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König am 15. März 1815 — also noch ehe er
der am 8. Juni 1815 abgeschlossenen Bundesakte
beigetreten war (1. Sept.) — den Landständen
vorlegte, wurde fast einstimmig verworfen und die
Wiedereinführung der altwürttembergischen Ver-
fassung gefordert. Die Verhandlungen zogen sich
bis ins folgende Jahr hin; vor ihrem Abschluß
starb König Friedrich (30. Okt. 1816). Auf ihn
folgte 2. sein Sohn Wilhelm (1816/64). Unter
ihm wurden die Verhandlungen wegen einer neuen
Verfassung fortgesetzt; ein neuer Entwurf wurde
1817 von den Ständen abermals abgelehnt, wes-
halb ihre Auflösung erfolgte. Erst 1819 kam eine
neue Verfassung zustande, welche an freisinnigen
Bestimmungen die übrigen Verfassungen der da-
maligen Zeit weit überragt (s. u.). Zur Durch-
führung der Verfassung erließ der König 1817
und 181 8 die elf Edikte, durch welche die Leib-
eigenschaft aufgehoben, ungemessene Fronen als
unzulässig bezeichnet, die Auferlegung neuer
Grundlasten verboten wurde. Das Königreich
wurde in 4 Kreise und 64 Oberämter eingeteilt,
eine Oberrechnungskammer errichtet, die Verhält-
nisse der Staatsdiener geordnet, die Gemeinde-
und Bezirksverwaltung geregelt. Seine freisinnige
Auffassung bekundete der König durch sein an-
fängliches Auftreten gegen die absolutistischen
Tendenzen der beiden Großmächte (Karlsbader
Beschlüsse); doch konnte er der allgemeinen Strö-
mung auf die Dauer nicht widerstehen. Dem
Deutschen Zollverein trat er alsbald bei. Die
politischen Unruhen des Jahrs 1848 bewogen den
König, ein neues Ministerium einzusetzen, welches
dem Wunsch des Volks entsprechend Reformen
einführte (Gesetz über Volksbewoffnung, Beseiti-
gung der auf Grund und Boden ruhenden Lasten,
öffentliches, mündliches Verfahren in Preß-
prozessen). Trotzdem entstanden im Land da und
dort Unruhen, bildeten sich Vereine, welche unter
anderem das allgemeine und direkte Wahlrecht für
ganz Deutschlond forderten, aber bei der Kammer
kein Gehör fanden.
Die von der deutschen Nationalversammlung
aufgestellten Grundrechte des deutschen Volks
wurden in Württemberg am 31. Dez. 1848 und
die im März beschlossene deutsche Reichsverfassung
nach einigem Zögern am 7. Mai 1849 verkündigt.
Die auf etwa 100 Mitglieder zusammengeschmol-
zene Nationalversammlung siedelte nach Stuttgart
über (Rumpfparlament) und setzte statt der Zen-
tralgewalt in Frankfurt eine provisorische Regent-
schaft von fünf Personen ein. Als sie die Errich-
tung einer Volkswehr durch Reichsgesetz beschloß,
verbot die Regierung am 18. Juni weitere
Sitzungen, worauf das Parlament sich auflöste.
Am 28. Okt. 1849 wurde das Ministerium
entlassen und das neue zum Teil aus Ministern
der Zeit vor der Bildung des „Märzministeriums“
zusammengesetzt. Unter diesem folgten langwierige
Verhandlungen mit den Ständen wegen Anderung
der Verfassung und deren Anpassung an die deut-
Württemberg.
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schen Grundrechte und die Reichsverfassung. Die
Versammlungen wurden 1849 und 1850 auf-
gelöst, weil eine Übereinstimmung zwischen Re-
gierung und Ständen nicht zu erreichen war. Nach
der dritten Auflösung wurde die Ständekammer
nach der alten Verfassung wiederhergestellt und die
Grundrechte zum Teil wieder aufgehoben. Der
andere Teil wurde durch Landesgesetzgebung für
gültig erklärt, was zu Reformen auf verschiedenen
Gebieten führte (Ablösung der Zehnten und an-
derer Grundlasten, Geschworenengerichte, Auf-
hebung der Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund
und Boden, Abschaffung der Patrimonialgerichts-
barkeit des Adels usw.). Bezüglich der politischen
Neugestaltung, wie sie damals unter der Vor-
standschaft Preußens in Deutschland geplant war,
verhielt sich König Wilhelm ablehnend; am Er-
furter Parlament nahmen die württembergischen
Vertreter nicht teil. Im Okt. 1850 hielt er mit
dem Kaiser von Osterreich und dem König von
Bayern in Bregenz eine Zusammenkunft ab, deren
Zweck die Stellungnahme gegen Preußen war.
1851 anerkannte auch Württemberg die Wieder-
herstellung der alten Bundesverfassung. Am
25. Juni 1864 starb König Wilhelm.
3. Karl (1864/91) und 4. Wilhelm II. seit
6. Okt. 1891. Die Ereignisse auf dem politischen
Gebiet (1866 und 1870) können hier nur inso-
weit berührt werden, als die Stellungnahme
Württembergs zu den aufgetauchten Fragen dies
nahelegt. Auf dem Frankfurter Fürstenkongreß
von 1863 stimmte der damalige Kronprinz Karl
den österreichischen Vorschlägen zu; ebenso trat
Württemberg der Absicht Preußens, die Elb-
herzogtümer sich einzuverleiben, entgegen. Im
Krieg von 1866 stand Württemberg an der Seite
Osterreichs. Als die Schlacht bei Tauberbischofs-
heim zu Ungunsten der Württemberger aus-
gefallen war, wurde ein Teil von Württemberg
durch preußische Truppen besetzt. Es kam zu einem
Waffenstillstand am 1. Aug. und zum Friedens-
schluß am 13. Aug. Württemberg mußte an
Preußen eine Kriegsentschädigung von 8 Mill.
Gulden bezahlen und erklärte sich mit dem Aus-
scheiden Osterreichs aus seiner bisherigen Stellung
in Deutschland einverstanden. Gleichzeitig wurde
mit Preußen ein längere Zeit geheim gehaltenes
Schutz= und Trutzbündnis abgeschlossen, wodurch
im Fall eines Kriegs der Oberbefehl über die
württembergischen Truppen dem König von
Preußen übertragen wurde. Die Wahlen zum
Zollparlament von 1868 fielen ohne Ausnahme
auf Gegner von Preußen. Ebenso erlangten 1868
bei den Wahlen zur württembergischen Abgeord-
netenkammer, bei welchen das allgemeine, direkte
und geheime Wahlrecht zur Anwendung kam, die
Gegner der preußischen Politik die Majorität.
Am 11. März 1870 siellte die „Linke“ des Land-
lags den Antrag auf Herabsetzung der Präsenz-
ziffer und Verminderung der militärischen Aus-
gaben, was zu einer Ministerkrisis und zur Ver-