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wesentlichen Befugnisse der Nationalversammlung
sind die gleichen wie oben angeführt (s. Costa
Rica), unter anderem auch Prüfung der Präsi-
dentenwahl, Ernennung von drei Designados
(Stellvertretern des Präsidenten), Wahl der Be-
amten des Höchsten Gerichtshofs, Verleihung der
militärischen Grade vom Oberstleutnant an, An-
nahme usw. von Anklagen gegen die obersten Ver-
waltungs= und Gerichtsbehörden, Abgeordneten
und diplomatischen Agenten.
Die ausführende Gewalt übt ein Prä-
sident aus, der zugleich mit einem Vizepräsidenten
auf 4 Jahre direkt vom Volk gewählt wird, sein
Amt am 1. März antritt, Salvadorener von Ge-
burt, 30 Jahre alt und weltlichen Stands sein
muß und nach seinem Amtstermin nicht sofort
wieder wählbar ist. Hat bei der Volkswahl kein
Kandidat die absolute Majorität, so entscheidet die
Nationalversammlung unter den drei höchstbe-
stimmten Kandidaten; den Präsidenten vertritt
der Vizepräsident, und falls dieser behindert ist,
einer der drei Designados. Die Rechte und
Pflichten des Präsidenten sind analog denen der
übrigen zentralamerikanischen Staatsoberhäupter
(s. oben; Verleihung der militärischen Grade bis
zum Kapitän; Gewährung von Strafnachlaß nur
nach Anhörung des Höchsten Gerichtshofs); seine
Dekrete bedürfen der Gegenzeichnung durch den
zuständigen Staatssekretär (Staatsminister). Ge-
genüber den Gesetzesbeschlüssen der Nationalver-
sammlung hat der Präsident ein suspensives Veto,
das hinfällig wird, wenn die vetierten Entwürfe
wiederum mit Zweidrittelmajorität angenommen
werden. Die vier Minister müssen Salvadorener
von Geburt und 25 Jahre alt oder Zentralameri-
kaner sein, die seit 5 Jahren in El Salvador
wohnen; sie können den Sitzungen der National-
versammlung anwohnen (ohne Stimmrecht) und
müssen auf Interpellationen antworten. — Die
Lokalverwaltung geschieht durch die Gouverneure
der 14 Departements, die von der Regierung er-
nannt werden; die Departements zerfallen in Di-
strikte und Kantone unter „Munizipalitäten" (ein
Alcalde, ein Sindaco und zwei oder mehrere
Regidores), bie direkt von den Bürgern gewählt
werden.
Die Rechtspflege wird in höchster Instanz
durch den Obersten Gerichtshof besorgt, der aus
einer Kammer dritter und zwei Kammern zweiter
Instanz besteht; außerdem gibt es Kammern zwei-
ter Instanz in drei Städten und Gerichte erster
Instanz in allen Departements und Friedensrichter
an allen Orten. Die Richter des Obersten Gerichts-
hofs müssen Salvadorener von Geburt oder na-
turalisierte Zentralamerikaner, 30 Jahre alt und
seit mindestens 4 Jahren Advokaten sein; sie haben
Anteil an der Gesetzgebung in allen Gerichtsange-
legenheiten und an der Ernennung der nachgeord-
neten richterlichen Beamten.
Die Verfassung garantiert die üblichen Rechte
und Freiheiten der Bürger; die Todesstrafe ist für
Zentralamerika.
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militärische Vergehen im Felde, für Mord sowie
Raub und Brandstiftung mit nachgefolgtem Tod
aufrechterhalten. Bürger sind alle 18 Jahre alten
Salvadorener von Geburt oder Naturalisation;
letztere kann dem Hispano-Amerikaner aus Wunsch
ohne längeres Domizil in El Salvador verliehen
werden. Verfassungsänderungen bedürfen außer
der Zustimmung durch zwei aufeinanderfolgende
ordentliche Nationalversammlungen noch der Ge-
nehmigung einer eigens zu wählenden Verfassung-
gebenden Versammlung (drei Abgeordnete für
jedes Departement).
Das Verhältnis des Staats zur katholischen
Kirche, der die Mehrheit der Bevölkerung an-
gehört, war meist ein gespanntes; die Kirche ist
seit der Wegnahme ihrer Güter durch den Staat
verarmt und auf die Erträge der Kirchensteuer an-
gewiesen. Das Bistum San Salvador ist Suffra-
ganat von Guatemala. Die Verfassung garantiert
Freiheit aller Religionen, falls sie nicht der Moral
und der öffentlichen Ordnung widersprechen; für
bürgerliche Personenstandsverhältnisse ist kein re-
ligiöser Akt vorgeschrieben.
Der Elementarunterricht ist obligatorisch,
in den staatlichen Schulen weltlich und unentgelt-
lich; es bestehen an 430 Volksschulen, 20 höhere
Schulen und Spezialschulen für Jurisprudenz,
Medizin, Pharmazie und Zahnheilkunde.
Die Stärke des stehenden Heers wird im
Frieden durch die Volksvertretung bestimmt und
ist beschränkt auf die für Bewachung der Häfen,
Zeughäuser usw. notwendigen Mannschaften; im
Krieg ist jeder 18 bis 50 Jahre alte feldfähige
Salvadorener dienstpflichtig. — Das Wappen
der Republik zeigt in einem blauen, von Fahnen,
Füllhörnern usw. umgebenen Schild einen tätigen
Vulkan mit Sonne und 14 Sternen; die Flagge
ist von Blau und Weiß neunmal horizontal
gestreift, die vier oberen Streifen werden am
Flaggstock durch ein rotes Rechteck mit 14 weißen
Sternen verdeckt; die Landesfarben sind Blau-
Weiß.
Die Finanzen sind verhältnismäßig günstig;
die Einnahmen belaufen sich nach dem Voranschlag
für 1911 auf 10 319 780, die Ausgaben auf
10 371 870 Silberpesos, die Staatsschuld Mitte
1909 auf 66⅛ Mill. Mk. Die Einfuhr betrug
1909:4176930 (aus Großbritannien 1438600,
den Vereinigten Staaten 1 344 300, Deutschland
482 340), die Ausfuhr 6 361 340 Goldpesos
(Kaffee 4,59, Gold 0,689, Indigo 0.257, Zucker
0,137 Mill. Pesos). 1909 liefen 552 Schiffe
mit 888 978 Registertonnen ein; es gab 197 km
Eisenbahnen, 82 Post-, 179 Telegraphenämter
(4009 km Linien), 137 Telephonstationen
(3300 km). Dem Geldverkehr dienen drei Noten-
emissionsbanken; Münzeinheit ist der Silberpeso
(= 1,6 M); der Goldpeso ist gleich dem ameri-
kanischen Dollar. Neben den alten spanischen
Maßen und Gewichten ist das metrische System
gesetzlich eingeführt.
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