1059 Währungsfrage
mittelfunktion und das, was wir Wertausdrucks-
sunktion nennen möchten, untrennbar miteinander
verbunden sein müßte. Daß eine Trennung dieser
Funktion wohl möglich ist, ergibt sich nicht nur
aus dem Studium der Begriffe, sondern auch aus
dem Studium der Tatsachen. So wissen wir z. B.,
daß in Dänemark, als der Ackerbau an Stelle des
bis dahin üblichen Nomadenlebens getreten war,
Getreide als Tauschmittel benutzt, während als
Wertausdrucksmittel noch immer Vieh genommen
wurde. Später diente eine Tonne Gerste als Wert-
ausdrucksmittel, als Tauschmittel wurde dagegen
schon Metall verwandt. Das sind freilich Aus-
nahmen. Die Regel ist, vollends für die heutige
Kulturwelt, daß Tauschmittel und Wertausdrucks-
mittel identisch sind. Wir kämen somit zu folgender
Definition: Als Geld im volkswirtschaft-
lichen Sinn betrachten wir heute ein
Ding, das alsallgemeines Tausch-
mittel technisch und als allgemeines
Wertausdrucksmittel rechnerisch die
Güterübertragungerleichtert. Je mehr
der Güterverkehr sich ausdehnt, um so mehr be-
müht man sich, die ursprüngliche Vielheit der als
Geld verwandten Dinge auf einige wenige Güter
zu reduzieren, die als allgemeines Tauschmittel
überallhin gebraucht werden können. Nun finden
sich schon frühzeitig unter den als Tauschmittel
dienenden Gütern fast überall auch Metalle: Kup-
fer, Bronze, Eisen, insbesondere aber Gold und
Silber. Erklärlich ist das deshalb, weil damit
zwei Bedürfnissen gedient werden konnte, die wir
auf niedriger Kulturstufe stets wieder finden, den
Bedürfnissen nach Schmuck und nach Waffen.
Vergegenwärtigt man sich noch dazu, daß diese
Bedürfnisse im Gegensatz etwa zu den Nahrungs-
bedürfnissen durch stofflich dauernde Güter be-
friedigt werden mußten, so mag man es ruhig
selbstverständlich nennen, daß die Metalle, nament-
lich die Edelmetalle, ein besonders beliebtes allge-
meines Tauschmittel wurden. Und je mehr die
Kultur fortschritt, um so mehr gewannen die Edel-
metalle den Vorrang, bis sich in diesen fast aus-
schließlich die Funktion des Geldes verkörperte.
Offensichtlich sind auch die besondern Vorteile,
die technisch mit der Verwendung der edlen Me-
talle als Geld verbunden sind. Bei kleinem Vo-
lumen repräsentieren sie einen großen Wert, sind
leicht transportabel, prägbar, erkennbar, ohne Be-
schädigung teilbar und von einer relativ sehr
großen Wertbeständigkeit.
II. Der rechtliche Begriff des Geldes. So
nachdrücklich wir uns auch nun zu der Auffassung
Mengers bekennen möchten, daß das Geld nicht
durch Gesetz entstanden ist, daß es seinem Ursprung
nach „keine staatliche, sondern eine wirtschaftliche
Institution“ ist, so notwendig ist es doch auch zu
betonen, daß das Geld nicht nur eine wirtschaft-
liche, sondern auch eine rechtliche Erscheinung ist.
Die Rechtsordnung kann das aus einer wirtschaft-
lichen Notwendigleit heraus entstandene Geld
und Geldwesen. 1060
schließlich nicht unbeachtet lassen; denn je mehr
das wirtschaftliche Leben sich entwickelt, um so mehr
wird das Geldwesen zum Rückgrat des wirtschaft-
lichen Seins und Werdens. Es muß deshalb eine
Instanz da sein, die jede Störung der Geldfunk-
tion nach Möglichkeit zu vermeiden und zu be-
seitigen versucht. Diese Instanz kann aber nur die
staatliche Rechtsordnung sein, die zudem aus
öffentlich-rechtlichen Erwägungen, z. B. mit Rück-
sicht auf die Steuerzahlungen, ein Interesse daran
hat, daß über das, was als Geld dienen soll, als
allgemeines Zahlungsmittel keine Irrtümer ent-
stehen. Im Mittelalter war die Meinung vor-
herrschend, daß es ausschließlich der Wille des
Gesetzgebers sei, der den Wert des Geldes be-
stimmt. Ein zu Peters d. Gr. Zeiten lebender rus-
sischer Schriftsteller kleidete diese Ansicht einmal
in folgende Worte: „Wir verehren den Zaren wie
Gott selbst, und wir gehorchen ihm allen seinen
Wulen, wir sehen nicht auf das Gewicht unserer
Münzen, sondern auf die Inschrift, welche sie
tragen. Was wir schätzen, ist nicht das Kupfer,
aus dem sie gemacht sind, sondern der Name un-
seres Kaisers, der darauf geprägt ist.“ Ganz ähn-
liche Ideen sprechen aus den Worten, mit denen
der König von Frankreich Philipp von Valois
seine absolute Gewalt bezüglich des Geldwesens
in einer Ordonnanz vom 16. Jan. 1349 ver-
kündel: „Niemand kann zweifeln, daß uns ganz
allein und in vollem Umfang in unserem König-
reich die Prägung, die Bestimmung des Feinge-
halts der Münzen, sowie jede andere Bestimmung
des Münzwesens zusteht, sowie Münzen prägen
zu lassen und ihnen solchen Kurs beizulegen, wie
es uns gefällt.“
Eine von diesen Auffassungen nicht so sehr
verschiedene Ansicht wird auch in jüngerer Zeit
noch vielfach vertreten, daß es nämlich das Gesetz
allein sei, welches das Geld schafft. Diese Auf-
fassung findet man z. B. u. a. in einer Schrift
von Ravit, Beiträge zur Lehre vom Geld (1862).
Von neuem hat diese Auffassung Nahrung be-
kommen durch eine viel erörterte Schrift des Straß-
burger Professors Georg Friedrich Knapp, Staat-
liche Theorie des Geldes (1905). Knapp bestrei-
let entschieden, daß das Wesen des Geldes in
seinem Stoff liege. Die staatliche Proklamation
sei es, die dem Geld seinen Wert verleihe. Geld
ist nach Knopp das vom Staat sanktionierte
Zahlungsmittel; „das Geld ist ein Geschöpf der
Rechtsordnung“. Der fundamentale Fehler Knapps
liegt schließlich darin, daß er übersieht, daß Geld
zunächst ein volkswirtschaftlicher Begriff ist, daß
wir unter Volkswirtschaft aber nicht nur zu ver-
stehen haben (s. Art. Volkswirtschaftslehre) die
Wirtschaft eines staatlich geeinten Volks, sondern
schlechtweg das organische Ineinandergreifen der
Einzelwirtschaften, das über staatliche Grenzen
hinausgeht und das sich nicht Institutionen irgend
eines Einzelstaats aufdrängen läßt. Mit Recht
hat daher ein Kritiker Knapps (A. Voigt) gesagt,