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Bürgerliche Gesetzbuch hatte zwei Vorgänger: das
sog. Josephinische Gesetzbuch, der erste Teil eines
solchen, sodann das im Jahr 1797 für Galizien
erlassene Gesetzbuch, auf deren Grundlagen es er-
richtet ist.
Zur Zeit des Deutschen Bundes machte
die Zivilgesetzgebung geringe Fortschritte. Vom
Bund aus konnte nichts geschehen, da die Zustän-
digkeit desselben zum Erlaß einer gemeinsamen
Gesetzgebung von verschiedenen Seiten, namentlich
auch von liberaler, bestritten wurde. Doch gab der
Bund die Anregung zu verschiedenen wichtigen Ge-
setzgebungsakten, so z. B. 1832 zu dem Gesetz über
den Nachdruck, zur deutschen Wechselordnung
(1848), zum deutschen Handelsgesetzbuch (1862),
ersteres durch Bevollmächtigte deutscher Staaten
in Leipzig, letzteres in Nürnberg und Hamburg
(Seerecht) beraten. Beide wichtigen Gesetze konnten
wegen der Verfassung des Bundes natürlich nur
als Landesgesetze eingeführt werden, doch ver-
weigerte kein Bundesstaat die Einführung. Die
Anregung zum Erlaß der Wechselordnung hat
Württemberg gegeben, während man das Handels-
gesetzbuch Bayern verdankt. Beide Gesetzbücher
sind gut durchgearbeitete, wohlgelungene Werke
der Zivilgesetzgebung. Der 1862 veröffentlichte
sog. Dresdener Entwurf eines Obligationenrechts
blieb unerledigt. Von den Einzelstaaten machten
nur wenige den Versuch, förmliche Zivilgesetzbücher
einzuführen, wenn auch natürlich zahlreiche gesetz-
liche Reglungen von Einzelmaterien unbedingt er-
forderlich waren und erfolgten. Das Königreich
Sachsen publizierte ein bürgerliches Gesetzbuch
am 1. März 1865. In andern deutschen Staaten
blieb es bei dem Versuch einer umfassenden bürger-
lichen Gesetzgebung, so in Bayern und Hessen.
Die Reichsverfassung des Jahrs 1849 wollte die
Reichszuständigkeit auf die Zivilgesetzgebung aus-
dehnen.
Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes
bzw. des Deutschen Reichs 1866 bzw. 1870 war
eine neue Veranlassung für den Erlaß allgemeiner
Bundes= bzw. Reichsgesetze gegeben. In der Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes war die ge-
meinsame Gesetzgebung über das Obligationen-,
Handels= und Wechselrecht als Bundessache erklärt
worden (Art. 4, Nr 13). Durch Gesetz vom
20. Dez. 1873 wurde die gemeinsame Gesetz-
gebung über das gesamte bürgerliche Recht der
Zuständigkeit des Reichs unterworsen. Damals
lebten innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs
unter preußischem Allgemeinen Landrecht 21 Mill.
Menschen, etwa 43% der Gesamtbevölkerung,
unter sächsischem Gesetzbuch 3½ Mill., etwa 7%.
unter gemeinem Recht 16 1⅛½ Mill. oder etwa
33% unter französischem Recht 8.4 Mill., etwa
Zivilgesetzgebung.
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das preußische und das gemeine Recht nur als
subsidiäre Rechte, also nur für den Fall, daß nicht
provinzialrechtliche bzw. einzelstaatliche Rechte ihnen
vorgingen, was sehr häufig der Fall war. Im
rechtsrheinischen Hessen galten für 600 000 Per-
sonen das Erbacher, das Solmser, Katzenellen-
bogener, Pfälzer und Mainzer Landrecht, das
Wimpfener Stadtrecht, der Grünberger und Butz-
bacher Stadtbrauch sowie althessische Verordnungen
der Landgrafen und großherzogliche Gesetze und
Verordnungen vor dem gemeinen Recht.
Am 28. Febr. 1874 beschloß der Bundesrat,
Plan und Methode der Ausarbeitung eines Bürger-
lichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich durch eine
Kommission von 5 Mitgliedern feststellen zu lassen.
Auf deren Bericht wurde eine Kommission von 11
Mitgliedern (9 Praktikern und 2 Professoren) zur
Abfassung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs am
22. Juni 1874 niedergesetzt. Diese verständigte sich
alsbald über ihren Arbeitsplan und bestellte 5 Re-
daktoren zur Ausarbeitung von Teilentwürfen.
Vorsitzender der Kommission wurde der bisherige
Präsident des Oberhandelsgerichts v. Pape. Nach-
dem die Entwürfe des allgemeinen Teils vom badi-
schen Ministerialrat Gebhard, des Rechts der Schuld-
verhältnisse vom württembergischen Obertribunals-
präsident v. Kübel, des Sachenrechts vom preußi-
schen Obertribunalsrat Johow, des Familienrechts
von Oberjustizrat Planck, des Erbrechts vom
bayrischen Ministerialrat v. Schmitt festgestellt
waren, begannen vom 4. Okt. 1881 ab die Be-
ratungen der Gesamtkommission. Der von dieser
ausgearbeitete Entwurf 1 des B.G.B. wurde am
27. Dez. 1887 dem Reichskanzler überreicht und
vom Bundesrat im März 1888 veröffentlicht. Im
Lauf des Jahrs 1888 erschienen dazu 5 Bände
Motive. Der Entwurf wurde heftig angegriffen;
getadelt wurden Sprache und Inhalt. Rufer im
Streit war Professor Gierke in Berlin, der ihm
in starker Ubertreibung den deutschrechtlichen und
volkstümlichen Charakter absprach. Der Bundes-
rat beschloß daraufhin am 4. Dez. 1890, eine
zweite Kommission von 22, später 24 Mitgliedern
mit einer zweiten Lesung des Entwurfs zu be-
trauen. Die zum 15. Dez. 1890 einberufene Kom-
mission bestand aus 10 juristischen Praktikern, 7
Professoren und 7 Angehörigen nichtjuristischer
Berufsstände. Vorsitzende der Kommission waren
während ihrer Amtsdauer die Staatssekretäre
v. Ohlschläger, Bosse. Hanauer und neben Geh.
Oberjustizrat Küntzel Nieberding. Die einzelnen
Teile des neuen Entwurfs (II) erschienen vom
Mai 1892 bis Juni 1895 im Buchhandel; in
endgültiger Fassung wurde der ganze Entwurf am
21. Okt. 1895 festgestellt. In der Kommission
waren Referenten für den allgemeinen Teil und
17% der Bevölkerung, und zwar unter dem Code das Einführungsgesetz Professor Gebhard, für das
civil 6.7 Mill., unter Badischem Landrecht 1.7 Recht der Schuldverhältnisse Ministerialrat v. Ja-
Mill., ferner unter dänischem Recht von 1863
15000 Personen, unter österreichischem Bürger-
lichen Gesetzbuch 2500 Personen. Dabei galten
cubezky, für das Sachenrecht Oberjustizrat Küntzel,
für das Familienrecht Professor v. Mandry und
für das Erbrecht die Geheimräte Rüger bzw.