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ders für die Kosten der höheren Lehranstalten einen
eignen, diesen Zwecken ausschließlich gewidmeten
Kirchenfonds erhalten; auch dieser ist bis jetzt vom
Staatsgut nicht ausgeschieden worden. Dagegen
bestreitet der Staat aus seinen eignen Mitteln einen
erheblichen Teil des Aufwands beider Kirchen.
Für die katholische Kirche bestehen zwei besondere
Fonds: die Bistumsdotation und der Interkalar-
onds.
Der König ist als Landesbischof Oberhaupt der
evangelisch-lutherischen Landeskirche; ihm steht die
oberste Leitung der kirchlichen Gewalt zu; dies
gilt jedoch nur solang, als der König dem evan-
gelischen Bekenntnis angehört. Als Staatsober=
haupt hat er der evangelischen Kirche seinen Schutz
zu gewähren und das obersthoheitliche Aufsichts-
recht auszuüben. Das Kirchenregiment wird nach
der Verfassung vom Konsistorium und den durch
Hinzuziehen der 6 Generalsuperintendenten ge-
bildeten Synodus ausgeübt, und zwar nach Maß-
gabe der bestehenden oder künftig zu erlassenden
verfassungsmäßigen Gesetze. Das Konsistorium
hat als Oberkirchenbehörde die Kirchengesetze zu
handhaben, die kirchliche Lehre und Ordnung zu
wahren, Anträge bei Besetzung der Kirchenämter
zu stellen, die Aufsicht über die Amtsführung und
das Betragen der Geistlichen und die Verwaltung
des kirchlichen Vermögens zu führen. Unter dem
Konsistorium stehen die 6 Generalate mit 49 De-
kanatämtern, welchen die einzelnen Kirchengemein-
den unterstellt sind. Das Ministerium des Kirchen-
und Schulwesens vermittelt die Entschließungen des
Königs auf Anträge des Konsistoriums und des
Synodus.
Als Vertretung sämtlicher evangelischer Kirchen-
gemeinden besteht die Landessynode, welche aus
25 geistlichen und 25 weltlichen, von den Diözesan-
synoden auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern, einem
Mitglied der evangelisch-theologischen Fakultät der
Universität Tübingen und 6 vom König ernannten
Mitgliedern besteht. Ihre Hauptaufgabe besteht in
der Mitwirkung bei der kirchlichen Gesetzgebung.
In jeder Kirchengemeinde besteht ein Kirchen-
gemeinderat, der die Vertretung nach außen aus-
übt und das Vermögen verwaltet. Der Kirchen-
gemeinde kommt das Recht der juristischen Per-
sönlichkeit zu; sie verwaltet ihre Angelegenheiten
selbständig innerhalb der durch das Staatsgesetz
gezogenen Grenzen. Der Kirchengemeinderat be-
steht aus dem Pfarrer, dem Ortsvorsteher, dem
Kirchenpfleger und 4— 12 weltlichen Mitgliedern.
Die Vermögensverwaltung steht unter staatlicher
(Oberamt und Kreisregierung) und kirchlicher
(Dekan, Konsistorium) Aufsicht. Kirchliche Steuern
können nur mit Genehmigung der Staatsbehörde
umgelegt werden. Zur kirchlichen Vertretung
sämtlicher einer Diözese angehörenden Kirchen-
gemeinden sind die Diözesansynoden seit 1901 ein-
geführt; ihr Wirkungskreis ist ein rein kirchlicher.
Folls der König nicht der evangelischen Kon-
fession angehört, wird nach dem Gesetz vom
Württemberg.
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28. März 1898 das landesherrliche Episkopal=
recht durch die aus 5 Mitgliedern bestehende Evan-
gelische Kirchenregierung ausgeübt; von den Mit-
gliedern gehörten bisher 2 dem Geheimen Rat (wo
möglich 2 Minister) an, zu diesen kam der Präsi-
dent des evangelischen Konsistoriums, der Präsi-
dent der Landessynode und ein Generalsuperinten=
dent. Der Geheime Rat wurde jedoch 1911
aufxgehoben, die neue Zusammensetzung der Evan-
gelischen Kirchenregierung ist bis Okt. 1911 noch
nicht erfolgt.
Die Verhängung von Disziplinarstrafen gegen
evangelische Geistliche ist seit 1901 ausschließlich
kirchlichen Behörden zugewiesen.
Die Bestimmung der Religion der Kinder bei
gemischten Ehen können die Ehegatten vollständig
frei durch Vertrag vornehmen, der vor der Obrig-
keit des Ehemanns abgeschlossen sein muß. Wenn
kein Vertrag geschlossen ist, kann der Vater die
Erziehung in einer Religion bestimmen. Sobald
die Kinder die Unterscheidungsjahre erlangt haben,
können sie die Konfession selbst wählen.
Die Katholiken Württembergs sind ohne Aus-
nahme dem 1821 errichteten Bistum Rottenburg
zugeteilt. Die oberste Verwaltungsbehörde bildet
unter dem Bischof das Domkapitel, das aus
1 Dekan und 6 Kapitularen besteht. Das Kapitel
wählt den Bischof aus dem Diözesanklerus; die
Namen der für tauglich gehaltenen Glieder sind
dem Landesherrn vorzulegen, diejenigen, die dem
Landesherrn minder angenehm sind, müssen ge-
strichen werden. Die Mitglieder des Domkapitels
wählt abwechslungsweise der Bischof oder das
Kapitel; der Landesherr hat bei dieser Wahl die
ebengenannten Rechte wie bei der Wahl des Bi-
schofs. Das Aufsichtsrecht des Stoats ist bestimmt
durch das Gesetz vom 30. Jan. 1862, das nach
Verwerfung eines 1857 abgeschlossenen Konkor=
dats erlassen wurde. Die Aufsicht übt der Staat
durch den katholischen Kirchenrat, eine dem Kultus-
ministerium unterstellte Behörde, aus. Nach Art. 1
jenes Gesetzes unterliegen vom Bischof ausgehende,
allgemeine Anordnungen und Kreisschreiben an
die Geistlichkeit und die Diözesanen, wodurch die-
selben zu etwas verbunden werden sollen, was
nicht ganz in dem eigentümlichen Wirkungskreis
der Kirche liegt, sowie auch sonstige Erlosse, welche
in staatliche oder bürgerliche Verhältnisse ein-
greifen, der Genehmigung des Staats. Anord-
nungen, welche rein geistliche Gegenstände be-
treffen, sind der Staatsbehörde gleichzeitig mit der
Verkündigung zur Einsicht mitzuteilen. Dasselbe
gilt für Beschlüsse der Diözesan- und Provinzial-
synoden, päpstliche Bullen, Breven und sonstige
Erlasse, welche immer nur vom Bischof verkündet
und angewendet werden dürsen. Im übrigen ist
der Verkehr mit den kirchlichen Obern von Staats
wegen nicht gehindert. Auch mit königlichen Be-
hörden kann der Bischof unmittelbar verkehren,
nur darf er keine Befehle oder Weisungen an sie
erlassen. Kirchliche Amter kann der Staat nur so-