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statt dasselbe produktiv zu verwenden. Jedoch
hiervon ganz abgesehen, bietet der dem Wirt-
schaftsleben entnommene Vorgang nur das Gleich-
nis, mit dem der Herr Höheres, Geistiges ver-
sinnbilden will. Von einem Gegensatz zwischen
Christi Auffassung und der Stellung der Kirche,
zu der nunmehr übergegangen werden soll, kann
darum nicht die Rede sein.
3. Das kirchliche Zinsverbot. Das
kirchliche Altertum (Väter und Konzilien) spricht
sich unbedingt gegen das Zinsnehmen aus. Die
Bäter führen mit dem Aufgebot ihrer ganzen Kraft
den Kampf gegen den Zins, der ihnen mit
Wucher gleichbedeutend ist. Hefele glaubt, die
Kirchenväter hätten sich hierbei eines Rigorismus
schuldig gemacht; sie übersähen den wesentlichen
Unterschied zwischen Zinsnehmen und Wucher.
Hätten sie „nichts anderes gesagt als: wuche-
rische Zinsen seien dem Christen unerlaubt, so
hätten sie vollkommen recht; so aber sagen sie,
alle Zinsen seien verboten, und darin besteht ihr
Rigorismus“ (vgl. Ratzinger S. 307). Es galt den
Kampf mit der heidnischen Auffassung, die dem
lukrativen Erwerb auf Kosten fremder Arbeit hul-
digte, und der christlichen, die die Arbeit und Ar-
mut schützte. „Es ist Tatsache, daß viele Bäter
sich gegen das Zinsnehmen überhaupt aussprechen
und sich dabei auf das alttestamentliche Verbot
beziehen. Allein, wer sich die Kirchenväter nicht
bloß oberflächlich ansieht, der wird finden, daß
sie am Zins den Wucher tadeln, daß sie
sich gegen die Zinsen nur deshalb aussprechen,
weil der damalige Zins wirklich und tatsächlich
wucherisch war. Wer nahm damals Darlehen
gegen Zins? Der Grundbesitzer! Das ganze
damalige Auswucherungsgeschäft beschränkte sich
auf die Inhaber von Grund und Boden. Einen
Handwerker- und Gewerbestand gab es ja nicht,
dafür waren die Sklaven da. Nun war aber der
niederste Zinsfuß 12%, ein Zinsfuß, welcher
die Besitzer von Grund und Boden rasch aus-
wuchern mußte, wie dies auch durch die Tatsachen
bewiesen wurde. Das, was wir heute Zins
nennen, gab es damals weder begrifflich noch tat-
sächlich. Zins und Wucher waren gleichbedeutende
Begriffe und wurden auch durch dasselbe Wort
ausgedrückt" (Ratzinger S. 308 f). Hiergegen ver-
schlägt es nichts, daß, wie Sommerlad be-
merkt (Das wirtschaftliche Programm der Kirche
des Mittelalters [1903] 83), bei Klemens von
Alexandrien sich die frühesten Spuren des Zins-
verbots in der kirchlichen Literatur finden, woraus
dann gefolgert wird, daß wir den Grund seiner
Entstehung nicht in der geringen wirtschaftlichen
Entwicklung, sondern in der Abneigung der Kirche
gegen die Geldwirtschaft zu suchen hätten, da es
ja zuerst „inmitten des reich entfalteten Verkehrs-
lebens und der hochgesteigerten Geldwirtschaft des
kaiserlichen Agyptens“ auftritt. Aber gerade der
Wucher, der in schamloser Weise das reiche Agypten
aussog, mochte die Sehnsucht nach gänzlichem Ver-
Wucher und Zins.
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bot des Zinsnehmens, wie es ja dem Altertum
nicht fremd war, wachrufen. Die Väter beriefen
sich auf das Zinsverbot des Alten Testaments,
auf die Forderung des natürlichen Rechtsbewußt-
seins, auf das Ansehen weiser Männer des heid-
nischen Altertums, ja bisweilen auch auf die Stelle
des Neuen Testaments bei Luk. 6, 34. 35 (wie
Ambrosius; s. Ratzinger S. 320) und auf die fünfte
Bitte des Vaterunsers (Funk, Geschichte des kirch-
lichen Zinsverbots 2, 4). Das Zinsnehmen wurde
schlechthin und ohne Ausnahme verworfen, sowohl
dem Reichen als dem Armen gegenüber. Ambro-
sius (De Tobia c. 14) sagt allgemein: Quod-
cunque sorti accedit, usura est. Ja nicht bloß
wo die Not den Anstoß zum Darlehen gibt, son-
dern wo es zum Zweck des Erwerbs aufgenommen
wird, erfährt der Zins Verwerfung (Funk S. 6;
Ratzinger S. 317).
Wenn einzelne Väter, wie Basilius, in be-
stimmten Fällen den Zinsenbezug nicht, wie man
glauben sollte, beanstanden, sondern als zu Recht
bestehend anerkennen, so ist der Grund solcher
Stellungnahme in der staatlichen Gesetz-
gebung zu erblicken. Ahnliches scheint von
jenem Fall zu gelten, der aus dem Leben des
Papstes Gregor d. Gr. berichtet wird. Hier
handelte es sich um Preiserhöhung wegen Zah-
lungsverzugs. Da der Schuldner an den Waren
einen beträchtlichen Verlust erlitt, rief er, da der
Gläubiger auf der Zahlung der ganzen Schuld
bestand, die Vermittlung des Papstes an. Dieser
erklärte die Forderung keineswegs, wie man an-
nehmen möchte, als wucherisch, sondern er ließ den
Gläubiger bitten, nicht auf seinem starren Recht
zu bestehen (Funk S. 14).
Die Stellung der Konzilien zur Zinsfrage
ist in den ersten Jahrhunderten dadurch besonders
charakterisiert, daß sie zunächst nur den Kle-
rikern, bisweilen nur vom Diakon aufwärts,
jeden Zinsenbezug unter kanonischen Strafen ver-
boten. Wie tief mußte sich der habsüchtige Er-
werb in Sitten und Gewohnheiten der antiken
Welt eingefressen haben, wenn die Kirche alle Mühe
hatte, den Klerus vom Wurcher freizuhalten!
(Natzinger S. 301 f.) Daraus, daß das Wucher-
verbot sich auf den Klerus beschränkte, darf nun
nicht etwa geschlossen werden, als ob der Zins-
bezug der Laien für erlaubt gegolten habe, sondern
es bestand eben die Uberzeugung, daß das Verbot
sich nicht allgemein durchführen lasse; auch war —
dies gilt namentlich für die erste allgemeine Syn-
ode von Nicäa vom Jahr 325 — die Stellung
der Staatsgesetzgebung zur Zinsfrage nicht ohne
Einfluß. „Der Kaiser, an dessen Namen sich
der Sieg des Christentums über das Heidentum
knüpfte, der auf der Synode von Nicäa den Vor-
sitz führte und dessen Urteil und Wille auch von
dem Episkopat so hoch geschätzt wurde, gab einen
Monat vor jener Synode ein Gesetz über das
Darlehen, nach dem bei Geld die Forderung der
Centesima oder eines Prozents im Monat, nach