Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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wesentlichen Befugnisse der Nationalversammlung 
sind die gleichen wie oben angeführt (s. Costa 
Rica), unter anderem auch Prüfung der Präsi- 
dentenwahl, Ernennung von drei Designados 
(Stellvertretern des Präsidenten), Wahl der Be- 
amten des Höchsten Gerichtshofs, Verleihung der 
militärischen Grade vom Oberstleutnant an, An- 
nahme usw. von Anklagen gegen die obersten Ver- 
waltungs= und Gerichtsbehörden, Abgeordneten 
und diplomatischen Agenten. 
Die ausführende Gewalt übt ein Prä- 
sident aus, der zugleich mit einem Vizepräsidenten 
auf 4 Jahre direkt vom Volk gewählt wird, sein 
Amt am 1. März antritt, Salvadorener von Ge- 
burt, 30 Jahre alt und weltlichen Stands sein 
muß und nach seinem Amtstermin nicht sofort 
wieder wählbar ist. Hat bei der Volkswahl kein 
Kandidat die absolute Majorität, so entscheidet die 
Nationalversammlung unter den drei höchstbe- 
stimmten Kandidaten; den Präsidenten vertritt 
der Vizepräsident, und falls dieser behindert ist, 
einer der drei Designados. Die Rechte und 
Pflichten des Präsidenten sind analog denen der 
übrigen zentralamerikanischen Staatsoberhäupter 
(s. oben; Verleihung der militärischen Grade bis 
zum Kapitän; Gewährung von Strafnachlaß nur 
nach Anhörung des Höchsten Gerichtshofs); seine 
Dekrete bedürfen der Gegenzeichnung durch den 
zuständigen Staatssekretär (Staatsminister). Ge- 
genüber den Gesetzesbeschlüssen der Nationalver- 
sammlung hat der Präsident ein suspensives Veto, 
das hinfällig wird, wenn die vetierten Entwürfe 
wiederum mit Zweidrittelmajorität angenommen 
werden. Die vier Minister müssen Salvadorener 
von Geburt und 25 Jahre alt oder Zentralameri- 
kaner sein, die seit 5 Jahren in El Salvador 
wohnen; sie können den Sitzungen der National- 
versammlung anwohnen (ohne Stimmrecht) und 
müssen auf Interpellationen antworten. — Die 
Lokalverwaltung geschieht durch die Gouverneure 
der 14 Departements, die von der Regierung er- 
nannt werden; die Departements zerfallen in Di- 
strikte und Kantone unter „Munizipalitäten" (ein 
Alcalde, ein Sindaco und zwei oder mehrere 
Regidores), bie direkt von den Bürgern gewählt 
werden. 
Die Rechtspflege wird in höchster Instanz 
durch den Obersten Gerichtshof besorgt, der aus 
einer Kammer dritter und zwei Kammern zweiter 
Instanz besteht; außerdem gibt es Kammern zwei- 
ter Instanz in drei Städten und Gerichte erster 
Instanz in allen Departements und Friedensrichter 
an allen Orten. Die Richter des Obersten Gerichts- 
hofs müssen Salvadorener von Geburt oder na- 
turalisierte Zentralamerikaner, 30 Jahre alt und 
seit mindestens 4 Jahren Advokaten sein; sie haben 
Anteil an der Gesetzgebung in allen Gerichtsange- 
legenheiten und an der Ernennung der nachgeord- 
neten richterlichen Beamten. 
Die Verfassung garantiert die üblichen Rechte 
und Freiheiten der Bürger; die Todesstrafe ist für 
Zentralamerika. 
  
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militärische Vergehen im Felde, für Mord sowie 
Raub und Brandstiftung mit nachgefolgtem Tod 
aufrechterhalten. Bürger sind alle 18 Jahre alten 
Salvadorener von Geburt oder Naturalisation; 
letztere kann dem Hispano-Amerikaner aus Wunsch 
ohne längeres Domizil in El Salvador verliehen 
werden. Verfassungsänderungen bedürfen außer 
der Zustimmung durch zwei aufeinanderfolgende 
ordentliche Nationalversammlungen noch der Ge- 
nehmigung einer eigens zu wählenden Verfassung- 
gebenden Versammlung (drei Abgeordnete für 
jedes Departement). 
Das Verhältnis des Staats zur katholischen 
Kirche, der die Mehrheit der Bevölkerung an- 
gehört, war meist ein gespanntes; die Kirche ist 
seit der Wegnahme ihrer Güter durch den Staat 
verarmt und auf die Erträge der Kirchensteuer an- 
gewiesen. Das Bistum San Salvador ist Suffra- 
ganat von Guatemala. Die Verfassung garantiert 
Freiheit aller Religionen, falls sie nicht der Moral 
und der öffentlichen Ordnung widersprechen; für 
bürgerliche Personenstandsverhältnisse ist kein re- 
ligiöser Akt vorgeschrieben. 
Der Elementarunterricht ist obligatorisch, 
in den staatlichen Schulen weltlich und unentgelt- 
lich; es bestehen an 430 Volksschulen, 20 höhere 
Schulen und Spezialschulen für Jurisprudenz, 
Medizin, Pharmazie und Zahnheilkunde. 
Die Stärke des stehenden Heers wird im 
Frieden durch die Volksvertretung bestimmt und 
ist beschränkt auf die für Bewachung der Häfen, 
Zeughäuser usw. notwendigen Mannschaften; im 
Krieg ist jeder 18 bis 50 Jahre alte feldfähige 
Salvadorener dienstpflichtig. — Das Wappen 
der Republik zeigt in einem blauen, von Fahnen, 
Füllhörnern usw. umgebenen Schild einen tätigen 
Vulkan mit Sonne und 14 Sternen; die Flagge 
ist von Blau und Weiß neunmal horizontal 
gestreift, die vier oberen Streifen werden am 
Flaggstock durch ein rotes Rechteck mit 14 weißen 
Sternen verdeckt; die Landesfarben sind Blau- 
Weiß. 
Die Finanzen sind verhältnismäßig günstig; 
die Einnahmen belaufen sich nach dem Voranschlag 
für 1911 auf 10 319 780, die Ausgaben auf 
10 371 870 Silberpesos, die Staatsschuld Mitte 
1909 auf 66⅛ Mill. Mk. Die Einfuhr betrug 
1909:4176930 (aus Großbritannien 1438600, 
den Vereinigten Staaten 1 344 300, Deutschland 
482 340), die Ausfuhr 6 361 340 Goldpesos 
(Kaffee 4,59, Gold 0,689, Indigo 0.257, Zucker 
0,137 Mill. Pesos). 1909 liefen 552 Schiffe 
mit 888 978 Registertonnen ein; es gab 197 km 
Eisenbahnen, 82 Post-, 179 Telegraphenämter 
(4009 km Linien), 137 Telephonstationen 
(3300 km). Dem Geldverkehr dienen drei Noten- 
emissionsbanken; Münzeinheit ist der Silberpeso 
(= 1,6 M); der Goldpeso ist gleich dem ameri- 
kanischen Dollar. Neben den alten spanischen 
Maßen und Gewichten ist das metrische System 
gesetzlich eingeführt. 
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