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tor) bestellt, der auf Lebenszeit angestellter Staats=
beamter ist und der Konfession der ihm unter-
stellten Lehrer angehören muß. Er hat das Recht,
sämtlichen Sitzungen der Ortsschulräte seines Be-
zirks mit beratender Stimme anzuwohnen. Mit
dem Oberamtsvorstand bildet er das gemein-
schaftliche Oberamt in Schulsachen. Die Ober-
schulbehörde für die evangelischen Volksschulen ist
der evangelische Oberschulrat, für die katholischen
Volksschulen der katholische Kirchenrat (kathol.
Oberschulrat). Die Leitung des Religionsunter-
richts in den Volksschulen und den Lehrerbil-
dungsanstalten kommt unbeschadet des staatlichen
Oberaufsichtsrechts über das gesamte Schulwesen
den Oberkirchenbehörden zu, denen das Recht zu-
steht, durch Anordnung von Visitationen von dem
Stand des Religionsunterrichts in den Volks-
schulen sich Kenntnis zu verschaffen.
Neben den Volksschulen sind eingerichtet Klein-
kinderschulen für noch nicht schulpflichtige Kinder,
Arbeitsschulen für Erlernung weiblicher Hand-
arbeiten, Winterabendschulen zur Fortbildung
nach Austritt aus der Volksschule, gewerbliche
Fortbildungsschulen für die in gewerblichen und
kaufmännischen Betrieben angestellten Gehilfen,
die Frauenarbeitsschulen für die Ausbildung in
weiblichen Handarbeiten, Haushaltungsschulen für
erwachsene Mädchen aus bäuerlichen und bürger-
lichen Familien, Staatswaisenhäuser zur Er-
ziehung und Ausbildung von vermögenslosen
Waisen bis zum Alter von 14 Jahren, Taub-
stummen= und Blindenanstalten.
Die höheren Lehranstalten stehen unter der Mi-
nisterialabteilung für die höheren Schulen. Diese
werden teils vom Staat, teils von den Gemeinden
unter Gewährung von Staatsbeiträgen unter-
halten. Es sind dies die (4) niederen evangelisch-
theologischen Seminare, das evangelisch-theolo-
gische Seminar in Tübingen, die (14) humanisti-
schen Gymnasien, (2) Progymnasien, (57)
Lateinschulen, (4) Realgymnasien, (6) Realpro-
gymnasien, (96) Oberrealschulen und Realschulen,
die Bürgerschulen und Elementarschulen zur Vor-
bereitung für den Besuch der humanistischen und
realistischen Lehranstalten, die Turnlehrerbil=
dungsanstalt. Diejenigen Anstalten, die nicht vom
Staat unterhalten werden, stehen unter einer
Ortsschulbehörde (örtliche Studienkommission);
sie besteht aus dem Ortsvorsteher, dem Ortsgeist-
lichen, bei paritätischen Gemeinden einem Geist-
lichen jeder Konfession, aus dem Schulvorstand
und aus 3°4 aus dem Gemeinderat und Bürger-
ausschuß gewählten Mitgliedern und steht unter
der Oberaufsicht der Ministerialabteilung; dieser
sind die übrigen Anstalten unmittelbar unterstellt.
Die Errichtung höherer Mädchenschulen ist den
Gemeinden überlassen; der Staat gibt Beiträge
zur Unterhaltung und übt die Oberaussicht aus.
Zur Heranbildung der Lehrerinnen dient das mit
dem städtischen Katharinastift in Stuttgart ver-
bundene höhere Lehrerinnenseminar.
Württemberg.
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Als Fachschulen sind errichtet für die Land-
wirtschaft die (4) Ackerbauschulen, die Weinbau-
schule und (8) landwirtschaftliche Winterschulen;
für Bautechniker die Baugewerkschule in Stutt-
art.
An Hochschulen bestehen: die Universität Tü-
bingen mit 7 Fakultäten, die Technische Hochschule
in Stuttgart, die Landwirtschaftliche Hochschule in
Hohenheim, die Tierärztliche Hochschule in Stutt-
gart (soll aufgehoben werden); hierzu kommen die
königliche Akademie der bildenden Künste und die
Kunstgewerbeschule in Stuttgart.
An sonstigen Bildungsanstalten sind zu nennen:
die Landesbibliothek, die Münz= und Medaillen-
sammlung, die Sammlung antiker Steindenkmale,
die Naturaliensammlung, das Konservatorium
vaterländischer Kunst= und Altertumsdenkmale,
die Staatssammlung vaterländischer Kunst= und
Altertumsdenkmale, die württembergische Kommis-
sion für Landesgeschichte.
VII. Jinanzwesen. Die Staatseinnahmen
fließen aus den sog. Privilegien des Fiskus (s.
B. G. B.), den Erträgen des Staatsvermögens,
Einnahmen aus der Reichskasse, aus Steuern und
Abgaben. Steuern dürfen nur erhoben werden,
soweit der Ertrag des Kammerguts nicht zureicht
und nur mit Verwilligung der Stände ausge-
schrieben werden. Durch Gesetz vom 8. Aug. 1903
ist die allgemeine Einkommensteuer eingeführt;
außerdem bestehen die Kapitalsteuer, die Grund-,
Gebäude= und Gewerbesteuer, die Wandergewerbe-
steuer. An direkten Steuern bestehen die Umsatz-
steuer bei Veräußerung von Grundstücken, Ab-
gaben bei Ausschank von Wein und Obstmost, die
Malzsteuer, Sporteln und Gerichtsgebühren, die
Erbschafts= und Schenkungssteuer. Der Staats-
haushaltsplan (Etat) wird in der Regel auf zwei
Jahre entworfen und durch das Finanzgesetz von
den Ständen festgestellt. Uberschüsse der wirklichen
Einnahmen über die Ausgaben bilden das sog.
Restvermögen. Besondere Reservefonds bestehen
für die Staatseisenbahnen seit 1899 und die
Staatsforste seit 1905.
Der Hauptfinanzetat für 1910 enthält folgende
Angaben: Staatsbedarf 103 626 002 M., davon
Zivilliste 2064 544, Staatsschuld 26 010 667,
Vensionen 8352260, Departement der Justiz
7462277, der auswärtigen Angelegenheiten
201 723, des Innern 14707 459, des Kirchen-
und Schulwesens 18 852 236, der Finanzen
7690 478, Leistungen an das Reich 15 045 106.
Zur Deckung dient der Ertrag des Kammerguts
mit 142 133 808 Roh-- und 42 140 262 A Rein-
einnahme. Im einzelnen beträgt die Roheinnahme
aus Domänen usw. 1204227, aus Forsten
18639 400, von Berg= und Hüttenwerken
7234 600, von Salinen 2297 800, von Eisen-
bahnen 80 757000, Post und Telegraphen
30 170 000, Bodenseedampfschiffahrt 418 650;
aus direkten Steuern 31 828.920 (und zwar Ein-
kommensteuer 210140000, Grund-, Gebäude-und