Volksschulen.
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Finland zeigt in seinem Schulwesen immer
noch starke Spuren seiner früheren Abhängigkeit
von Schweden. Doch dringen russische Einflüsse
unausgesetzt vor.
Die ältesten Schulen Rußlands waren Pfarr-
schulen. Peter der Große suchte allgemeine Schul-
pflicht einzuführen, doch blieben die Resultate ge-
ring. 1786 wurde die Gründung von Schulen von
neuem angeordnet, und 1802 befahl Alexander I.,
in jeder Pfarrei eine Schule zu errichten. Zugleich
wurde als höchste Schulbehörde das Ministerium
für Volksaufklärung eingesetzt. Der Schulbesuch
ist eifriger, als man gewöhnlich annimmt. Es trägt
dazu der Umstand bei, daß Besitzer eines vollen
Elementarschulzeugnisses eine Verkürzung der Mili-
tärzeit erhalten. Am günstigsten gestellt sind die
Ostseeprovinzen. Für Erwachsene wird sonntags
Unterricht erteilt, auch hat jedes Regiment seine
Schule. Der Unterricht ist meist unentgeltlich,
lange Ferien unterbrechen das Schuljahr. Neben
den Staatsschulen bestehen viele Kirchenschulen,
die der staatlichen Aufsicht nicht unterworfen sind.
Die Einführung des allgemeinen Elementarunter-
richts wurde von der Duma 1910 beschlossen und
1911 die finanziellen Mittel zur Durchführung
des neuen Volksschulgesetzes von der Duma be-
willigt. Von 1912 ab sollen alljährlich mindestens
10 Mill. Rubel zu Volksschulbauten usw. ver-
wendet werden, bis allerorten Volksschulen vor-
handen sind.
Die Staaten der Balkanhalbinsel haben
fast alle gesetzliche Schulpflicht, doch ist sie wohl
nirgends durchgeführt, besonders wird der Unter-
richt der Mädchen vernachlässigt. Die Zahl der
Analphabeten ist groß, durchschnittlich sind etwa
drei Viertel der Bevölkerung ohne Schulbildung.
Die bisher nicht erwähnten Staaten außerhalb
Europas zeigen fast alle ein Schulwesen, das noch
am Anfang der Entwicklung steht. In manchen
Fällen wird durch religiöse Vorschriften die Ver-
breitung von Kenntnissen begünstigt. In ziemlich
hohem Maß ist das in China der Fall. Eine
Ausnahmestellung nimmt, wie in vielen andern
Stücken Japan auch in Hinsicht auf das Schul-
wesen ein. Hier wurde 1872 die Grundlage des
jetzigen Volksschulwesens gelegt. Jede Gemeinde
hat eine Schule zu unterhalten; auch der Unterricht
der Mädchen erfreut sich im Gegensatz zu fast allen
orientalischen Staaten der staatlichen Fürsorge.
Einen besondern Unterrichtszweig bildet die Unter=
weisung in praktischen Höflichkeitsformen.
III. Gegenwärtiger Stand des Volks-
schulwesens. 1. Aufgabe der Schule. Die Ge-
schichte des Volksschulwesens zeigt, daß man die
Aufgabe der Schule nicht immer in gleichem Sinn
feststellte. Immer ist die Schule als Unterrichts-
anstalt betrachtet worden, aber — non scholas,
scd vitac — der Unterricht wurde nie um seiner
selbst willen erteilt, er diente Zwecken, die außer-
halb des Schullebens lagen. Will man die Auf-
gabe des Schulunterrichts und damit der Schule